Will jemand einen Spirou? Nein, keine Junggesellenversteigerung? Nein, einen kleinen unartigen Jungen, der hier in einem Vogelkäfig sitzend angeboten wird. Und niemand geringerer als seine eigene Mutter bietet ihn an. Gnadenlos, vehement, voller Begeisterung. Die Gebote sind zuerst verhalten, auch noch zu niedrig, bis sich schließlich eine Dame meldet und alle anderen mit ihrem Gebot (und ihrer Begründung) überrascht. Armer Spirou? Nein! Geschieht dir ganz recht!
Jean-Richard Geurts, oder besser Janry, führt die Erlebnisse rund um den kleinen Spirou fort. Die Betonung liegt auf rund um den, denn ohne seine Zuspieler, die allesamt sehr gut vorgestellt werden, wäre Spirou selbst sicher nur halb so lustig:
Strulli, der Hund. Fräulein Chiffre, die Mathematiklehrerin. Oma (väterlicherseits). Mama (nicht selten am Rand des Nervenzusammenbruchs). Turnlehrer Jahn (völlig aus der Form geraten, in jeder Hinsicht). Pfarrer Steiner (mit einer ganz besonderen Methode des Geschichtsunterrichts). Melchior Knieweich (der heimliche Geliebte von Fräulei Chiffre, sehr zum Leidwesen von Spirou, na, eigentlich sehr zum Leidwesen von allen Schülern in Spirous Alter). Opa (mag Spirou von allen Erwachsenen am liebsten, abgesehen von seiner Mama).
Bevor Spirou in dieser Ausgabe zu Werke geht, mit einseitigen Geschichten sein Leben zu beleuchten, in dem er mal Täter, mal Opfer ist, wird eine wahre Liebesgeschichte erzählt, wie sie nur ein kleiner Stepke erleben kann. Mathematik kann eine ziemlich langweilige Angelegenheit sein für einen kleinen Jungen. Spirou beschließt, der beste Schüler zu werden, den Fräulein Chiffre jemals gehabt hat: Aus Liebe. Dies wird von Janry mit so viel unangestrengter Herzlichkeit und Komik erzählt, dass eine Gegenwehr gegen das aufkeimende Schmunzeln nicht möglich. Tome erledigt durch seinen Strich, der nah an Franquin ist, den Rest.
Manchmal wird der Ball auch von der anderen Seite gespielt. Dann erledigt Tome die Vorlage und Janry macht die Pointe. Ein sehr schönes Beispiel hierfür sind natürlich Sketche, die mit wenig oder gar keinem Text auskommen. Als Spirou doch von seiner Schwärmerei für Fräulein Chiffre ablässt und mit seiner Schulkameradin (und Freundin?) Susi einen Ausflug macht und ein sich selbst aufblasendes Zelt testet, geht selbiges fliegen und Janry fängt es mit einer absolut perfekten Schlussszene wieder ein.
Ein geradezu technisches Vorzeigestückchen ist der Sketch über einen Tag am Strand. Spirous Freund zählt. Dabei handelt es sich allerdings nicht um eine überflüssige Mathematikübung. Vielmehr erlebt der Leser einen verlängerten Countdown, bis sie kommt: Die perfekte Welle. Womit Janry beweist, dass kleine Jungs auch nur Männer sind. Während die Damen, Schülerinnen wie Mathelehrerin, in der 75. Welle ihrer Wasserbekleidung verlustig gehen, da kein Gummizug der Saugkraft dieser Woge widerstehen kann, stürzen sich die beiden Jungs mit großen Augen und die Hosen festhaltend in die Fluten.
Obwohl hier ein kleiner Junge am Werk ist und sein Unwesen treibt, es auch sehr viele Momente gibt, wie sie nur ein kleines Kind erlebt, weil es sich noch einfallsreicher und genügsamer zu vergnügen weiß, gibt es auch eine Reihe von Sketchen, die sich um das Thema Nummer 1 drehen: Liebe. Damit das auch realistischer (na, sagen wir für Erwachsene komödiantischer) erfolgen kann, müssen Zeitgenossen wie Turnlehrer Jahn an die Front. Letzterer wirkt wie eine Kreuzung aus Lino Ventura und Heinz Hönig (passenderweise in seiner Rolle als muffeliger Sportlehrer Werner Rösler in Unser Lehrer Doktor Specht).
Der gute Jahn muss in dieser Ausgabe gewaltig einstecken. Er ist zwar nicht so aufgebaut, dass Mitleid entstehen soll, aber ab einem gewissen Punkt, als auch noch das letzte Quentchen Hoffnung Jahns erstickt wird, darf man für Jahn doch ein Tränchen verdrücken. Jahn ist jene Figur, die stets aufs Neue versucht einen Vertrag zu unterschreiben, aber leider kommt dank eines gemeinen Zwischenfalls (oder einer gemeinen Planung) immer etwas dazwischen (erinnert an gewisse Passagen aus der Redaktion von Gaston).
Leise Komik, fein serviert, abgeschmeckt mit purer Slapstick, etwas Albernheit und einem Schuss Hintergründigkeit. Angerichtet auf einem Bett von guter Menschenkenntnis, beträufelt mit Verständnis und Herzlichkeit. So muss Humor sein. Klasse. 🙂
Der kleine Spirou 14, Geschieht dir ganz recht: Bei Amazon bestellen