Ein Besuch im Wachsfigurenkabinett kann anspornend sein. Besonders inspirierend wird es angesichts einer Sammlung von Bösewichtern, die es zu ihrer Zeit verstanden, wie man eine Person aus dem Weg schaffte, die einem im Weg stand. Klar, dass Isnogud bei historischen Größen wie Brutus oder Al Capone auf Ideen kommt. Als sich noch die Gelegenheit ergibt, sich dieser berühmten Mörder in Natura zu bedienen (und auf den Kalifen zu hetzen), gibt es kein Halten mehr. Allerdings ist die Kontrolle über diese insgesamt unberechenbare Bande alles andere als einfach.
In Anlehnung an das berühmte Werbeplakat zum Film Der weiße Hai gestaltet sich das Titelbild mit einem fröhlich schwimmenden Isnogud. Gleichzeitig lässt sich kaum eine bessere Umschreibung für die Schwierigkeiten des Wesirs finden, der doch so gern und so häufig versucht, in die Fußstapfen des Kalifen zu treten. Während er noch versucht, irgendwie den Kalifen loszuwerden, wartet das Unglück (oder auch das verdiente Missgeschick an der nächsten Ecke).
Goscinny, der begnadete Texter von Asterix, Lucky Luke, Umpah-Pah, Pitt Pistol oder auch Isnogud, bricht hier aus gewöhnlichen Erzählstrukturen aus und spricht auch schon mal den Leser direkt an. Derlei Spielereien kennt Komödienfan aus dem einen oder anderen Medium, vielleicht sogar aus einem Woody-Allen-Film. Wenn die Leser dem Autor und dem Zeichner ein Ultimatum stellen, fordern, Isnogud sei innerhalb der nächsten 15 Seiten zum Kalifen zu machen, weil die Geschichte doch langsam etwas unglaubwürdig wird, dann ist eine gewisse Surrealität angesagt.
Isnogud wird kurzerhand zu etwas gemacht, das er nicht ist. Genauer: Diverse Proben sprechen ihm einen Charakter zu, mit dem eine Komödie kaum glaublich scheint. Und am Ende? Ist er dann Kalif? Diese Frage darf (ohne zuviel zu verraten) glasklar mit Nein beantwortet werden.
Wer hat den Fischteich ausgeschleckt?
Ein Geist soll Verwirrung stiften. Dabei ist zuallerst einmal fraglich, ob er überhaupt existiert. Isnogud hingegen hat sich schon auf viel waghalsigere Experimente eingelassen. Wenn ein Geist in der Lage ist, einem Kalifen den Verstand zu rauben, dann ist das einen Versuch wert.
Wer hat den Schlickteich ausgefischt?
Verwirrung liegt aber auch auf den Seite des Lesers. Gnadenlos wird hier nach Pointen gefischt, häufig treffend, nicht immer, aber immer auf gewisse Art auch albern. Diese Albernheit würde einem Deutschen nicht zu Gesicht stehen, frankobelgisch jedoch wird sie nicht nur geduldet, sondern auch verlangt, denn nur dort scheint sie auch immer wieder zu funktionieren.
Wer hat den Schleckfisch ausgeteicht?
Ob Märchenwelt, ob parlamentarische Demokratie oder Skandalblätter, Goscinny ist nichts heilig. Aus allem scheint er eine Komödie machen zu packen. Stets wird alles sehr gut in die Kulissen der prächtigen Stadt eingefügt, stets ist Isnogud ein persisches Balduin das Nachtgespenst, immer cholerisch, immer am Rande des Nervenzusammenbruchs oder schon weit jenseits davon. Da bleibt nicht nur kein Auge trocken, da entsteht ein Dauergrinsen, das einem auch nicht vergeht, wenn Isnogud schlussendlich die Stimme versagt. Und für den, der einfach nicht viel Zeit hat, auf den wartet eine Sammlung von Einseitern für den kleinen Humorhunger zwischendurch.
Er schafft es zwar immer noch nicht, Kalif zu werden, dafür darf aber weiterhin herzhaft gelacht und geschmunzelt werden. Goscinny und Tabary sind (waren) immer noch in Bestform. Vorbildhaft, sehr humorvoll, immer noch aktuell. Klasse! 🙂
Die gesammelten Abenteuer des Großwesirs Isnogud, Band 5: Bei Amazon bestellen