Jetzt muss nur noch Prinzessin Pipa geheiratet werden. Dazu will Garulfo am Hofe des Königs um ihre Hand anhalten. Eigentlich keine große Sache, wäre Pipa wirklich eine Prinzessin und würde der König sie kennen. Und wäre Garulfo nicht bis vor wenigen Minuten kein Frosch gewesen. Aber Garulfo steckt so voller Freude über seinen neuen Zustand und ist derart enthusiastisch, dass er sich über mögliche Hindernisse keinerlei Gedanken macht. Das ist ein großer Fehler.
Es waren einmal die Märchen! Und es waren einmal die Frösche, die schon immer für Ärger und Spaß gut waren. Niemand vermag das Märchen um den Froschkönig wirklich richtig zu analysieren, aber … Was wäre, wenn ein Frosch, vom Gedanken beseelt, der Mensch sei tatsächlich die Krone der Schöpfung, sich genau aus diesem Grunde wünschen würde, ein Mensch zu werden?
Das Thema kommt genau wieder zur richtigen Zeit, stehen doch bereits die nächsten Frösche in den Startlöchern, um die kommende Weihnachtszeit zu versüßen. Disney hingegen geht in seinem klassisch gezeichneten Trickfilmabenteuer Küss den Frosch den umgekehrten Weg. Hier ist es der Frosch Garulfo, der an seinem kleinen Flüsschen die Menschen anschmachtet und sich mit seinem Erpelfreund Fulbert über philosophische Gedanken ergeht. Ab und an wird Garulfo von einem verwirrten Unkerich ebenfalls angeschmachtet, was den Froschmann ziemlich erbost. Das Froschleben verläuft so weit so gemächlich.
Jedenfalls nur so lange, bis Alain Ayroles Garulfos Wunsch erfüllt und einen Menschen aus ihm macht. Gab es zuvor bereits viel Humor, explodiert nun die Lachbombe, jagen viele kleinere Schmunzelraketen hoch. Die Naivität, mit der Garulfo sein Menschsein angeht, fördert Lacher, erregt manchmal Mitleid und letztlich ist Garulfo menschlicher als alle anderen. Die gute Fee, die in Wahrheit eine Hexe ist, lässt Garulfo ins offene Messer laufen. Natürlich weiß sie um die Niedertracht der Menschen und deren Hang zur Zwietracht. Und zu Irrtümern wie auch zum Hang, das eine oder andere zu vergessen, vornehmlich das, was einmal für Schwierigkeiten sorgen könnte.
Garulfo gerät durch ein Missverständnis in den engeren Kreis des Königs. Seine Angebetete, die er für eine Prinzessin hält, ist in Wirklichkeit alles andere als das, aber der König, der einmal ein Hansdampf in allen Gassen war, kann sich nicht wirklich sicher sein. So gibt es auf einmal zwei Prinzessinnen. Garulfo, der mit seiner Qurligkeit, Naivität, Mitleid und seinem spontanen Mundwerk für allerhand Chaos sorgt, widersteht im Gegenzug allen Bemühungen, ihn in dieses seltsame menschliche Konstrukt der Beziehungen zu integrieren. Garulfo will nur die Prinzessin heiraten (weil er ja muss), alles andere ist ihm nicht nur fremd, sondern auch unwichtig.
Garulfo wächst dem Leser während der Lektüre ans Herz. Die großen Augen, mit denen Garulfo die Menschenwelt betrachtet, all die unglaublichen Verwicklungen, die einem Komödienautor zur Ehre gereichen würden, machen aus dem ersten vorliegenden Band, der gleich zwei wahnwitzige Abenteuer von einst enthält (die 1995-1996 zuerst erschienen), eine tolle Mischung aus Märchen, Fantasy-Abenteuer und natürlich Komödie.
Warum diese Verwicklungen und Charakterentwicklungen so wunderbar funktionieren, liegt nicht nur an der erzählerischen Qualitäten von Alain Ayroles, der die Handlung in immer haarsträubendere hakenschlagende Situationen treibt. Bruno Maiorana, der nach eigener Aussage Fan von Superhelden, Franquin und Moebius ist, zeichnet hier in einem wunderbar eigenen und eigenwilligen Stil. Das erinnert an eine Mischung aus Walt Disney (besonders in frühen Tagen) und Wilhelm Busch. Die Strichführung karikiert ungehemmt und gestattet sich außergewöhnliche kantige, auch verwackelte Ansichten, die ein feines Volumen besitzen. Maiorana zeichnet Figuren zum Anfassen. Insgesamt entsteht ein sehr zarter optischer Eindruck. Hier war weniger eine breite Zeichenfeder am Werk, als ein dünner Rapi, ein Tuschezeichner. Mit Garulfo dürfte Maiorana ein Amphibium gelungen sein, das ebenso viel Charakter und Klasse besitzt wie Tadäus Kröte in der Disney-Verfilmung von Der Wind in den Weiden. Maiorana konzentriert sich stets auf das Wesentliche der Szene, deren Ausdruck mitunter auch an die eigenwillige Darstellung eines Argstein erinnert. Maiorana trifft die Action ebenso wie die Kulissen, doch am besten sind seine Gesichtsausdrücke, die er sehr vielfältig und mit einem zum Teil gemeinen Blick auf seine Figuren zu Papier bringt.
Märchen, Fantasy, Kömodie, sicher auch Drama und Tragödie in einer ganz eigenen Gestaltung, die auf ihre Art anzieht und fesselt. Garulfo darf sich inzwischen Kult nennen, zu Recht, denn selten wurde das Genre so liebevoll, aber auch so zwingend benutzt, um der Krone der Schöpfung den Spiegel vorzuhalten. Humorvolle und intelligente Unterhaltung. 🙂
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