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Comic Blog


Freitag, 11. September 2009

Cheri-Bibi

Filed under: Abenteuer — Michael um 18:42

Cheri-BibiDer Gefangene 3216 ist höchst gefährlich. Deshalb wurde er besonders sicher verwahrt und bewacht. Genützt hat es nichts. Als die anderen Wachen nach ihm schauen, finden sie zwei ihrer Kollegen bewusstlos in der Zelle vor. Der Gefangene ist trotz verschlossener Zellentür verschwunden. Wo ist er geblieben? Die Frage beantwortet sich schnell an Bord des Gefangenentransports. Cheri-Bibi, wie der Gefangene auch genannt wird, zettelt einen Gefangenenaufstand an.

Fatalitas! Andere Zeiten, andere Erzählungen: Intensiv, sehr dicht, weit. Der französische Autor Gaston Leroux schuf die Figur des Ganoven Cheri-Bibi von 1913-1925. Ein stämmiger und starker Mann, ehemaliger Metzger, gerät der Liebe wegen auf die schiefe Bahn, für ein Verbrechen, das er nicht begangen hat. Cheri-Bibi besitzt Stolz und Mut im Übermaß. Außerdem hat er sich viel Respekt unter seinen kriminellen Kollegen verdient. Er ist eine Mischung (geht man nach Äußerlichkeiten) aus Bud Spencer und Henri Charriere (vergleicht man ihn mit der Geschichte von Papillon).

Cheri-Bibi besitzt eine große Liebe: Cecily. Sie ist es (ungewollt), die ihm den ganzen Schlamassel eingebrockt hat. Dennoch weigert er sich, von dieser Liebe abzulassen. Über lange Zeit hinweg wird Cecily zu einer Passion, einem unerreichbaren Ziel, einem Symbol für das Leben ebenso wie für die Rache. Cheri-Bibi ist die Große-Bruder-Figur. Gerecht, beschützend, stark. Leroux arbeitet mit einem Urtyp der sympathischen Figur. Hier schmerzt es den Leser umso mehr, wenn sie ungerecht behandelt wird, wenn ihr Unglück widerfährt. Das fesselt und packt, hält den Ball ständig im Spiel, besonders da Leroux nicht geradlinig erzählt, sondern gerade in der ersten Hälfte stark auf das erzählerische Mittel der Verschachtelung zurückgreift.

Immer wieder gibt es Rückblicke, die Cheri-Bibis Vergangenheit regelrecht ans Tageslicht zerren und den Charakter, der einem zunächst sehr brutal erscheint, monströs geradezu, zurecht rücken und immer menschlicher werden lassen. Nach dem Auftakt, dem Beginn einer Flucht, mag der Leser zuerst an bekannte Szenarien wie Flucht in Ketten denken, die allerdings erst viel später kamen als die Romanvorlage von Cheri-Bibi. Die zeitlichen Sprünge, die nun folgen, mögen anfangs verwirrend wirken. Ein Gefangenentransport auf einem Ozeanschiff beleuchtet ein weiteres Kapitel des Gefangenen mit der Nummer 3216. Gleich darauf geht es in die Kindheit zurück, als er seine Lehre zum Metzger absolvierte. Sehr schnell fügen sich die Puzzleteile zusammen. Es entsteht ein Bild eines Mannes, der wie das Zentrum eines Sturmes wirkt. Er ist nicht immer Herr seiner selbst, aber zu jeder Zeit Herr der Lage.

Für Pascal Bertho, der die Comic-Adaption von Cheri-Bibi geschrieben hat, haben sich einige Herausforderungen ergeben. Die Handlung ist sehr dicht, sehr detailfreudig. Die vielen kleinen Ausschnitte in jeweils kurzen Episoden zu formulieren, ist nicht leicht. Doch in der sehr gelungenen Kombination eindrucksvoller Bilder und Off-Texten oder kurzen Dialogen entsteht ein regelrechtes Kaleidoskop, das der Leser binnen Kurzem mit Leichtigkeit zu überschauen lernt.

Marc-Antoine Boidin ist Zeichner und Kolorist dieses vorbildlichen Comics. Seine Charaktere sind überzeichnet, aber ihnen steht ihr Charakter nicht ins Gesicht geschrieben. Vielmehr wird immer nach einem speziellen Ausdruck gesucht, nach einem plakativen Aushängeschild der jeweiligen Figur. Ist diese Grundlage geschaffen, spielt Boidin damit und erweckt die Menschen zum Leben. Boidin stellt den Realismus von Umgebung der leichten Abstrahierung der Figuren gegenüber. Die leichte Zeichnung erbringt oftmals einen dreidimensionalen Effekt und eine sehr hohe Plastizität der Bilder. Boidin nähert sich Art Bilder an, die auch einem Trickfilm entnommen sein könnten. Die Bilder sehen so aus, als seien sie direkt über der Bleistiftvorzeichnung koloriert worden.

So dienen neben feinen und nur der notwendigsten Außenlinien manchmal auch Schraffuren zur Schattierung. Die Farben sind immer sehr intensiv und strahlend (sogar in dunklen Szenen) ausgeführt und garantieren einen Augenmagnet. Man vermag sich allein durch die Optik in die Geschichte hinein zu schauen. Den Text nimmt man einfach mit.

Einziger Mangel: Die diesen tollen Bildern wünscht man sich eine Albenausgabe mit entsprechend großen Darstellungen. Die künstlerische Umsetzung ist zwar auch in dieser gelungenen Ausgabe zu erkennen und zu loben, aber es wäre noch schöner gewesen, mehr davon sehen zu können.

Eine wunderbare Ausgabe und eine echte Überraschung: Nach vielen sehr spezifischen Geschichten aus Science Fiction, Fantasy, Funny, auch Horror bereichert diese tolle Mischung aus Drama, Krimi und Abenteuer den Bereich Comic sehr. Hier zeigt sich auf erstaunliche Weise, wie sehr echte Szenarien den Comic bereichern können und welche vielfältigen Möglichkeiten er seinen Erzählern bietet. Eine Bestleistung von Bertho und Boidin auf höchstem technischen und künstlerischem Niveau nach einer sehr spannenden Romanvorlage. 🙂

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