Mittwoch, 30. September 2009
Von den Frauen hätte Scrubby eigentlich keine Gefahr erwartet. Und prinzipiell wollen sie ihm auch nichts Schlimmes. Er soll nur eingefettet werden. Wer zum ersten Mal in einen Schacht einfährt, erfhält gleichzeitig eine gewisse Taufe, nur hat Scrubby keinerlei Lust darauf eingedreckt zu werden. Er versucht zu entkommen. Vergeblich. Der Tumult jedoch weckt die Aufmerksamkeit des Besitzers. Dieser beendet den Aufruhr auf seine herrische Art und befiehlt, dass Scrubby unter der Erde eingesetzt werden soll.
Ich sehe die Dinge so, wie sie wirklich sind.
Es beginnt mit einer Tragödie. Der kleine Peter, von allen nur Scrubby gerufen, muss erleben, wie seine Familie an der Stadt, die ihnen doch eine neue Lebensgrundlage bieten sollte, zerbricht. Zurück bleiben er und seine ältere Schwester Sheila, die versucht, Mutter, Schwester und Familie zugleich zu sein. Scrubby, der ein besonderes Kind ist, weil er Dinge sieht, die ansonsten niemand bemerkt, bemerkt den Zauber, der auch in der Stadt vorhanden ist.
Um diesen Zauber dem Leser auch begreiflich zu machen, spielt Pierre Dubois mit einer Art Zitat: Scrubby wird Zeuge einer Aufführung von Peter Pan. Was für ihn zuerst unglaublich ist (ebenso wie für die Darsteller des Stücks), bewahrheitet sich. Die Erwachsenen im Publikum, die Städter nehmen den Zauber an, sie lassen sich von der Märchenhaftigkeit des Stücks anstecken und mitreißen. Hier findet sich eine der schönsten Szenen des vorliegenden Bandes. Gleichzeitig entwickelt sich auch ein Vergleich zu Peter Pan. Geschichte und Grundgedanken mögen verschieden sein, doch das Gefühl, das sich beim Lesen der Geschichten einstellt, ist ähnlich.
Die Legende vom Changeling verzaubert dort, wo sie es soll, aber sie schafft es auch gleichermaßen durch den echten Schrecken der soldatischen Maßen zu erschüttern. Doch dieser Schrecken ist nicht mehr als eine Einleitung auf das, was noch kommt.
Der schwarze Mann: Immer eine gerne verwendete Gruselfigur, immer mit unterschiedlichen Kräften ausgestattet, aber stets schon durch die Namensgebung besonders düster vorverurteilt. Hier ist der schwarze Mann mehr als eine bloße Gruselmähr oder Horrorgestalt. Bei Pierre Dubois wird er zum Sinnbild einer menschenverachtenden Industrialisierung. Profit steht über allem, der Mensch ist nur besseres Arbeitsgerät. Natürlich ist die Figur auch teuflisch und stellt eine reale Gefahr für Leib und Leben dar. Ihre Kräfte überraschen selbst jene, die es wissen müssten, jene heimlichen Wesen,
Pierre Dubois will nicht nur bezaubern. Der Wechsel aus der heiteren Welt des grünen Landes in die graue Stadt ist vollzogen. Vollkommen ungeschminkt wird die gefährliche und menschenunwürdige Arbeit unter Tage gezeigt. Demgegenüber stehen die Planungen der Unternehmer künftige Streiks und Aufstände nicht wieder aufkommen zu lassen. Kühles Kalkül trifft auf die pure Notwendigkeit in dieser Welt zu überleben und dafür gegebenenfalls das eigene Leben zu riskieren, weil es keinerlei Alternativen zu geben scheint. In diesem von Menschenhand geschaffenen furchtbaren Konstrukt schimmert hier und dort das echte Leben durch, so, wie es sein sollte, so, wie sich die Menschen wirklich verstehen sollten, um sich gegenseitig Mühsal und Leid zu ersparen.
In feinen Bildern von Xavier Fourquemin erwacht diese Welt zum Leben. Seine Figuren sind märchenhaft karikiert. Der Leser kann ihren Charakter an ihrem Äußeren erkennen, eine Eigenschaft, die den Figuren selbst nicht gegeben ist. Augen, Wangen, Nasen und Kinnpartien sind bei Fourquemin besondere Merkmale. Wie gut damit zu gestalten und auch zu spielen ist, zeigt sich am schwarzen Mann. Hier ist alles schmal, klapprig dürr, aber keineswegs skelettartig. Fast ist dieser Unheimliche mit der schwarzen Kleidung, dem Zylinder und dem Gehstock mit seinem nicht minder gruseligen Griff (in Form eines knöchernen Tierkopfes) ein Abbild eines Ebenezer Scrooge, nur schlimmer. Der Gesamteindruck der Figuren ist ein wenig knotig, organisch, nur nicht realistisch. Fourquemin modelliert seine Figuren. Dank der Koloristin Scarlett Smulkowski werden die daraus entstehenden Szenen nicht nur ins rechte Licht gesetzt, sondern auch sehr plastisch.
Eine tolle Fortsetzung, inhaltsreicher und aufregender noch als der erste Teil. Alles steuert mit Macht auf ein Drama zu. Die unmenschlichen Bedingungen, der Bloody Sunday sind nur Wegpunkte zur großen Katastrophe, die so nicht zu erwarten war. Top. 🙂
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Dienstag, 29. September 2009
Das Mädchen ist auf dem Grund des Schachtes angekettet. Es betet, doch ihr Gott kann ihr nicht helfen. Ihr Peiniger oben am Rande des Schachts weiß dies ganz genau. Er genießt seine Macht, die er über das Kind besitzt, aber er zögert das Unvermeidliche nicht länger hinaus. Unter den Schmähungen des Folterknechts fließt immer schneller Wasser in den Schacht. Es ist nicht dieser Mord, der die Ermittler auf den Plan ruft, sondern der Meuchelmord am Herzog Milon von Plancy. Ein Zeuge hat die Tat gesehen und kann doch nur von vermummten Mördern berichten, die danach spurlos verschwanden.
Es ist Herbst im Jahre des Herrn 1174. Im Heiligen Land herrscht ein Ausnahmezustand. Immer wieder bekriegen sich christliche Krieger mit Muslimen, immer im Namen des Glaubens, hinter der Hand geht es allerdings nur um Macht und Vorherrschaft. Balduin IV. herrscht über die Christenheit, aber ist noch ein Kind und sein Anspruch auf den Thron ist nicht von allen anerkannt. Sein Erzieher und Lehrmeister, Wilhelm von Tyrus, erkennt in dem inzwischen 13jährigen einen herausragenden Menschen, trotz seiner jungen Jahre. Doch beschwerliche Zeiten kündigen sich bereits an: Balduin wurde mit der Lepra gestraft.
Die Zeit der Kreuzzüge besitzt einige höchst spannende Höhepunkte und dramatische Perioden. Die Herrschaft von Balduin IV. ist eine davon. Der aussätzige König muss sich nicht nur mit dem Feind unter der Führung von Saladin auseinandersetzen, vielmehr stehen ihm auch reichlich Feinde in den eigenen Reihen gegenüber. Eine geheimnisvolle Macht im Hintergrund arbeitet nicht nur am Niedergang Saladins, sie will ebenso den christlichen König stürzen.
Jean-Luc Istin nimmt sich dieser spannenden Epoche an, die nicht nur hier auf dem Papier von Gier, Wahnsinn und Verblendung strotzt. Es ist die Zeit der Assassinen, der Mörder des Alten vom Berge. Nicht nur der Glaube war ein Antriebsmittel dieser gedungenen Mörder, manchmal war es schlicht Geld. So lässt Istin diese Attentäter sogar glaubensunabhängig antreten. Ein Templer wird zum Auftraggeber, allerdings nicht ohne ähnlich wie einst Conan einen Beweis der Macht von Tulsa Doom erhielt, als eine seiner Anhängerinnen nur auf einen Wink hin in den Tod sprang. Bei Istin geschieht es mit der gleichen Beiläufigkeit.
Geschickt bedient sich Istin der Historie, über die zwar viel bekannt ist, die aber dennoch genügend Lücken aufweist, die wiederum mit eigenen Vorkommnissen gefüllt werden können. Istin webt ein Intrigengeflecht ein, das, vergleicht man es mit verbürgten Ereignissen vor und nach diesen Tagen, durchaus so stattgefunden haben könnte. Istin erzählt versiert, sehr durchdacht und spannend und beweist handwerkliches Können wie auch einen guten Instinkt, der für einen Erzähler sicherlich ebenso wichtig ist. Zweifelsohne ist er aber auch ein Erzähler, der die Themenbereiche kennt. Kreuzzüge, Mittelalter sind schon lange beliebte Themen, das Spiel mit dem christlichen Glauben, einem fünften Evangelium hat erst in jüngerer Zeit ein breiteres Segment in Romanen und Comics eingenommen.
Wilhelm von Tyrus, der Lehrmeister von Balduin IV., präsentiert sich zuerst wie eine jener Gestalten, die an einen Inquisitor erinnern: Hart, sehr konservativ, gnadenlos, immer auf das Beste für die Kirche bedacht. Dieses Bild wird von Istin sehr bald weggewischt. Wilhelm kehrt nichts unter den Teppich, er ist auf seine Art menschlich und wandelt sich an der Seite Balduins nicht nur zu einem Politiker jener Zeit, eher schon zu einem mittelalterlichen Ermittler. Plötzlich gibt es für den Leser nicht nur Intrigen und Rätsel, sondern auch Mordfälle zu begleiten.
Künstlerisch trifft Thimothee Montaigne mit seinen düsteren Bildern ins Schwarze. Gut gesetzte schwarze Tuschelinien, zwischen schnellem Strich und perfekt gezogener Linie angesiedelt, geben schwere Bilder wieder, kernig, handfest. Damit bewegt sich Montaigne in einer stilistischen Richtung, die an einen Phillippe Xavier denken lässt (Kreuzzug), der sich thematisch bereits in einer ähnlichen Zeitspanne bewegte. Auch Alberto Varanda (Die Legende der Drachenritter) kann als Vergleich herangezogen werden. So bewegt sich Montaigne auf einer Ebene mit Künstlern, die in einem möglichst realistischen Stil zeichnen. Hier wird Comic-Kino produziert. Das Auge soll gebannt werden.
Wer allein die Eingangsszene betrachtet, in der ein Kind Opfer eines wahnsinnigen Mörders wird, der könnte glauben, in einem Film von David Fincher gelandet zu sein, bevor es einen radikalen Schwenk hin zum Namen der Rose gibt. An den Zeichnungen gibt es nichts zu bemängeln, einzig könnte Elodie Jacquemoire vorgeworfen werden, ein wenig zu verschwenderisch mit einigen Computerkolorierungspinseln vorgegangen zu sein.
Mittelalter-Fans aufgepasst: Wer sich eine Mischung aus Der Name der Rose und Königreich der Himmel vorstellen kann, immer schon vom Thema der Kreuzzüge fasziniert war, die neueren Geschichten um Verschwörungen innerhalb der Kirche mag, der wird hier genau richtig sein. Mit Thimothee Montaigne wurde genau der richtige Künstler für diese Kulisse gefunden. 🙂
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Montag, 28. September 2009
Der König wartet schon. Ein gigantischer Vogel trägt Roland zur Audienz und wird auf höchst ungewöhnliche Art begrüßt. Damit hat Roland nicht gerechnet. Der unheimliche Herrscher mit den Spinnenarmen und der schwarzen Haut schmeichelt Roland, schlägt gar ein Bündnis vor. Vieles von dem, was für Roland bisher selbstverständlich war und was er zu wissen glaubte, ist plötzlich in Frage gestellt. Aber nur kurz, denn die Folterqualen, die Roland wenig später aushalten muss, zeugen von der wahren Natur des scharlachroten Königs.
Das Grafik-Team, Jae Lee und Richard Isanove, schafft es etwas ganz Außergewöhnliches: Die Mischung aus klassischer Kunst und moderner Technik. Wer sich manches Bild betrachtet, kann bei Vergleichen zu dem Schluss kommen, dass Lee und Isanove die alte Schule kennen. Sollte das nicht der Fall sein, könnten sie sich ohne Frage in diese alte Schule einreihen, obwohl sie sich modernster Zeichnungsumsetzung und Kolorierung bedienen.
Wer sich alte Bilder betrachtet, großformatige Wandgemälde sogenannter alter Meister, dem wird zweifellos das Spiel mit der Kleidung auffallen. Ebenso finden sich großartig angelegte Faltenwürfe in mamornen Statuen, wie sie zur Zeit von Michelangelo entstanden. Lee und Isanove spielen weltmeisterlich mit Falten. Bei ihnen werden sie beinahe zur Landschaft, besitzen geradezu organische Strukturen und gewinnen außerordentlich an Volumen. Die Falten, Hubbel, Erhebungen werden auf Körper, menschliche, tierische und pflanzliche fortgesetzt, so dass sich die Bilder dem Betrachter ein wenig entgegenwölben und eine hohe Plastizität ausstrahlen. Besonders in den großformatigen Bildern, die gleich eine ganze Seite einnehmen, ist dieser Effekt besonders deutlich.
Aus einem Raben wird Marten Broadcloak, der Mann, den der junge Revolvermann Roland über die Maßen hasst. Ein Rabe, eine teuflische Personifizierung (immer gerne als Bösewichtvogel genommen wie in Die Vögel oder Omen II), könnte dank der vergrößerten Ansicht des Auges auch eine schwarze Explosion genannt werden. Selbst in einzelnen Bildern schwankt der Eindruck von Bewegung und Statik. Der Blick rast auf das Auge zu, springt hinüber zur Gesamtansicht des Raben. Nur eine Seite weiter enthüllt sich die wahre Natur des Tiers: Marten Broadcloak. Der Magier wird mit seinem wehenden Umhang seinem Namen völlig gerecht. Unter einem verkommen aussehenden Kleidungsstück, das sich wie eine Felswand auftürmt, verrät ein bloßes Bein die schwammige Nacktheit des Mannes darunter. Der rötliche Dunst im Vordergrund, der nicht minder rote Hintergrund, durchzuckt von einem Blitz ist Atmosphäre pur und steht exemplarisch für ein durchgehend dichtes Erscheinungsbild, das einem Bühnenbildner eingefallen sein könnte.
Wie der Titel es schon andeutet (Der lange Heimweg), handelt es sich um die Geschichte einer Reise. Und die Geschichte einer Flucht. Ähnlich wie in Der Talisman (einem Roman, an dem Stephen King auch beteiligt war) bewegt sich der Leser hier durch zwei Welten und eine ist gruseliger als die andere. Normalerweise strahlt Rolands Welt schon genug Fremdheit aus. Durch die Fantasien, die Roland in seinem Fieberwahn erleben muss, verdoppelt sich nicht nur der optische Hindernislauf. Die Dramatik, die sich alleine in einzelnen Szenen findet (die beschriebene Szene ist vergleichsweise harmlos und wird grafisch noch durch manch andere Szene überflügelt), lässt die Atmung ebenso schneller werden wie ein rasanter Action-Film oder Mystery-Thriller.
Ob es die Schwierigkeiten sind, die sich bei der Überquerung über eine Hängebrücke mit einem Pferd im Schlepptau ergeben. Ob es der Kampf mit einem Marten Broadcloak ist oder die Begegnung mit dem scharlachroten König selbst: Die Szenen atmen Theatralik und Horror wie auch eine derbe, dunkle und auch schwermütig zu nennende Fantasy, die sicherlich nicht jedermanns Sache ist, aber mit Sicherheit eine gewisse Einmaligkeit mitbringt.
Für Fans des Dunklen Turms wird die Lektüre der Romanreihe mit diesem zweiten Comic um einige Antworten bereichert, doch bestimmt nicht um alle. Der maßgebliche Stephen King, die beratende Robin Furth und der adaptierende Peter David bewegen sich hier in einer surrealistischen Welt, die Seite an Seite mit einem Salvador Dali entstanden sein könnte. Der Anhang, der eine fast ebenso große Seitenzahl wie die eigentliche Erzählung beansprucht, liefert nicht nur weitere Hintergrundinformationen zur Welt des Dunklen Turms, sondern auch zum Projekt selbst.
Eine tolle Fortsetzung. Zum Verständnis ist die Lektüre des ersten Teils Pflicht, aber es ist damit zu rechnen, dass insbesondere Fans des Dunklen Turms hier zugreifen, deshalb ist höchstwahrscheinlich Vorwissen vorhanden. Ein sehr umfangreiches wie auch inhaltsreiches Projekt dunkler Fantasy mit einer grafisch herausragenden Umsetzung. Für Fans absolut empfehlenswert, alle anderen sollten sich erst einmal Vorschauseiten ansehen und über dieses einzigartige Werk Kings weitergehend informieren. 🙂
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Sonntag, 27. September 2009
Das Imperium ist ein zahnloser Tiger geworden. Seit ein Vulkanier namens Spock die Geschicke des Reiches lenkt, ist die alte Macht verschwunden und der Respekt vor dem Imperium gleich mit. Die jungen Offiziere, die sich einer logischen Verfahrensweise innerhalb der Hierarchien und der Politik fügen müssen, erfüllen ihre Pflicht, mehr nicht. Auch der junge Picard ist davon nicht ausgenommen. Als es zu einer Konfrontation mit Cardassianern und Klingonen kommt, kündigt sich ein Eklat an. Picard ist nicht bereit, eine Kapitulation mitzutragen. Gemäß der alten Gesetze gibt es nur eine Konsequenz, in der Hierarchie nach oben zu steigen und der Gefangennahme durch Cardassianer und Klingonen zu entgehen.
Einige Folgen der alten Enterprise-Serie haben nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Dazu gehören zweifellos das Abenteuer mit den Tribbles (Kennen Sie Tribbles?), mit Khan (Der schlafende Tiger), der später in Star Trek II wiederkehrte und natürlich Ein Parallel-Universum (Mirror, Mirror), eine Folge, deren Auswirkungen auf gelungene Art in Deep Space Nine wieder aufgegriffen wurden.
In einem Imperium, der uns bekannten Föderation nicht unähnlich, herrschen Bedingungen, in denen nur der Stärkste, Findigste und Brutalste an die Macht kommt. Durch einen Transporterunfall finden sich Kirk, McCoy, Scotty und Uhura plötzlich in einer anderen Realität wieder, die allem zuwider läuft, das sie kennengelernt haben. Die Frage lautet nicht, wie es zu dieser anderen Realität kommen konnte. Die Frage lautet: Wie kommen Kirk und seine Schiffskameraden lebend in ihre Realität zurück?
Der vorliegende Comic Spiegelbilder beantwortet noch eine ganz andere Frage: Wie konnte Kirk Captain der Enterprise werden? Für Fans ist es kein Geheimnis, dass Kirk nicht der erste Captain der Enterprise war, sondern ein ebenso energischer Kommandant namens Christopher Pike. In dem erst viel später als die Serie veröffentlichten Pilotfilm Der Käfig (The Cage) konnte der SciFi-Fan eine Episode erleben, die den Verantwortlichen zunächst zu anspruchsvoll war.
Die beiden Autoren Scott und David Tippton holen Captain Pike in das Gedächtnis zurück. An Bord des imperialen Raumschiffs Enterprise führt er ein strenges Regime, aber er weiß auch längst, dass Commander Kirk an verschiedenen Hebeln zieht, um den Posten des Captains in seine Hand zu bekommen. Es ist nicht nur ein praktikabler, sondern auch ein üblicher Weg im Dienste des Imperiums die Karriereleiter zu erklimmen. In besagter TV-Episode, die jene Parallelwelt für die verschiedenen Autoren erst beschreibbar machte, wachte Kirk über seine Macht mit einem einzigartigen Gerät, das es ihm ermöglichte, jeden, der ihm im Weg stand oder zu stehen drohte, per Knopfdruck verschwinden zu lassen.
An Bord der Enterprise bedeutete das Gerät für Kirk göttliche Allmacht. Hier besitzt er es noch nicht, vielmehr muss es erst an Bord geschmuggelt und installiert werden. Es ist spannend zu beobachten, wie sehr Pike versucht, die Machtübernahme zu verhindern. Dies muss zwangsläufig scheitern, um die Kontinuität zu wahren. Andererseits ist es nicht so ersichtlich, woher die Loyalität einzelner Besatzungsmitglieder Kirk gegenüber rührt, wird er doch von den Tipptons als Mann gezeigt, der keine Sekunde zögern würde, sie ebenfalls sofort über die Klinge springen zu lassen, sofern es ihm dienlich erscheint. Das besondere Charisma, der jugendliche Optimismus, der Enthusiasmus wie auch der Mut, durch den sich unser Kirk auszeichnet, fehlt auf der anderen Seite des Spiegels vollkommen. So ist es schwer nachvollziehbar, woher der andere Kirk seine Anziehungskraft bezieht.
Und in der Tat ist es damit auch nicht weit her, denn die Geier kreisen bereits um den Thron, um die nächsten in der Abfolge zu werden. Von Unlogik lässt sich nicht reden, allerdings hätte ein wenig mehr Tiefe geholfen, die Handlungen einzelner Charaktere besser zu begründen.
Glasklarer sind die Bilder von David Messina. Auf scheinbar einfache Weise trifft er die äußerlichen Merkmale von Kirk und Konsorten. Allerdings gibt es auch hier Charaktere, die er besser trifft. Zumeist sehr gut abgebildet ist Christopher Pike (damals gespielt von Jeffrey Hunter, der nicht nur der erste Captain der Enterprise war, sondern auch einer der besten Jesus-Darsteller, aber das nur am Rande). Hier trifft Messina das markante Gesicht besser als das eines Kirks, von dem man den Eindruck gewinnt, er schwankt hier manchmal zwischen William Shatner und dem Neuzugang Chris Pine.
Die Gesichter sind meist grimmig, allenfalls grimmig amüsiert (z.B. Sulu) und sie rufen (falls man Fan ist oder zumindest TV-Nostalgiker) etwas Wehmut hervor, denn der gesamte optische Eindruck der Episode aus Kirks parallelem Universum ist sehr gut. Die beiden Koloristinnen Ilara Traversi und Giovanna Niro haben durch die Zeichnungen genügend Freiraum, um sich handwerklich und künstlerisch einzubringen, aber sie halten sich auch weit genug zurück, um die Bilder durch ihre Arbeit nicht an sich zu reißen.
Eine sehr gute Comic-Episode aus dem Star Trek Universum (auch durch das kleine Zwischenspiel mit Picard). Wer sich nie zu den alten Folgen durchringen konnte, sollte einen Blick riskieren, denn hier könnte er auf den Geschmack kommen. Beste Star Trek Unterhaltung, die den Geist der alten Serie gut einfängt und sich perfekt in die Kontinuität einfügt. Top. 🙂
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Samstag, 26. September 2009
Jetzt muss nur noch Prinzessin Pipa geheiratet werden. Dazu will Garulfo am Hofe des Königs um ihre Hand anhalten. Eigentlich keine große Sache, wäre Pipa wirklich eine Prinzessin und würde der König sie kennen. Und wäre Garulfo nicht bis vor wenigen Minuten kein Frosch gewesen. Aber Garulfo steckt so voller Freude über seinen neuen Zustand und ist derart enthusiastisch, dass er sich über mögliche Hindernisse keinerlei Gedanken macht. Das ist ein großer Fehler.
Es waren einmal die Märchen! Und es waren einmal die Frösche, die schon immer für Ärger und Spaß gut waren. Niemand vermag das Märchen um den Froschkönig wirklich richtig zu analysieren, aber … Was wäre, wenn ein Frosch, vom Gedanken beseelt, der Mensch sei tatsächlich die Krone der Schöpfung, sich genau aus diesem Grunde wünschen würde, ein Mensch zu werden?
Das Thema kommt genau wieder zur richtigen Zeit, stehen doch bereits die nächsten Frösche in den Startlöchern, um die kommende Weihnachtszeit zu versüßen. Disney hingegen geht in seinem klassisch gezeichneten Trickfilmabenteuer Küss den Frosch den umgekehrten Weg. Hier ist es der Frosch Garulfo, der an seinem kleinen Flüsschen die Menschen anschmachtet und sich mit seinem Erpelfreund Fulbert über philosophische Gedanken ergeht. Ab und an wird Garulfo von einem verwirrten Unkerich ebenfalls angeschmachtet, was den Froschmann ziemlich erbost. Das Froschleben verläuft so weit so gemächlich.
Jedenfalls nur so lange, bis Alain Ayroles Garulfos Wunsch erfüllt und einen Menschen aus ihm macht. Gab es zuvor bereits viel Humor, explodiert nun die Lachbombe, jagen viele kleinere Schmunzelraketen hoch. Die Naivität, mit der Garulfo sein Menschsein angeht, fördert Lacher, erregt manchmal Mitleid und letztlich ist Garulfo menschlicher als alle anderen. Die gute Fee, die in Wahrheit eine Hexe ist, lässt Garulfo ins offene Messer laufen. Natürlich weiß sie um die Niedertracht der Menschen und deren Hang zur Zwietracht. Und zu Irrtümern wie auch zum Hang, das eine oder andere zu vergessen, vornehmlich das, was einmal für Schwierigkeiten sorgen könnte.
Garulfo gerät durch ein Missverständnis in den engeren Kreis des Königs. Seine Angebetete, die er für eine Prinzessin hält, ist in Wirklichkeit alles andere als das, aber der König, der einmal ein Hansdampf in allen Gassen war, kann sich nicht wirklich sicher sein. So gibt es auf einmal zwei Prinzessinnen. Garulfo, der mit seiner Qurligkeit, Naivität, Mitleid und seinem spontanen Mundwerk für allerhand Chaos sorgt, widersteht im Gegenzug allen Bemühungen, ihn in dieses seltsame menschliche Konstrukt der Beziehungen zu integrieren. Garulfo will nur die Prinzessin heiraten (weil er ja muss), alles andere ist ihm nicht nur fremd, sondern auch unwichtig.
Garulfo wächst dem Leser während der Lektüre ans Herz. Die großen Augen, mit denen Garulfo die Menschenwelt betrachtet, all die unglaublichen Verwicklungen, die einem Komödienautor zur Ehre gereichen würden, machen aus dem ersten vorliegenden Band, der gleich zwei wahnwitzige Abenteuer von einst enthält (die 1995-1996 zuerst erschienen), eine tolle Mischung aus Märchen, Fantasy-Abenteuer und natürlich Komödie.
Warum diese Verwicklungen und Charakterentwicklungen so wunderbar funktionieren, liegt nicht nur an der erzählerischen Qualitäten von Alain Ayroles, der die Handlung in immer haarsträubendere hakenschlagende Situationen treibt. Bruno Maiorana, der nach eigener Aussage Fan von Superhelden, Franquin und Moebius ist, zeichnet hier in einem wunderbar eigenen und eigenwilligen Stil. Das erinnert an eine Mischung aus Walt Disney (besonders in frühen Tagen) und Wilhelm Busch. Die Strichführung karikiert ungehemmt und gestattet sich außergewöhnliche kantige, auch verwackelte Ansichten, die ein feines Volumen besitzen. Maiorana zeichnet Figuren zum Anfassen. Insgesamt entsteht ein sehr zarter optischer Eindruck. Hier war weniger eine breite Zeichenfeder am Werk, als ein dünner Rapi, ein Tuschezeichner. Mit Garulfo dürfte Maiorana ein Amphibium gelungen sein, das ebenso viel Charakter und Klasse besitzt wie Tadäus Kröte in der Disney-Verfilmung von Der Wind in den Weiden. Maiorana konzentriert sich stets auf das Wesentliche der Szene, deren Ausdruck mitunter auch an die eigenwillige Darstellung eines Argstein erinnert. Maiorana trifft die Action ebenso wie die Kulissen, doch am besten sind seine Gesichtsausdrücke, die er sehr vielfältig und mit einem zum Teil gemeinen Blick auf seine Figuren zu Papier bringt.
Märchen, Fantasy, Kömodie, sicher auch Drama und Tragödie in einer ganz eigenen Gestaltung, die auf ihre Art anzieht und fesselt. Garulfo darf sich inzwischen Kult nennen, zu Recht, denn selten wurde das Genre so liebevoll, aber auch so zwingend benutzt, um der Krone der Schöpfung den Spiegel vorzuhalten. Humorvolle und intelligente Unterhaltung. 🙂
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Freitag, 25. September 2009
Der Mann im Kittel: Eine Knollennase hält eine Brille mit kreisrunden Gläsern, hinter denen nur selten Augen zu sehen sind. Mit einer Mischung aus Argwohn und Belustigung beobachtet der ältere Mann mit dem unrasierten schmalen Kinn den viel jüngeren Paul. Aber ist der Mann auch real? Paul erblickt immer wieder ein Trugbild, eine Erscheinung, die ihn in noch in große Schwierigkeiten bringen wird. Bis dahin allerdings ist der Weg noch weit.
Das Leben ist zum Kotzen! Das ist nicht nur eine Feststellung der Hauptfigur der gleichnamigen ersten Geschichte der vorliegenden schwarzen Trilogie, man könnte es auch als generelle Überschrift aller drei Geschichten nehmen. Leo Malet (7.3.1909-3.3.1996), der Autor der Romanvorlagen dieser Comic-Adaptionen, ist kein unbeschriebenes Blatt. Mit seinen Romanen rund um den Privatdetektiven Nestor Burma hat er sich in der französischen Literatur verewigt. Über die Landesgrenzen hinaus wurde auch die Fernsehserie mit Guy Marchand in der Rolle des Titelhelden bekannt. Nestor Burma wurde bis in neue Jahrtausend hinein ausgestrahlt.
Ungleich tiefgründiger und düsterer ist die vorliegende Schwarze Trilogie, die Menschen am unteren Ende der sozialen Leiter zeigt. Mal sind sie Verbrecher, mal unverschuldete Arme ohne Hoffnung, mal sind sie Wahnsinnige, die sich immer mehr in ihre Taten verstricken und letztlich jede Hoffnung verlieren. Allen drei Geschichten ist zueigen, dass Malet seinen Figuren stets einen Knochen hinwirft. Mal handelt es sich um die Liebe, die in greifbare Nähe rückt oder die Freiheit, die Wirklichkeit werden könnte. Mal hängt beides sehr stark zusammen. Bereits nach der ersten Geschichte wird deutlich, dass Malet und der hier für die Adaption verantwortliche Phillippe Bonifay diese Stilmittel nur einsetzen, um den oder dem Helden nur um so nachdrücklicher in den verlängerten Rücken treten zu können.
Oftmals haben Autoren ein bestimmtes Verhältnis zu ihren Figuren. Sie lieben sie oder sie hassen sie. Malet seziert seine Figuren, mitleidlos, unter dem Mikroskop, wie in einem Versuchsaufbau, wie die berühmten Versuchskaninchen, mit dem Ziel sie versagen zu sehen. Allerdings kann ihm nicht nachgesagt werden, er würde auch nur ein Anzeichen von Freude darüber zeigen. Eher wird zwischen den Zeilen die Resignation deutlich, die vielleicht auch ein Zeichen der Zeit sind, in der die Romanvorlagen entstanden (1948-1949).
Die Comics selber transportieren dieses Gefühl der Verzweiflung, der Ausweglosigkeit mit großer Intensität. Gleich zu Beginn begegnet der Leser Jean, einem kleinen Gangster, der Gloria liebt, die unerreichbar für ihn ist. Jean steckt voller Eifersucht. Als selbst der Bucklige, ein Mitglied seiner Bande, eine Frau findet, die ihn liebt, wird es für Jean unerträglich. Von Hass zerfressen intrigiert er, tötet er, so lange, bis sein Weg zum Ziel frei ist und er sich doch in eine Sackgasse manövriert hat. Ein Psychoanalytiker, angelehnt an Sigmund Freud versucht der schwarzen Seele Jeans auf den Grund zu gehen, kann aber auch keine Lösung liefern, allenfalls Ausflüchte und scheitert am Ende an den Umständen. Hier gestattet sich Malet ein klein wenig Humor (der dunkelsten Sorte), der aber auf die Beobachter des Ganzen abzielt und nicht auf seine Charaktere.
Mit Jean kann auch der Leser kein Mitleid haben, mit Andre in der Episode Die Sonne scheint nicht für uns schon. Zwar verkehrt er in dubiosen Kreisen, doch er bemüht sich auszubrechen, als er mit Gina zusammenkommt. Sie sind das klassische Paar, das sich gesucht und gefunden hat. Und dem nur ein kurzes Glück vergönnt ist. Hier ließe sich Malet unterstellen, dass er seine Figuren wenigstens gemocht hat. Sicher kann man sich da aber auch nicht sein.
Youssef Daoudi zeichnet die Charaktere mit Härte, aber auch einer gewissen Zärtlichkeit, selbst jene, denen man als Leser kein Fünkchen Mitgefühl gönnen mag. Da findet sich eine Spur Giraud in den Bildern, aber auch Stalner. Daoudi ist um Realismus und Wiedererkennung bemüht. Da gibt es den leichten Strich ebenso wie die absolute Präzision. In den Geschichten selbst vollzieht sich auch ein Wandel. In der ersten Episode ist der Strich etwas schmaler, vielleicht auch an anderen, an Vorbildern orientiert. Am Ende ist es etwas ganz eigenes. Mit Angst im Bauch liefert Daoudi ein Meisterstück ab. Damie Callixte Schmitz stützt die Bilder mit der nötigen Kolorierung. Es wird etwas schattiert, Hintergründe werden feiner herausgearbeitet, um die Plastizität zu verstärken. Allerdings drängt sich die Kolorierung nicht in den Vordergrund und überlässt den Zeichnungen von Daoudi die Show.
Wer nichts gegen bissige Ansichten eines Autors hat, wer Düsternis aushalten und Hallo zur Tristesse sagen kann, der sollte einen Blick in diese abgründigen Balladen wagen, die sich durch ihre Thematik sehr wohltuend aus dem Comic-Genre hervorheben. 🙂
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Samstag, 12. September 2009
Der Reisende Sam Josuah Houston hat es sich am Feuer bequem gemacht. Er erwartet keine Überraschungen in diesem Augenblick. Der Moment der Nachlässigkeit wird ihm sogleich zum Verhängnis. Eine vermummte Gestalt fällt mit einem Knüppel über ihn her. Seltsamerweise scheint der geheimnisvolle Fremde den Überfallenen zu kennen. Allerdings soll es auch nicht nach einem Überfall aussehen und so entlässt der Fremde eine Klapperschlange aus einem Sack. Diese, endlich befreit und wütend, sucht sich sofort ein Opfer, an dem sie sich rächen kann: Sam!
Der Western besaß einmal einen viel höheren Stellenwert in der Unterhaltung. Als noch Serien wie Bonanza oder Rauchende Colts über die Fernsehschirme flimmerten, erschien im Kult-Magazin Yps Hombre. In kurzen Episoden wurde die Geschichte eines Mannes auf der Flucht geschildert, im vielerorts noch sehr Wilden Westen. Hombre, der neue Name des Gesetzlosen (eigentlich: Baltimore O’Hara), wird zur Legende, einer Geschichte, die sich andere am Lagerfeuer erzählen, einer Art Geist des Llano Estacado. Wie viele Flüchtige hat auch Hombre seine Nemesis, einen Verfolger, der nicht viel auf die guten Taten zu geben scheint, die dieser auf seiner Flucht vollbracht hat. Allerdings wendet sich das Blatt spätestens zu dem Zeitpunkt, als Hombre seine Hilfe auch auf den Pinkerton-Agenten Ronegall Dawson ausweitet.
Der Freund, der keiner sein darf, ist ein roter Faden, der von Autor Peter Wiechmann gleich zu Beginn ins Spiel gebracht wird. Hier wird keine Zeit verschwendet. Der Beginn der Handlung ist zugleich das Ende der Jagd. Sollte man denken. Dem ist natürlich nicht so. Langsam wird das Verhältnis und der Respekt, den beide voreinander empfinden, entschlüsselt. Das verläuft nicht bei einem heiteren Saloon-Gespräch. Meist ist die Situation heikel. Es greifen die Indianer an oder Kopfgeldjäger, die Hombre vor Dawson erwischen wollen, mischen sich ein. Wie es sich für einen guten Western gehört, wird keiner Seite, den Weißen nicht und den Indianern auch nicht, das Vorrecht eingeräumt besonders gut oder schlecht zu sein.
Wiechmann beschreibt einen schmutzigen und gefährlichen Westen. Ein rechtschaffener Bürger hat es mehr als schwer, einer, der sich nicht zur Wehr setzen kann, erst recht. Die Hintergrundmaterialien und Tatsachen, die den Geschichten zur Seite gestellt werden, erzählen von einem sehr archaischen Teil der amerikanischen Kontinentalbesiedlung. Selbst in Situationen, in denen einer sich sicher wähnen sollte, führt der Weg geradewegs in die Lebensgefahr. Da wird selbst ein Sheriff zum Feind. Wiechmann scheut kein Überraschungselement.
Rafael Mendez dokumentiert diesen Wilden Westen und gibt Hombre ein Gesicht. Optisch angelehnt an Manos Kelly, einen anderen Westerhelden, und die künstlerische Darstellung von Burt Lancaster als Valdez ist Hombre der Archetyp des Waldläufers. Er erinnert außerdem an eine Mischung aus James Stewart in Das war der Wilde Westen und natürlich Charles Bronson in Spiel mir das Lied vom Tod (den Bart muss man sich denken). Jedes Gesicht ist ein Charakter. Wenn Mendez Indianer angreifen lässt, denkt der Western-Fan automatisch an das Angriffsgeheul der Rothäute und verteidigungsbereite Weiße hinter Wagenburgen und bereits erschossenen Pferdeleibern. Wenn bleichgesichtige Halunken ein wehrloses Indianerdorf angreifen, werden Erinnerungen an Das Wiegenlied vom Totschlag wach.
Wer glaubt, in einer Veröffentlichung, die für das Magazin Yps gedacht war, könne es nicht zur Sache gehen, der sieht sich gewaltig getäuscht. In Sachen Action braucht sich ein Hombre nicht hinter einem Blueberry zu verstecken. Ebenso wenig muss sich ein Künstler wie Mendez hinter einem Giraud verstecken. Beide rangieren auf Augenhöhe. Obwohl Mendez seine Arbeiten in Schwarzweiß abliefert, sind sie plastisch und kraftvoll. Seine Strichführung ist fein und überaus genau. Seine Fähigkeit, Pferde zu zeichnen, ist beneidenswert perfekt. Selbst in die Mienen der Tiere vermag er Ausdruck hineinzulegen.
Phantastische Bilder, schöne Episoden, durchweg spannend. Ein tolles Serienbeispiel mit einer kernigen Hauptfigur, einem passionierten Helden, wie klassischer kaum sein könnte. Nicht nur für Westernnostalgiker mehr als einen Blick wert. 🙂
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Eine Überwachung ist eigentlich eine triste Angelegenheit. Doch manchmal zeigen sich auch in sehr kurzer Zeit Ergebnisse, die zu weiteren Spuren führen, die keiner erwartet hatte. Pierre Dragon ist Polizist in Paris. Er ist Beamter des Renseignements Generaux, dem Nachrichtendienst der französischen Polizei. Der kleine Laden, den er und seine Kollegen im Blick haben, entpuppt sich als Schieberring. Doch plötzlich steht eine Person auf dem Plan, an der auch das FBI interessiert sein könnte. Frechheit siegt: Völlig ohne Termin und sehr dreist verlangt Dragon in der Amerikanischen Botschaft zum örtlichen FBI-Chef vorgelassen zu werden. Das ist nicht unbedingt ein weiterer Beginn einer wunderbaren Freundschaft, aber immerhin ein neuer Kontakt, wie ein Polizist ihn immer brauchen kann.
Ungeschminkte Polizeiarbeit. Oder: Ein Polizist ist auch nur ein Mensch. RG oder auch Verdeckter Einsatz in Paris besitzt jene leichte Melancholie, die in so manchen französischen Filmen mitschwingt. Bereits sehr früh, in alten stimmungsvollen Leinwandromanen mit einem Jean Gabin oder einem Lino Ventura entsteht dieses ganz besondere Portrait des Polizisten schlechthin. Polizist ist nicht nur ein besonderer Beruf. Polizisten sind besondere Menschen. Zumindest in Frankreich.
Pierre Dragon, das Pseudonym des Autors, der in Wirklichkeit auch Polizist ist, und der Name der hier agierenden Hauptfigur wird sich bestimmt gegen diese Behauptung wehren. Eher wird er sagen, dass er nicht ganz normal ist, diesen Job überhaupt zu machen. Sein Beruf bringt ihn kaum den Menschen näher. Seine Ehe ist in die Brüche gegangen. Die meisten, die sich mit ihm abgeben, sind Informanten. Echte Freunde sind selten. Und irgendwie sind die Illusionen von einst abhanden gekommen.
Polizist zu sein heißt nicht nur, mit einer großen Pistole zu spielen …
Ich will nicht mit ner großen Pistole spielen. Ich will die Bösen verhaften.
Ein kindlicher Wunsch zieht sich durch das Leben des Polizisten Dragon. Als er früher dem Polizisten zuhörte, der bei seinem Vater zu Besuch war, klang dieses Leben noch abenteuerlich. Jetzt ist viel Routine darin zu finden. Selbst eine Überwachung auf einer Party für die Oberen Zehntausend, die allabendlich immer neu stattfindet, sogar mitten im Trubel selbst, mit Champagner und allem Drum und Dran, wird irgendwann eine öde Angelegenheit. Wenn dann noch die Hierarchien greifen, die anderen sich über die wohlverdienten Ergebnisse der eigenen Arbeit hermachen und den Erfolg einheimsen wollen, dann muss die Frage gestattet sein: Warum macht der das alles?
Die Antwort darauf ist leise und zwischen den Zeilen zu finden. Sie ist keine Effekthascherei, eben sehr französisch (weshalb der Comic auch in Schwarzweiß hätte abgeliefert werden können). Und es ist die Antwort, die Pierre Dragon schon als Kind gegeben hat. Rückschläge oder das Zurückstehen in der zweiten Reihe scheinen eben dazuzugehören.
Frederick Peeters, ein Schweizer Künstler, ist nicht ganz so abstrahierend wie ein Guy Davis, aber er geht stilistisch in diese leichfüßige Richtung. Ein Gesicht ist bei ihm aussagekräftig, sofern es öfter gebraucht wird. Gesichter wie die von Wachen der Amerikanischen Botschaft werden nur kurz gebraucht, entsprechend wird auch keine besondere Energie darauf verschwendet. Fast ist es ein Blick durch die Augen Dragons, der sich das merkt, was er später noch brauchen könnte. Der Blick ist sezierend. Was ist wichtig, was nicht? Peeters beobachtet und zeichnet durch die Augen seines Autors. Da fallen die Tuschelinien krumm aus, da ist die Farbe nicht superexakt aufgetragen. Der Zeichner begleitet die Geschichte und erstellt Schnappschüsse, im richtigen Moment wird auf den Auslöser gedrückt, doch es bleibt nicht viel Zeit, dann geht es schon weiter.
Riad an der Seine: Paris, die heimliche Nebendarstellerin. Die französische Hauptstadt ist mehr als nur Kulisse. Sie bietet Ambiente, Kultur, Prunk und Protz, der protzende Gäste in Prunkhotels anlockt. Sie, die Stadt, ist Nährboden für Verbrechen der besonderen Art, die andernorts nicht möglich wären. Es ist Sommer. Die Leute schwitzen, auf den Straßen, in den Cafes, den Bars. Man sucht in der Geschichte wie auch in den Bildern das Spektakuläre. Es findet sich nicht. Vielmehr fesselt einen die Normalität eines vollkommen anderen Lebensaufbaus, der einen Blick auf eine Welt gibt, den der normale Mensch so nicht hat.
Wer sich darauf einlässt, eine echte Geschichte (die nicht so passiert ist, aber passieren könnte) zu lesen, die unspektakulär und spannend gleichermaßen sein kann. Wer die Stile älterer französischer Polizeifilme mag, wie auch Geschichten, die zum Mitdenken auffordern, der sollte einen Blick riskieren. Grafisch erwartet den Leser ein journalistischer Stil, schnell ausgeführt, prägnant. Das ist gewöhnungsbedürftig, passt aber wie die berühmte Faust aufs Auge. Sehr gut. 🙂
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Freitag, 11. September 2009
Der Gefangene 3216 ist höchst gefährlich. Deshalb wurde er besonders sicher verwahrt und bewacht. Genützt hat es nichts. Als die anderen Wachen nach ihm schauen, finden sie zwei ihrer Kollegen bewusstlos in der Zelle vor. Der Gefangene ist trotz verschlossener Zellentür verschwunden. Wo ist er geblieben? Die Frage beantwortet sich schnell an Bord des Gefangenentransports. Cheri-Bibi, wie der Gefangene auch genannt wird, zettelt einen Gefangenenaufstand an.
Fatalitas! Andere Zeiten, andere Erzählungen: Intensiv, sehr dicht, weit. Der französische Autor Gaston Leroux schuf die Figur des Ganoven Cheri-Bibi von 1913-1925. Ein stämmiger und starker Mann, ehemaliger Metzger, gerät der Liebe wegen auf die schiefe Bahn, für ein Verbrechen, das er nicht begangen hat. Cheri-Bibi besitzt Stolz und Mut im Übermaß. Außerdem hat er sich viel Respekt unter seinen kriminellen Kollegen verdient. Er ist eine Mischung (geht man nach Äußerlichkeiten) aus Bud Spencer und Henri Charriere (vergleicht man ihn mit der Geschichte von Papillon).
Cheri-Bibi besitzt eine große Liebe: Cecily. Sie ist es (ungewollt), die ihm den ganzen Schlamassel eingebrockt hat. Dennoch weigert er sich, von dieser Liebe abzulassen. Über lange Zeit hinweg wird Cecily zu einer Passion, einem unerreichbaren Ziel, einem Symbol für das Leben ebenso wie für die Rache. Cheri-Bibi ist die Große-Bruder-Figur. Gerecht, beschützend, stark. Leroux arbeitet mit einem Urtyp der sympathischen Figur. Hier schmerzt es den Leser umso mehr, wenn sie ungerecht behandelt wird, wenn ihr Unglück widerfährt. Das fesselt und packt, hält den Ball ständig im Spiel, besonders da Leroux nicht geradlinig erzählt, sondern gerade in der ersten Hälfte stark auf das erzählerische Mittel der Verschachtelung zurückgreift.
Immer wieder gibt es Rückblicke, die Cheri-Bibis Vergangenheit regelrecht ans Tageslicht zerren und den Charakter, der einem zunächst sehr brutal erscheint, monströs geradezu, zurecht rücken und immer menschlicher werden lassen. Nach dem Auftakt, dem Beginn einer Flucht, mag der Leser zuerst an bekannte Szenarien wie Flucht in Ketten denken, die allerdings erst viel später kamen als die Romanvorlage von Cheri-Bibi. Die zeitlichen Sprünge, die nun folgen, mögen anfangs verwirrend wirken. Ein Gefangenentransport auf einem Ozeanschiff beleuchtet ein weiteres Kapitel des Gefangenen mit der Nummer 3216. Gleich darauf geht es in die Kindheit zurück, als er seine Lehre zum Metzger absolvierte. Sehr schnell fügen sich die Puzzleteile zusammen. Es entsteht ein Bild eines Mannes, der wie das Zentrum eines Sturmes wirkt. Er ist nicht immer Herr seiner selbst, aber zu jeder Zeit Herr der Lage.
Für Pascal Bertho, der die Comic-Adaption von Cheri-Bibi geschrieben hat, haben sich einige Herausforderungen ergeben. Die Handlung ist sehr dicht, sehr detailfreudig. Die vielen kleinen Ausschnitte in jeweils kurzen Episoden zu formulieren, ist nicht leicht. Doch in der sehr gelungenen Kombination eindrucksvoller Bilder und Off-Texten oder kurzen Dialogen entsteht ein regelrechtes Kaleidoskop, das der Leser binnen Kurzem mit Leichtigkeit zu überschauen lernt.
Marc-Antoine Boidin ist Zeichner und Kolorist dieses vorbildlichen Comics. Seine Charaktere sind überzeichnet, aber ihnen steht ihr Charakter nicht ins Gesicht geschrieben. Vielmehr wird immer nach einem speziellen Ausdruck gesucht, nach einem plakativen Aushängeschild der jeweiligen Figur. Ist diese Grundlage geschaffen, spielt Boidin damit und erweckt die Menschen zum Leben. Boidin stellt den Realismus von Umgebung der leichten Abstrahierung der Figuren gegenüber. Die leichte Zeichnung erbringt oftmals einen dreidimensionalen Effekt und eine sehr hohe Plastizität der Bilder. Boidin nähert sich Art Bilder an, die auch einem Trickfilm entnommen sein könnten. Die Bilder sehen so aus, als seien sie direkt über der Bleistiftvorzeichnung koloriert worden.
So dienen neben feinen und nur der notwendigsten Außenlinien manchmal auch Schraffuren zur Schattierung. Die Farben sind immer sehr intensiv und strahlend (sogar in dunklen Szenen) ausgeführt und garantieren einen Augenmagnet. Man vermag sich allein durch die Optik in die Geschichte hinein zu schauen. Den Text nimmt man einfach mit.
Einziger Mangel: Die diesen tollen Bildern wünscht man sich eine Albenausgabe mit entsprechend großen Darstellungen. Die künstlerische Umsetzung ist zwar auch in dieser gelungenen Ausgabe zu erkennen und zu loben, aber es wäre noch schöner gewesen, mehr davon sehen zu können.
Eine wunderbare Ausgabe und eine echte Überraschung: Nach vielen sehr spezifischen Geschichten aus Science Fiction, Fantasy, Funny, auch Horror bereichert diese tolle Mischung aus Drama, Krimi und Abenteuer den Bereich Comic sehr. Hier zeigt sich auf erstaunliche Weise, wie sehr echte Szenarien den Comic bereichern können und welche vielfältigen Möglichkeiten er seinen Erzählern bietet. Eine Bestleistung von Bertho und Boidin auf höchstem technischen und künstlerischem Niveau nach einer sehr spannenden Romanvorlage. 🙂
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Donnerstag, 10. September 2009
Am Ziel. Oder auch nicht? Der Weg wird noch beschwerlicher. Tagelang kämpfen sich Franka und ihre Freundin gegen schnell fließenden Strom ab, ohne nennenswert voranzukommen. Eines Nachts, ihre Stimmung ist am Boden, es stürmt und regnet, haben sie ihre ganz eigene Offenbarung. Der Wasserpegel ist stark gestiegen. Und der Fluss hat seine Laufrichtung geändert. Der Abfluss wird der Wassermassen nicht mehr Herr, staut sich, fließt zurück. Lange wird dieses Phänomen nicht anhalten und so geben die beiden Abenteurerinnen noch einmal alles.
Nach den Strapazen des ersten Teils dieses Abenteuers (siehe: Die Zähne des Drachen) sind Franka und ihre Freundin auf der Zielinsel angelangt. Sie sind nun viele, viele Schritte weiter vorangekommen, aber die letzten Erkenntnisse, die sich um den geheimnisvollen Kiefer eines urzeitlichen Wesens drehen, konnten sie noch nicht gewinnen. Hat sich Henk Kuijpers im ersten Teil noch recht bodenständig gegeben und dem klassischen Thriller wie auch dem historischen Abenteuer den Vorzug gegeben, wandelt er nun auf den Pfaden eines Arthur Conan Doyle, der mit seiner Vergessenen Welt eine Steilvorlage für entsprechende Dino-Geschichten, die durch Jurassic Park eine Wiedergeburt erlebten.
Kuijpers geht den natürlicheren Weg. Hier gibt es keine Gentechnik, sondern ein abgeschlossenes Areal, in dem die Dinos ein isoliertes Leben bis zum heutigen Tag führen konnten. Und genau an diesem Punkt hakt die Geschichte ein. Denn wer einmal drin ist in diesem Areal, kommt auch nicht mehr heraus. Egal ob Dino oder Mensch. Und so wird aus einer Verfolgungsjagd, einem simplen Abenteuer, einem waschechten Thriller plötzlich eine Überlebensgeschichte in einem vergessenen Land, das lebensfeindlicher nicht könnte.
Wer die Abenteuer von Franka nur ein wenig verfolgt hat, der weiß, dass Kuijpers als Autor um keine Idee verlegen ist und geradezu sprüht, um seiner Figur einen spannenden Hintergrund zu liefern. Wenn er wie hier aus den bekannten Bahnen ausbrechen kann, die in irgendeiner Form mit Zivilisation zu tun haben, gibt es kein Halten mehr. Aus einem kleinen Ausflug wird nicht nur ein Kampf auf Leben und Tod. Der Überlebenskampf und die Suche nach einem Ausweg dauern lange, sehr lange.
Gerade diese Art und Weise, nichts beschönigen zu wollen, überraschen einigermaßen, da die grafische Umsetzung eher freundlich, cartoony ist. Sogar die Lebensformen, von denen sich nicht unbedingt sagen lässt, ob es immer die klassischen Saurier sind, sind überzogen, etwas seltsam im Design, aber das bedeutet zu keiner Zeit, dass es sich um Schmusetierchen handelt. Wenn Franka zu ertrinken droht oder im Maul eines angreifenden Untiers sterben könnte, dann glaubt man Kuijpers sofort, dass dieser Umstand auch eintreten kann.
Kuijpers zeichnet weiterhin in feinen und präzisen Strichen. Seine Figuren, insbesondere die Frauen sind von schmaler Gestalt, etwas freizügiger gekleidet (etwas anderes würde in Anbetracht der Umstände auch wenig Sinn machen). Er kennt seine Perspektiven und Anatomie und vereinfacht nur wenig. Kuijpers liebt Seiten und Bilder, auf und in denen etwas los ist. Er ist ein Meister der Bewegungsablaufe und der szenischen Inszenierung. Das kann er gerade während der Handlungszeit innerhalb der vergessenen Welt mehrmals unter Beweis stellen.
Einerseits eine Fortsetzung, die es in sich hat, enorme Rasanz und Action bietet und Paradebeispiel ist, was Henk Kuijpers alles mit Franka auf die Beine stellen kann. Wer sich bislang nicht entscheiden konnte, einen Blick zu riskieren, sollte dies mit Band 7 und 8 machen. Es könnte sich lohnen. 🙂
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Link: Leseprobe zu Franka 7 auf mycomics.de