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Comic Blog


Donnerstag, 04. Juni 2009

Auf der Suche nach Peter Pan

Filed under: Klassiker — Michael um 19:44

Auf der Suche nach Peter PanMelvin Woodsworth, ein britischer Schriftsteller mit serbischen Wurzeln, keineswegs erfolglos, aber irgendwie von einer Art Schreibblockade und einer stillen Rebellion gegen seinen Verleger beherrscht, zieht sich auf der Suche nach Inspiration in die Schweizer Berge zurück. Die Welt hier, kurz vor dem zweiten Weltkrieg, hält den Atem an, verharrt in einer meditativen Ruhe, in ihrer Einsamkeit, aber auch in ihrer einzigartigen Menschlichkeit. Melvin muss aber auch feststellen, dass diese Welt nicht unschuldig ist. Gleich auf einer seiner Wanderungen wird er von zwei Gendarmen angehalten, die auf der Suche nach einem gewissen Baptistin sind. Melvin hat den Gesuchten bis dahin nie gesehen, was sich aber im nächsten Augenblick ändert. Er könnte Baptistin an die Polizisten verraten, aber er schweigt.

Ein altes Hotel hat es Melvin in dieser verschneiten Gegend besonders angetan. Und nicht nur ihm: Sobald er sich dort in der Nähe bewegt, fühlt er sich beobachtet. Melvin hat nicht nur einfach so hier gefunden. Sein Bruder, Dragan, gastierte vor Jahren in diesem Hotel und schrieb an seiner Musik. Doch nun scheint es, als habe sich ein Geist des alten Hotels bemächtigt. Eines Nachts, Melvin macht einen kleinen Spaziergang, da er nicht schlafen kann und seine Gedanken fortwährend um einen neuen Roman kreisen, hört er Klaviermusik aus dem Hotel. Als er nachschaut, ist niemand zu finden.

Auf der Suche nach Peter Pan ist keine neue Geschichte, gleichwohl kann sie bereits auf Jahrzehnte zurückblicken. Mitte der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts entstand eine Handlung, sehr erwachsen, die sich im wahrsten Sinne des Wortes als Grafische Novelle bezeichnen lässt. Der Begriff Comic Roman würde mir hier nicht gefallen, er wäre zu platt gewählt.

Cosey (Bernard Cosandey), Autor und Zeichner, ist Schweizer und bewegt sich hier optisch in seiner Heimat. Er macht aus dieser verschneiten Landschaft in den Bergen mit seinen leicht verschrobenen Menschen ein verwunschenes Schloss. Es ist eine Traumwelt, in der sich die Hauptfigur Melvin Woodsworth wiederfindet, ganz besonders dann, als die Warnung vor einer Lawine zur Evakuierung des Dorfes führt und Melvin beschließt, alleine zurückzubleiben. An diesem Punkt bewegt sich die Geschichte nur noch um sehr begrenzte Zentren, genauer um drei Figuren: Melvin, Baptistin und eine junge Frau.

Baptisitin wird zu einer Art Schlüssel für Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft. Wer in ihm allerdings einen besonders weisen Mann vermutet, bloß weil er alt ist und in den Bergen lebt (er ist kein Alm-Öhi), sieht sich getäuscht. Baptistin entpuppt sich als bodenständig und mit ausreichenden Schwächen behaftet, jedenfalls auch mit solchen, die ein Mensch haben kann, der immer am Rande des Existenzminimums und der Legalität lebt. Durch diese Figur lernt Melvin etwas über sich, seine Vergangenheit, sein Leben, seine Ziele. Sein Leben, das eines Autors, eines Schreibtischtäters, wird lebendiger, auch angesichts der Gefahr, die von oben, vom Gletscher her droht. Melvin hat diese Gefahr vorher schon gesucht, indem er die Mahnungen seines Verlegers stoisch in den Wind geblasen hat. Durch den Gletscher und das Abenteuer, in dem er sich plötzlich wiederfindet, wird er noch viel mehr gefordert.

Cosey zeichnet diese Bergwelt in einfachen Strichen. Er skizziert wie ein Reisereporter, der ohne Kamera arbeiten muss. Cosey bildet diese Nische, die auch eine Grenzwelt ist, auch mit Liebe zu seiner Geschichte ab. Anders lässt sich die leichte Hand, die in seinen Grafiken (wie auch in den Skizzen im Begleitmaterial) erkennbar ist, nicht erklären. Die Suche nach Peter Pan ist wie ein Märchen entworfen, einem Märchen, mit sich Erwachsene ein Stück ihrer Kindheit zurückholen, mit einer Geschichte, die ein sicheres Fundament bietet, eine Rückzugsmöglichkeit, aber auch die Aussicht auf ein gepflegtes Abenteuer mit sehr viel Ungewissheit. Die Bilder strahlen eine beondere Ruhe aus. Strahlen ist darüber hinaus der richtige Begriff, da die Farben regelrecht leuchten. Nur sparsam angelegt, nie sind vielfache Farbtöne beieinander versammelt, setzen sie Schwerpunkte in kühlem Blau, warmem gelb oder heimeligem dunklen Rot und Braun.

Eine leise, aber auch sehr intensive Geschichte, mit viel Gefühl erzählt und gezeichnet, märchenhaft, abenteuerlich, schön. Beste Unterhaltung. Jene, die bisher nichts mit Comics anzufangen wussten, sollten einen Blick in dieses neu aufgelegte Kleinod werfen. Vielleicht können sie eines Besseren belehrt werden. 🙂

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