Die anderen sind tot, alle tot. Helen schaut in die Stasiskammern. Sie will nicht alleine sein, mitten im Weltraum, im Nirgendwo zwischen den Sternen. Doch da, in einer Kammer ist noch Leben. Aleksa, ihr Schiffskamerad, bessert durch seine deprimierten Aussagen ihre Stimmung leider nicht. Auch die Nachrichten, die während ihres Tiefschlafs aufgezeichnet wurden, können nur auf das Gemüt drücken. Wo sind sie? Und auch: Wann sind sie?
Mit dem dritten Teil wird der Schlussakkord einer Science Fiction-Geschichte gesetzt, die nicht mal eben so verschlungen werden kann. Der Schimpansenkomplex balanciert auf einer Reihe von Science Fiction-Abenteuern wie 2001 Odyssee im Weltraum, 2010 Das Jahr, in dem wir Kontakt aufnehmen, Sphere, aber auch Event Horizon oder Red Planet und Mission to Mars. Übersetzt bedeutet das, dass Action hier nicht unterdrückt wird, da es auch ein dramatisches Element ist, aber als solches steht es hier keineswegs im Vordergrund. Der Schimpansenkomplex fordert, wenn schon nicht zum Mitdenken, so doch wenigstens zum Grübeln auf.
Das Beste ist es für den Leser, wenn er vollkommen unbelastet an diese Geschichte herangeht, denn macht er es nicht, wird er unentwegt Anleihen oder Parallelen zu anderen eher intellektuell angelegten SciFi-Geschichten entdecken oder entdecken wollen. Als die beiden Überlebenden, Helen und Aleksa, das riesige Raumschiff längsseits ihrer viel kleineren Fähre erblicken, werden sofort Bilder ähnlicher Szenen aus entsprechenden Leinwandepen wach. Auch die Handlung verfolgt einen ähnlichen Weg. Richard Marazano und Jean-Michel Ponzio entfernen sich damit von dem eigens auferlegten Neuerungsgedanken des Genres, der durch eine rätselhafte Einleitung geschaffen wurde.
Die Situation allerdings funktioniert. Der Auftakt der Handlung im dritten Teil ist gleich zu Beginn spannend. Man ist als Leser gleichsam mit den beiden Überlebenden auf der Suche nach einer Lösung. Der Leser weiß nicht mehr als Helen und Aleksa, muss sich zusammen mit ihnen überraschen lassen. Die Atmosphäre mit all seiner Dunkelheit, mit den finsteren Nischen und den schier endlosen Gängen, der Leere des Alls ringsherum ist kalt und klaustrophobisch, hoffnungslos. Zuletzt wurden derlei Gefühle so perfekt in der Reihe Universal War One eingefangen. Videobotschaften aus der Vergangenheit erhöhen die Ausweglosigkeit der Lage.
Ein Fund nährt die Spekulationen, nicht nur jene des Lesers, sondern auch jene der beteiligten Figuren. Angesichts des Fundes muss der SciFi-Fan sich einfach ein Bild aus Alien ins Gedächtnis rufen. Dort, in jenem SciFi-Klassiker, wie hier ist es schade, dass dieser Szene in der Folge nicht mehr Beachtung geschenkt wird und dem Leser mehr Informationen geboten werden. Eine Fortsetzung, ein neuer, auch vollkommen anderer Komplex wäre denkbar, der sich mit der Lösung oder Vertiefung dieser Informationen beschäftigt. Angesichts des Einfallsreichtums der beiden Macher würde bestimmt ein interessanter zweiter Zyklus dabei entstehen.
Jean-Michel Ponzio ist ein hervorragender Designer mit einem Auge für Details, für Atmosphäre und er vermag es, perfekt mit Licht und Schatten zu spielen und so filmische Effekte zu imitieren. Die gesamte Umgebung ist auf höchstmöglichen Realismus bedacht und wirkt zu jeder Zeit so, als habe es eine realistische Vorlage dafür gegeben.
Die Verschmelzung von 3D-Studien, den technischen Möglichkeiten von grafischen Programmen und herkömmlichen Zeichnungen schafft einen optischen Eindruck, dem man sich schwerlich entziehen kann. Die Charaktere erhalten eine sehr große Individualität und binden den Leser so an sich. Aus verschiedensten Blickwinkeln, in verschiedensten emotionalen Ansichten ist der jeweilige Charakter stets wiedererkennbar, etwas das nur nach akribischer Vorarbeit machbar scheint. Und wer das kleine Making-Of im Anhang sieht (oder diverse Produktionsbilder auch zu anderen Projekten im Internet), erkennt den hohen Arbeitsaufwand, der hier im Endergebnis sichtbar wird. Und die Freude an der Arbeit, die zweifellos deutlich zum tollen Ergebnis beiträgt.
Ein spannendes, auch nachdenkliches SciFi-Epos findet im dritten Teil sein Ende. Mit großer Präzision grafisch umgesetzt, an der Grenze zum Photorealismus und mit einer Prise Rätselhaftigkeit erzählt, ist der Schimpansenkomplex jenen SciFi-Fans wärmstens zu empfehlen, die abseits der üblichen Space Opera Comics suchen. 🙂
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