Samstag, 18. April 2009
Spidey hatte schon viele seltsame Begegnungen, aber ein Mann, der nur mit einer lilafarbenen und ausgeleierten Hose bekleidet ist, gehörte bislang nicht dazu. Spider-Man wundert sich noch mehr, als das Militär ein besonderes Interesse an diesem merkwürdigen Mann zeigt. Allerdings kann sich Peter Parker einen Reim auf dieses Interesse machen. Aus dem eher normal gewachsenen Mann mit der lilafarbenen Hose wird wenig später ein giftgrüner drei Meter hoher mit Muskeln bepackter Koloss. Dieser Hulk entzieht sich dem Zugriff der Soldaten durch einen gewaltigen Sprung. Da kommt selbst ein Spider-Man nicht mit.
Etwas ist faul auf dem nordamerikanischen Kontinent. Einige Kräfte scheinen fest entschlossen zu sein, den ultimativen Soldaten zu schaffen. Erste Versuche, im Labor wie im Feld, verliefen wenig ermutigend. Der Präsident höchstpersönlich will keinen Vorzeigesoldaten mehr auf dem Schlachtfeld auf einer Fahne liegend verbluten sehen. Es muss einen Weg geben. Und es gibt ihn tatsächlich. Einige Individuen sind widerstandsfähiger als andere. Sie nehmen die Injektionen an, erleben allerdings Phasen allergrößter Schmerzen und sind schwer zu bändigen.
Langsam kommt ein Geheimnis ans Licht, so unglaublich, dass es niemand der Akteure, die sich nun auf entgegengesetzten Seiten wiederfinden, für möglich gehalten hätte.
Die Ultimate Origins lüften ein Geheimnis nach dem anderen. Manche werden beiläufig angesprochen (aber dennoch so, dass die Überraschung sitzt), andere auf den Punkt genau geschildert und sehr detailliert. Die Eröffnungsszene, in der Spider-Man auf den Hulk trifft, ist nur ein Vorgeschmack dessen, was sich Top-Autor Brian Michael Bendis wieder ausgedacht hat. An seiner Seite, verantwortlich für die Umsetzung der Bilder, ist Butch Guice. Guice ist kein Bryan Hitch, der Maßstäbe für das Ultimative Universum setzte, aber er ist auf dem besten Wege sich ein Kopf an Kopf Rennen mit seinem Künstlerkollegen zu liefern.
Ultimate Origins ist in mancher Hinsicht eine Überraschung. Nur ganz selten wurden Geheimnisse oder Hintergründe einer einzelnen Figur derart kompromisslos gelüftet. Hier geschieht es gleich der Reihe nach. Es wäre unfair, einige Begebenheiten, hier zu lüften, aber gezeigt zu bekommen, wie Peter Parker nicht nur den Hulk, sondern auch Nick Fury kennen lernt, ist faszinierend einfach gelöst und höchst dramatisch dazu. Während sich in der Vergangenheit Konstellationen herausbilden (Magneto und Charles Xavier, Nick Fury, Wolverine und Shield, Hank Pym und Bruce Banner), entsteht in der Gegenwart etwas ganz anderes und eine neue (nicht unwichtige) Figur wird geboren. Das ist auch schon fast falsch, denn nebenher noch ein weiterer ultimativer Charakter eingeführt, wieder eher beiläufig, aber für die Zukunft der Ultimativen von Bedeutung. Die Fantastischen Vier, sonst für ganz eigene und ebenfalls besondere Handlungsstränge gut, verkommen hier fast zu Statisten.
Das Nachwort berichtet über die einzelnen Versuche Marvels, ihre eigenes Universum auf neue Füße zu stellen oder in andere Universen vorzustoßen. Nichts hat so recht geklappt, bis es ultimativ wurde. Inzwischen, wie schon oft festgestellt, hat die neue Ernsthaftigkeit, derer es andere Vorreiter als Marvel gegeben hat, auch in das normale Universum Einzug gehalten. Zeichner wie Butch Guice treiben das Ultimative Universum weiter voran, indem sie spektakuläre Ansichten schaffen.
Ein besonderer Ausflug (immer wieder gern gesehen) geht hier ins Wilde Land. Hier haben Mutanten eine Zuflucht gefunden, hier können sie unbehelligt an einer Zukunft bauen. Guice geht sehr respektvoll mit den einzelnen Charakteren um. Es ist ungewiss, ob er es nur als Job betrachtet, oder ob es ihm doch eine gewisse Ehre ist, die Entstehung eines Helden zu zeichnen, aber hier ist nichts dahingeschludert. Ein wenig erinnern die akribisch gezeichneten Bilder an die Arbeitsweise von Russel Braun. Braun zeichnete Wahre Freunde, ein Batman-Abenteuer. In einem Teilabschnitt dort geht es ebenfalls um die Zucht von Supersoldaten. Als der erste dieser Soldaten fertiggestellt ist, erinnert die Gestaltung dieser Szene an den ersten Auftritt von Captain America in diesem Band. Zufall oder Absicht? Keine Ahnung. Fakt ist, dass zwischen dieser Batman-Geschichte und Ultimate Origins satte 18 Jahre liegen.
Wer eine richtig gute Entschlüsselung zur Entstehung von Helden lesen möchte, liegt hier genau richtig. Die verschachtelte Erzählweise erschwert etwas den Einstieg, dafür ziehen die Zeichnungen den Leser sofort in ihren Bann. Top. 🙂
Donnerstag, 16. April 2009
Krieg. Logan liegt in seiner Zelle, bewusstlos, bis ihn ein Neuzugang weckt. Auf das Kennwort hat er als Kanadier nicht die nötige Antwort parat. Der Neue, Leutnant Warren, scheint sich mit Logans Auskünften zufrieden zu geben. Tief im japanischen Feindesland denken die beiden unfreiwilligen Verbündeten bald nur noch an eines: Flucht. Bald wird eines deutlich. Außer dem Überlebensdrang ist den beiden Männern nichts gemein. Warren würde ohne mit der Wimper zu zucken, eine Zivilistin töten. Dank Logan überlebt sie. Sie nimmt den Kanadier aus Dankbarkeit auf und versteckt ihn.
Keiner der beiden rechnet mit Warrens Rachegedanken und seinem unbändigen Hass auf die Japaner. Mehr noch: Warren verfügt über besondere Fähigkeiten. Ohne es zu ahnen, ist Logan einem seiner furchtbarsten Widersacher begegnet.
In der Vergangenheit des Zweiten Weltkriegs nimmt eine Geschichte ihren Anfang, die sich bis in die Gegenwart zieht. Dieser besondere Gegner, den Logan vernichtet glaubte (und mit dem er sich aus mannigfaltigen Gründen über die Jahre nicht beschäftigen konnte), könnte der erste und letzte besondere Gegner sein. Autor Brian K. Vaughan, der in den letzten Jahren mit Serien wie Y – The Last Man und Ex Machina von sich reden machte und schließlich erzählerische Ausflüge in andere Comic-Universen machte, legt hier eine sehr frühe Episode von Logan hin, lange bevor der Name Wolverine von ihm selbst in Betracht gezogen wurde.
Logan weiß zu diesem frühen Zeitpunkt, dass er über besondere Fähigkeiten verfügt. Seine Selbstheilungskräfte halfen ihm, den Krieg zu überstehen. Nur vor Gefangenschaft ist auch er nicht gefeit. Der kleine haarige Mann hat bisher viel Ablehnung erfahren und Frauen waren sowieso die letzten, die sich mit ihm abgegeben haben. Ausgerechnet in dieser hochgefährlichen Situation begegnet Logan einer Frau, die in sein Inneres blickt und den hochanständigen und ehrenwerten Kern entdeckt. Aber Logan ist niemand, dem ein gutes Ende vergönnt ist (jedenfalls nicht immer). Dessen ist sich auch Vaughan bewusst.
Aus diesem Grund ist der Schauplatz gut gewählt, denn aus historischer Sicht kann aus ihm nichts Gutes erstehen: Hiroshima. Während am Boden eine zarte Liebe entsteht, naht aus der Luft das Verderben, aber nicht das Ende. Vaughan gibt Logan eine sehr kurze glückliche Zeit, eine Erinnerung, die ihn mit Trauer und Wut erfüllt, jahrzehntelang, bis Logan an den Ort von damals zurückkehrt. Das ist sehr eindringlich und auch reduziert beschrieben. Der Leser erfährt vom Krieg, vom Hass, den Umständen, doch der große Rundumschlag bleibt aus und er ist auch nicht wichtig. Inmitten der kleinen abgelegenen Oase der Ruhe, die Vaughan hier schildert, ist der Krieg weit weg, obwohl er gegenwärtig ist. Ein wenig verhöhnt Vaughan diesen charismatischen Marvel-Charakter. Allerdings gingen schon viele Autoren diesen Weg, schenkten Logan einen Funken Hoffnung und nahmen ihm diesen Zustand wieder weg. Auch dafür wurde Logan gemacht.
Als Zeichner steht Eduardo Risso zur Seite. Risso ist immer weniger aus dem Comic-Geschäft wegzudenken. Seine erfolgreichen Veröffentlichungen mehren sich. 100 Bullets, Johnny Double oder Vampire Boy zeigen, wie stark Risso seinen Blick zu fokussieren und das zentrale Element einer Szene einzufangen versteht. Die Stärke seiner Zeichnungen liegt außerdem darin, dass Risso ohne Farbe auskommen kann. In den Bildern lässt sich nichts von unterschiedlichen Linienstärken, auslaufenden Linien oder anderen Techniken entdecken, die sonst hochgehalten werden. Risso kennt eine Linienstärke. Er arbeitet mit einfachen Schatten, er schraffiert, wie es gerade passend erscheint. Obwohl seine Arbeiten so einfach wirken, gibt es Merkmale, die seine Bilder sehr aussagekräftig machen.
Risso arbeitet gerne mit Gegenlichtdarstellungen und Schattenrissen. Aus diesen Schatten zerrt er das heraus, worauf es in diesem Moment ankommt. So werden auch bestimmte Gesichtausdrücke oder Teile eines Gesichtes fokussiert. Gleich auf dem Cover sieht der Leser dies an Logans Gesicht. Dort sind nur die Augen und die Zähne zu erkennen. Man könnte behaupten, Risso arbeite ähnlich wie Frank Miller, nur viel weniger grob. Rissos Bilder werden für dieses Projekt von Dean White koloriert, der dafür eine simple, aber effektive Aquarelltechnik wählte. Das ergibt ein organisches Gesamtbild und weicht damit stark von den sonst zwar aufwendig, doch eher klinisch per Computer kolorierten Arbeiten bei Marvel und Co. ab.
Zurück zu den Wurzeln: Eine unverblümte Erzählung um Wolverine, schnörkellos, tragisch, drastisch. Ein gelungener Erklärungsansatz zu Logans Charakter aus der Feder von Brian K. Vaughan, spartanisch, aber sehr lebendig in Szene gesetzt von Eduardo Risso. 🙂
Wolverine: Logan: Bei Amazon bestellen
Clum hatte nichts Böses im Sinn. Im Gegenteil: Er wollte die Betroffenen warnen, schaffte es aber nicht. Seine Leiche wird bald nach seiner Ankunft in Tombstone in einem Korridor des Saloons gefunden. Und das ist erst der Beginn von Mord und Totschlag, wie es selbst diese kleine und heruntergekommene Stadt noch nie gesehen hat.
Blueberry ist alt geworden. Gut, er ist, was seine Lebensdauer auf dem Comic-Markt angeht, tatsächlich alt geworden (was gut ist, denn Langlebigkeit steht hier auch für Erfolg), aber er ist auch in der Geschichte alt geworden. Sein Gesicht ist nach der Schussverletzung hager und ausgezehrt. Weiße Haare zieren seine Schläfen. Er glaubt sich zwar auf dem Weg der Genesung, doch sein Körper will nicht so, wie er gerne hätte. Es kommt zu Zusammenbrüchen und Bewusstlosigkeiten. Jean Giraud führt dem Leser einen gewachsenen Helden vor. Blueberry gehört nicht zu den Figuren, die ein Abenteuer nach dem anderen erleben und sich nicht ändern.
Blueberry erzählt hier nicht nur seine eigene Geschichte fort (für einen Schriftsteller, der Blueberrys Biografie auf den Markt bringen will), er greift auch dank Giraud in gelebte Geschichte ein. Das berühmte Duell am OK Corral zwischen den Brüdern Earp (und Doc Holliday) und den Clantons ist ein zentraler Punkt der Handlung, die hier in den beiden Episoden OK Corral und Dust zum Ausdruck kommt. Inzwischen war dieses legendäre Duell Inhalt mehrerer Kinofilme und eine ganze Reihe von Hollywood-Größen hat sich an der Darstellung von Wyatt Earp und Doc Holliday versucht. Jean Giraud greift das tatsächliche Geschehen und die einzelnen Charaktere mit lockerer Hand auf. Authentizität ist nicht gefragt, der Unterhaltungswert steht im Vordergrund.
So mischt Giraud munter bestehende Elemente mit frei erfundenen und kreiert eine Geschichte, die vor Intrigen, Winkelzügen und Nebenhandlungen nur so zu wimmeln scheint. Die drei Earps und Doc Holliday erfahren vom Eintreffen der Clantons und McLaurys, doch die Falle dahinter wittern sie nicht. Aus dem Wissen um die Falle im Hintergrund wird eine Hatz, ein Krimi, eine Rettungsaktion sowie eine Flucht eines vollkommen Wahnsinnigen, der mit seinen Phantasien um seinen Vater, den Drachen, an die Figur des Dolarhyde aus Roter Drache. Aber gerade dieser irre Killer, der so gar nicht in einen Western zu passen scheint, macht aus einem Teil der Geschichte etwas besonderes. Wenn sich die erschreckte Menge bei Ansicht des Verrückten, der sich wie ein Skelett angemalt hat, hinter ihren Pastor stellt, werden sogar leichte Parallelen zu Silbermond über Providence sichtbar.
Ein anderer Teil der Geschichte beschäftigt sich mit Blueberrys Erlebnissen an der Seite von Geronimo. Diese Erzählungen, die er dem Autoren Campbell beschreibt, finden sich im Band Apachen vollständig zusammengefasst. Dort allerdings wurden die einzelnen Bestandteile noch durch neue Grafiken miteinander verbunden. Das Ergebnis ist der spannenden Handlung angemessen. Giraud stellte sich mit der ursprünglichen Zersplitterung dieser Episode aus Blueberrys Leben selbst ein Bein.
Es ist toll, die künstlerische Entwicklung von Jean Giraud zu beobachten, der als Moebius zu einem klaren Minimalismus fand und irgendwann viel von dem verloren zu haben schien, was ihn einmal ausmachte. Im vorliegenden Band hat er einen guten Mittelweg gefunden. Seine klassische Tuschearbeit verschmilzt mit Vereinfachung, jugendstilartigen Bildern. Sehr genau angelegte Linien bestehen neben Stricheleien von damals. Strahlende Farben machen aus dem Wilden Westen ein intensives Seherlebnis und reißen die Menschen von einst aus ihrer Angestaubheit, machen sie lebendig. Heraus kommt ein Augenschmaus und ein Zückerchen für Western-Fans.
Die Kreise schließen sich. Blueberry ist bankrott, aber, wie er mit einem Lachen feststellt, am Leben. Das genügt. Ist er auch gealtert, ist er auch noch sympathischer geworden, ein Raubein, aber liebenswert. Neben einer verschachtelten, doch durchweg spannenden Handlung rundet ein guter redaktioneller Teil das vorliegende Album ab. 🙂
Die Blueberry Chroniken 12, Mister Blueberry, Das Duell: Bei Amazon bestellen
Mittwoch, 15. April 2009
Der Gouverneur hat die Attacke von Michonne überlebt. Michonne, die junge Frau, die von ihm auf das Schrecklichste gepeinigt worden war, hat sich mit ebenso großer Brutalität gerächt. Aber was vom Gouverneur übrig geblieben ist, denkt gar nicht an Aufgabe. Ganz im Gegenteil. Nach dem Verlust eines Armes, eines Auges und der Malträtierung diverser anderer Körperteile ist Rache sein vorrangiges Lebensziel. Die kleine Gruppe von Überlebenden im ehemaligen Gefängnis kann sich ausmalen, dass diejenigen, die in Woodbury unter der Knute des Gouverneurs Zuflucht gefunden haben, nicht lange mit ihrer Rache auf sich warten lassen. Die Angst geht wieder verstärkt um.
Leider glauben die Menschen von Woodbury die Lügen des Gouverneurs. Eine Rotte von Fahrzeugen macht sich auf den Weg. Nach kurzer Suche wird das Gefängnis gefunden, die Angreifer nehmen Aufstellung und stellen ein Ultimatum. Wie es nicht anders zu erwarten, verstreicht die Aufforderung zur Aufgabe ohne eine Antwort. Aber die Angreifer haben nicht mit der energischen Gegenwehr gerechnet und werden in die Flucht geschlagen. Zunächst jedenfalls.
Eine Handlungslinie findet ihr vorläufiges Ende. Wer glaubte, den verschiedenen Charakteren, die bisher zusammengefunden hatten, werde eine Verschnaufpause oder gar eine hoffnungsvolle Zukunft gegönnt, sieht sich getäuscht. Der Autor Robert Kirkman bricht mit alten Erzählrichtlinien und zeigt, was die Handlung ausmacht: Die Apokalypse.
Als Leser der vorherigen Episoden kann wohl niemand behaupten, dass es besonders ruhig zugegangen ist. Selbst die Sequenz, als die kleine Gruppe Flüchtlinge ihr Zuhause in einem ehemaligen Gefängnis fand, hatte keinesfalls eine besondere Ruhe als Grundstimmung. Im Gegenteil: Kirkman scheint diesen Hoffnungsschimmer nur derart detailreich aufgebaut zu haben, um ihn noch effektvoller einreißen zu können. Dazu schuf er mit dem Gouverneur das perfekte Werkzeug. Dieser Mann, der sich zum Anführer einer anderen Gruppe von Überlebenden aufgeschwungen hat, ist durch und durch pervers. Nach diversen Eskapaden in der Vergangenheit setzt Kirkman mit ein paar kleinen Einschüben noch einen drauf. Wer dachte, Michonnes Rache sei die bisherige Krönung menschlicher Bestialität gewesen (obwohl aus Rache geboren), sieht sich hier eines Besseren belehrt. Kirkman schenkt dem Leser nichts.
Wer seit der ersten Episode dabei ist und den Umstieg der Zeichner, von Tony Moore auf Charlie Adlard, mag seinerzeit einem Tony Moore etwas hinterher getrauert haben. Doch die viel strengeren und kantigeren Grafiken Adlards haben sich entwickelt. Sie sind ausdrucksstärker geworden, sicherer in der Ausführung, oftmals souveräner als noch zu Beginn. Wer die Serie nicht kennt, mag glauben, dass das Zeichnen von Monstern und Zombies so schwer nicht sein kann. Weit gefehlt, nicht nur, dass ein gutes Zeichnen von Monstern und Zombies sehr wohl nicht so einfach ist, so muss Adlard den überwiegenden Teil der Geschichte Bilder mit ganz (zumeist) normalen Menschen anfertigen.
Es sind Menschen in einer ausweglosen Situation, nicht ganz LOST, eher schlimmer, denn für sie gibt es keinen Punkt auf Erden, an dem noch von Sicherheit gesprochen werden kann. In vielen Szenen kommt es auf die Gesichter an, den Teil der Handlung, den sie alleine durch Mimik hinzufügen oder durch ihre Gestik unterstreichen. Die Hauptfigur, der ehemalige Polizist Rick Grimes, ist durch die Vielfalt der Charaktere in den Hintergrund gerückt, aber nicht überflüssig geworden. Kirkman scheint sich dieses Umstandes bewusst geworden zu sein, denn die Umstände rücken Grimes stärker hervor, fast stellen sie die Stunde Null der Handlung wieder her.
Ein Handlungsbogen schließt sich mit aller Brutalität, die der Leser bisher kannte und mit Einzelheiten, die noch einmal zu schockieren wissen. Hoffnung wird zerstört und selbst der Schluss kann nicht versöhnen. Furchtbar für die einzelnen handelnden Personen, aber auch furchtbar spannend für den Leser. Robert Kirkman liefert hier sein Meisterstück ab. 🙂
The Walking Dead 8, Auge um Auge: Bei Amazon bestellen
Montag, 13. April 2009
Gegenüber seinen Mitmenschen markiert Frank Lincoln den harten Knochen. Etwas mundfaul, kompromisslos, ist er in seinem Job als Privatdetektiv am Ball und lässt sich nichts vormachen. Als Vater versagt er schmählich und weiß nicht einmal, was er falsch macht, es sei denn, er wird mit der Nase darauf gestoßen. Seine größte Niederlage ist es denn auch, den Geburtstag seiner eigenen Tochter zu vergessen. Schlimmer noch: Seine Tochter wird langsam erwachsen. Selbst das scheint an ihm vorbei zu gehen. Doch als das Leben seiner Tochter bedroht wird, steht es für ihn außer Frage, was er tun wird, um ihr Leben zu retten: Alles, was nötig ist!
Mit Frank Lincoln erwartet den Leser einmal mehr eine tolle Mischung aus Krimi und Thriller. Marc Bourgne nimmt den Leser mit in den hohen Norden, zum abgelegensten Bundesstaat der Vereinigten Staaten von Amerika: Alaska. Der flächenmäßig größte Bundesstaat ist vergleichsweise außergewöhnlich gering besiedelt, aber eine gleichzeitig mit einer faszinierenden und außergewöhnlichen Natur gesegnet. Diese und das Klima prägen die Menschen und das alltägliche Leben und machen aus ihnen einen sehr eigenwilligen Menschenschlag.
Das und die Tatsache, dass Frank Lincoln ein Privatdetektiv ist, macht aus der Hauptfigur einen besonderen Charakter. Frank ist ein gestandener Mann. Optisch vom Schlage eines Richard Hatch (Kampfstern Galactica 1978, Battlestar Galactica 2003) ist Frank Lincoln ein zwiespältiger Charakter. Er ist kein schlechter Mensch, musste jedoch das Verschwinden seiner Frau hinnehmen und seine Tochter alleine groß ziehen. Bei letzterem hat er mit sich selbst kämpfen, vergisst sogar ihren Geburtstag, weil er lieber mit seinen eigenen Seelenqualen beschäftigt ist und sich wie ein Trampeltier verhält. Marc Bourgne, Autor und Zeichner, hat sich um eine Hauptfigur bemüht, die Ecken und Kanten hat und sich dem Leser nicht gleich erschließt, indem sie vor Sympathie strotzt.
In sehr klaren und klassischen Linien, vielleicht vergleichbar als stilistische Mischung aus William Vance (XIII), Hermann Huppen (Comanche) und von der Exaktheit der Linien her auch Roger Leloup, entsteht ein sehr schöner Blick auf die Akteure und ihre Umgebung. Alaska ist kalt, so scheint es. Der Schnee, die Straßen, die Weite der Wildnis und die (scheinbare) Teilnahmslosigkeit von Frank Lincoln greifen sehr schön für einen Gesamteindruck ineinander. Besonders gelungen fallen die Eindrücke aus, wenn Bourgne sich viel Raum gestattet. Die Stadt mit ihrer Architektur wird kurz zum Darsteller, die verschneiten Wälder künden von der Weite, die sich letztlich nur mit einem Hubschrauber überwinden lässt. Eine Ölplattform zeugt von Einöde, Einsamkeit und sogar Menschenfeindlichkeit.
Genau solche Themen lässt Bourgne in seine beiden ersten Geschichten um Frank Lincoln einfließen und ist damit weit von einer Heiterkeit im Sinne von Men In Trees entfernt. Das Ergebnis lautet: In Alaska lässt es sich leicht sterben. Alaska ist als Handlungsort schon exotisch zu nennen, die einzelnen enger gefassten Schauplätze sind es in noch stärkerem Maße. In Das Gesetz des hohen Nordens, der ersten der beiden Episoden im vorliegenden Sammelband, findet sich eine kleine einsame Hütte im Nirgendwo (fast so wie in einer Sequenz in Bodyguard). Noch eingezwängter ist die Atmosphäre im zweiten Teil Off-Shore. Hier begleitet der Leser Frank auf eine Ölbohrplattform. Auf einem stählernen Koloss, meterhoch über der Wasseroberfläche und mit keinerlei (guten) Möglichkeiten zur Flucht wird das Szenario in der zweiten Hälfte der Geschichte beinahe zu einer Art Kammerspiel.
Bourgne präsentiert ein klassisches Wer ist der Mörder? Hier fiebert man als Leser nicht nur gerne mit, sondern kann auch fein miträtseln. Die Figur des Frank Lincoln wird im Verlauf transparenter, denn zusammen mit ihr erfährt der Leser, welche Qualen Frank begleiten und warum er so knurrig ist. (Letztlich muss man sich nach einer großen Enthüllung fragen, warum er nicht noch knurriger ist, aber vielleicht kommt dies noch in einer der Fortsetzungen.)
Noch ist das letzte Geheimnis nicht gelüftet und es scheint nach der bisherigen Erzählung sicher, dass das Wühlen in der Vergangenheit zu weiteren wenig gewünschten Ergebnissen führen wird. Marc Bourgne hat einen Helden geschaffen, dessen Zugang sich nur langsam erschließt, der einem dafür aber auch stärker ans Herz wächst. Für Krimi- und Thriller-Fans findet sich hier spannend geschriebenes und sehr gut gezeichnetes Lesefutter. 🙂
Frank Lincoln 1: Bei Amazon bestellen
Samstag, 11. April 2009
Grautvornix, der junge Mann aus dem fernen Lutetia, gehört nicht nur zu einer jungen Generation, er gehört auch zu jenen jungen Menschen, die mit dem Landleben gar nichts, aber überhaupt nichts am Hut haben. Allein die Musik ist furchtbar, doch damit kann ein Grautvornix aufräumen, so dass selbst ein Troubadix vor Neid erblassen muss. Allerdings hat Majestix versprochen, aus seinem Neffen einen Mann zu machen. Aus diesem Grund überlässt er auch Asterix und Obelix diese Aufgabe. Und da gibt es für die beiden Krieger allerhand zu tun. Jagen gehört zu den Aufgaben eines gestandenen Mannes natürlich dazu. Römer zu verhauen, gehört auch dazu. Na, und Hinkelsteine wollen auch produziert werden.
Grautvornix hält von all dem noch weniger als nichts. Er will heim. Da hat er allerdings die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Denn die Wikinger sind auf dem Weg zum Dorf der unbesiegbaren Gallier. In allem sind die Besten, nur Angst kennen sie nicht. Da Angst bekanntlich Flügel verleihen soll, ist es an der Zeit zu lernen, was Angst ist. Der Seher Kryptograf hat das Ziel zufällig gewählt und wie es ein weiterer Zufall will, findet Olaf, Kryptografs Sohn, Grautvornix, dessen zweiter Vorname Angst zu sein scheint. Endlich haben die die Wikinger ihren Meister gefunden, aber fliegen können sie deshalb noch lange nicht.
Asterix und die Normannen ist einer der Ulkknaller der Asterix-Reihe und einer seiner ganz besonderen Klassiker aus den frühen Tagen. Viele Alben fanden ihren Weg auf die Leinwand. Asterix und die Wikinger, in Anlehnung an die Normannen-Geschichte gehört zu den humorigsten. Zwar wurde der Titel geändert (wahrscheinlich weil der Begriff Normannen wohl für viele potentielle Zuschauer nicht mit den Wikingern in Einklang gebracht werden kann), aber das ändert nichts an der Verfilmung, die von den besten Szenen des Albums die besten nimmt und einige Elemente hinzusetzt, damit der Film besser in die Neuzeit passt, denn immerhin stammt die Albenvorlage von 1966.
Die Animation bedient sich einer gemischten Methode. Klassisch animierte Figuren, als zweidimensional, agieren vor bzw. in einer dreidimensionalen Kulisse. So kommen Asterix und Obelix nach den Realverfilmungen auch am besten zur Geltung. Altbekannte Running Gags (die Piraten gehen mal wieder unter) treffen auf neue Späße (eine Taube als altertümliche SMS). Natürlich dürfen auch Frauen nicht fehlen. Nachdem Asterix sich schon einmal in Form von Maestria mit einer emanzipierten Frau auseinandersetzen musste, nimmt nun Abba, gesprochen von Nora Tschirner, diese Rolle ein. Man sieht schon an der Namenswahl, dass die alten Vorgaben der lustigen Namen (Maulaf, Telegraf … Die Namen der Wikinger enden alle auf AF!) beibehalten werden.
Nebst den hervorragend animierten Figuren und sehr guten Szenen wirkt die Natur ringsherum wie ein ebenso toller Nebendarsteller. Wind und Wetter, See und Stürme, hier stimmt vom ersten Moment an alles, einzig die Musik könnte ein wenig besser integriert wirken. Gut, man mag darüber hinwegsehen, denn Musik war schon immer eine Schwachstelle in Zeichentrickfilmen.
Dafür lassen die Synchronstimmen das Pendel wieder deutlich nach oben ausschlagen. Christian Tramitz kann, bevor er durch die Bullyparade so richtig bekannt wurde, auf eine Karriere als Synchronsprecher zurückschauen. Heimlich still und leise belustigte er eine große Fan-Gemeinde als Stimme von Jefferson D’Arcy in der schrecklich netten Familie an der Seite von Al Bundy. Hier spricht er den Asterix, muss sich aber vergleichsweise zurücknehmen und kann sein gesamtes Potential nicht ganz ausschöpfen. Kein Wunder, ist doch Asterix noch einer der vernünftigsten Charaktere im Comic. Die Späße werden oft durch die anderen produziert.
Hier kann Dieter Hallervorden auftrumpfen. Seine Rolle als Kryptograf ist zwar nicht Nonstop Nonsens, aber deutlich alberner ausgelegt. Nora Tschirner darf als Abba kreischen und zetern und das Recht der Frauen auf Raubzüge unterstreichen. Wolgang Völz (Synchronstimme von Käpt’n Blaubär, Walter Matthau) ist ein toller Komödiant, der leider als Majestix zu kurz kommt. Und Götz Otto (Mr. Stamper in Der Morgen stirbt nie) darf hier so richtig als Blödian Olaf aus den gewohnten Rollen fallen.
Ein fast perfektes Asterix-Zeichentrickabenteuer (etwas zum Verbessern muss es immer geben): Humorvoll, klasse in Szene gesetzt, mit Sprechern, die in richtig guter Spiellaune sind. Spitze und ein Spaß für die ganze Familie. 🙂
Asterix und die Wikinger: Bei Amazon bestellen
Freitag, 10. April 2009
Weit fort von der Erde muss sich die Green Lantern (Grüne Leuchte) ein erstes Mal behaupten. Der neue Zeichentrickfilm um einen der Helden der JLA wartet in den Szenen, die vorab begutachtet werden dürfen, mit feinen Ideen auf und kann zudem noch auf versierte Sprecher setzen. Christopher Meloni (Law and Order) leiht der grünen Leuchte Hal Jordan die Stimme. Außerdem mit dabei: Tricia Helfer (Battlestar Galactica), Michael Madsen (u.a. Species) und Victor Garber (u.a. Eli Stone) als Sinestro.
Das Thema Green Lantern: First Flight wird als Weltraumabenteuer aufbereitet. Sinestro, jüngst noch auf breiter Front mit eigenem Corps gegen die Green Lanterns antretend, hat hier auch schon seine gelbe Uniform an. Die Optik erinnert an die DC-Zeichentrickserien (Superman, Batman and Robin, The Batman u.a.), ist aber ungleich aufwendiger realisiert. Ganz im Stile des Action-Knallers Superman: Doomsday kann sich der Fan auf ein cooles Abenteuer freuen (und hoffen, dass der Erfolg des Films die Produktion zu The Green Lantern anheizen wird). 🙂
Links:
Die offizielle Homepage zum Film mit Hintergrundinfos
Filmausschnitt auf Ain’t it cool news
Mittwoch, 08. April 2009
Jack ist der coolste Typ überhaupt. Er setzte sich über sämtliche Fable-Regeln hinweg und brachte seine Geschichte an die Öffentlichkeit: In Hollywood. Mit drei Filmen eroberte er den Olymp der Filmemacher und wurde zu einem der einflussreichsten Produzenten. Einem? Ach, was sage ich! Er wurde zu dem mächtigsten und reichsten Filmproduzenten, den dieser Planet jemals gesehen hat. Und nun steht Jack an der Landstraße und alles, was er besitzt, trägt er bei sich. Was ist passiert? Jack hatte die Hartnäckigkeit und Schläue der anderen Fables unterschätzt. Wie hatte er auch glauben können, dass derart bekannte Filme über sein (angebliches) Leben nicht bis zu ihnen vordringen würden?
Aber Jack ist ein Stehaufmännchen. Außerdem besitzt er dieses besondere Quäntchen Glück, das in scheinbar aus jeder ausweglosen Situation wieder herausbringen kann. Doch mit jemandem, der Fables sammelt, um sie in die Vergessenheit zu stürzen, hatte es Jack auch noch nicht zu tun. Der neue Feind ist sehr gewieft. Das Gelände, auf dem Jack und die anderen untergebracht sind, lässt nichts vermissen, außer die Freiheit. Die meisten der anderen sind sogar recht nett. Ja, es wartet sogar die oder andere Überraschung auf Jack.
Da ist sie! Ein Fable erhält seine ganz eigene Serie: Jack. Autor Bill Willingham setzt eine Figur in den Mittelpunkt der Geschichte, die ein durchtriebener Windhund ist. Jack ist eine Mixtur aus J.R. Ewing und Brad Pitt. Er ist Charakter, durch alte Reime ins Leben zurückgerufen werden: Ach, wie muss das fein sein, einmal richtig Schwein sein. Jack lebt dieses Leben. Sorglos, absolut egozentrisch, sexistisch, ausschweifend, großschnäuzig und dabei auch noch gut aussehend. Also erfüllt er die besten Voraussetzungen, um den perfekten Serienhelden abzugeben.
Die Geschichte der Fables ist eine Erfolgsgeschichte. Willingham transportierte die altbekannten Märchenfiguren in die Neuzeit. Auf der Flucht vor einem mächtigen Feind, der Märchenwelt um Märchenwelt eroberte, fanden sie mitten unter den Menschen in Fabletown eine Enklave, in der sie sich ein neues Zuhause schaffen konnten. Nur jene, denen kein menschliches Äußeres gegönnt war, mussten raus auf die Farm vor der Stadt.
Die Vielfalt der Figuren ist einer der Trümpfe dieser Reihe. Aus diesem Grund kann auch Jack in seinem Spin-Off nicht lange alleine bleiben. Humpty Dumpty, ein vermenschlichtes Ei, trifft der Leser hier ebenso wie den Hasen und die Schildkröte, die immer noch nicht von ihrem legendären Wettrennen lassen können. Alice findet nicht mehr zurück ins Wunderland, Dorothy hat ihre Freunde um sich, doch nach Oz kommt auch sie nicht zurück. Mit Wicked John trifft Jack sogar auf eine frühere Version von sich selbst.
Es herrscht also nicht nur Chaos, sondern Wiedersehensfreude, auch heiteres Raten, denn hier wurden noch lange nicht alle Figuren aufgezählt, die Willingham hier versteckt hat. Jack ist als in diesem Gefängnis. Was versuchen Gefangene manchmal? Den Ausbruch! Aber wie brechen Fables aus? Ungewöhnlich! Willingham und Matthew Sturges überlassen nichts dem Zufall. Jede noch so kleine Figur ist an ihren Platz gestellt, so wird auch der Ausbruch zu einem haarfein gesponnenen Vergnügen. Gewalt wird zwar nicht ausgespart (wie auch, in Märchen, Mythen und Legenden wimmelt es davon), aber eine fantastische Erzählung und viel Humor halten alles perfekt in der Balance.
Als Zeichner konnte Tony Akins gewonnen werden. Akins mag das glasklare Bild. Experimente mit großflächigen Schatten gibt es. Die Exaktheit und Geradlinigkeit wirkt einerseits modern, erinnert aber auch an alte Zeiten und an Zeichner wie Jim Aparo, der besonders durch seine Zeichnungen zu Batman aufgefallen ist. Aparo hatte es dabei jedoch nicht mit Gänsen, Hasen, Rindern, Elfen oder Zwergen zu tun. Akins meistert diese wunderbare Welt mit einem Augenzwinkern, wie manche kleine Szenen am Rande zeigen. Eine ebenso spaßige wie gruselige Herausforderung waren die Bagheads, Figuren, die tatsächlich aus einer Tasche erstehen und als Wärter wie auch als Fablejäger dienen.
Jack braucht die anderen Fables, die ihn verstießen, nicht, aber so ganz ohne kommt er dann doch nicht aus. Ein guter Start einer Ablegerserie, mit der Originalität der ursprünglichen Reihe und dem unwiderstehlichen Charme eines Egoisten namens Jack. Spaß und Spannung von Anfang bis Ende. 🙂
Jack Of Fables 1, Flucht nach vorn: Bei Amazon bestellen
Dienstag, 07. April 2009
Luuna hat den Ort erreicht, der Erlösung verspricht. Die Pyramiden künden vom Glanz eines erfinderischen Volkes. Die Räume sind prachtvoll ausgestattet, die Kleidung wirkt edel und ist bunt und lebhaft. Tchotapak, der Prinz der Smaragdstadt, empfängt die Gäste aus den fernen Gefilden in Frieden. Es wird ein Fest zu Ehren der Fremden gefeiert. Schnell wird klar, dass Tchotapak mehr als nur neugieriges Interesse an Luuna hat. Auch die junge Frau vom Stamm der Paumanok findet Gefallen an dem Prinzen. Gäbe es den Fluch nicht, könnten die beiden leicht zueinander finden. Aber so?
In der Halle der großen Ahnen erwartet Luuna ihr Schicksal. Hier, beim Übergang in eine andere, eine Geisterwelt wird sich endgültig entscheiden, ob sie den Fluch brechen kann. Der Prinz begleitet sie, spendet Mut, doch gleich bei ihrer Ankunft werden sie von feindseligen Jaguarmenschen aufgehalten.
Das Ziel ist gefunden. Didier Crisse, der Autor, beschert Luuna ein spannendes (erstes) Finale, in dem es noch phantastischer als bisher wird. In einem Reich, angelehnt an die großen südamerikanischen Indianerkulturen, deren Pyramiden heute noch zu bewundern sind (Maya, Inka u.a.), erfährt Luuna den Übergang in die Geisterwelt. Eine Ähnlichkeit zu Canari, einer anderen Reihe vor südamerikanischen Hintergrund kann nicht geleugnet werden. Hier wie dort schrieb Didier Crisse das Szenario. Phantastik liegt dem Autor außerordentlich, wie er auch mit Szenarien wie Atalante oder Ishanti beweisen konnte.
Wie in einem Rollenspiel hat Luuna auf ihrer Reise ihre Gefährten gefunden, neue Freunde gewonnen, die zu ihr halten. Nun, auf dem letzen Teilstück, können diese Freunde sie nicht begleiten. Die beiden in ihr streitenden Totems, Gut und Böse, sollen ausgetrieben werden. Der Fluch, der ihr von Unkui auferlegt wurde, soll durch einen Exorzismus gebrochen werden. Didier Crisse arbeitet gerne mit Humor, aber er führt den Leser damit auch auf eine falsche Fährte. Denn Dramatik kann zu jeder Zeit über die Protagonisten hereinbrechen. Der Tod eines der Helden kann ebenso dazu gehören.
Aus Disney-Romantik, phantastischem Abenteuer und indianischer Lebensweise ist eine mitreißende Saga entstanden. Das ist maßgeblich auch dem Zeichner Nicolas Keramidas zu verdanken, der in einer Mischung aus ausladenden kantigen und abgerundeten Formen ein eigenes, aber auch vertraut aussehendes Erscheinungsbild schafft. Hier und da gibt ein Bild einen Ansatzpunkt für diese Vertrautheit. Bei genauem Hinsehen erinnern die Bilder an Wandmalereien und -darstellungen, wie sie der historisch interessierte Leser aus altägyptischen und natürlich südamerikanischen Überlieferungen her kennt.
Gemischt mit einer Spur Disney (daran kommt Keramidas nicht vorbei), einer Prise Don Bluth, auch einer Messerspitze Franquin und der Modernität eines Cartoon Network fällt es schwer, sich der Gesamtwirkung vor dem Ende zu entziehen. Die Farben von Bruno Garcia schaffen eine überwiegend düstere Atmosphäre, die der Geschichte allerdings angemessen ist. Crisse dürfte mit diesem Abschluss die zugleich dunkelste Episode geschaffen haben, die der Hauptfigur nichts schenkt, nicht einmal den wohl verdienten guten Schluss.
Diese Wirkung scheint Crisse sehr wohl geahnt zu haben, weshalb ein Epilog etwas Trost spendet. Die wenigen Seiten, gezeichnet von Fred Besson (Ishanti), wirken verwandt und auch weicher in der Ausführung. Besson ist eher ein Erbe Uderzos mit einem deutlichen Hang zu einer zeichentrickartigen Aufbereitung. Aus diesem Grund fällt die Kolorierung hier außerordentlich aufwendig und perfekt aus und stellt Garcias Arbeit zwar nicht in den Schatten, aber sie begegnet ihr auf Augenhöhe.
Ein toller, aber auch trauriger Abschluss. Das Ende lässt einen weiteren Zyklus zu, anders gelagert sogar als die ersten fünf Bände. Es wäre angesichts der hervorragend ausgearbeiteten Hauptfigur und dem tollen Hintergrund schade, wenn Crisse und Keramidas Luuna nicht mehr weiterverfolgen würden. 🙂
Luuna 5, Der Spiegelkreis: Bei Amazon bestellen
Montag, 06. April 2009
Eisenhaupt! Wie kann ein Mensch ohne Kopf lieben? Ist er überhaupt noch ein Mensch? Ist es nicht Fakt, dass Eisenhaupt ebenso wie seine Vorfahren ein würdiger Krieger der Meta-Barone ist? Wirklich? Nein, ganz und gar nicht. Eisenhaupt vergisst Regeln nicht nur, er bricht sie auch nicht, er befolgt überhaupt keine, da er keinerlei Regeln anerkennt. Er benutzt die eigene Mutter als Drohmittel gegen den Vater, sieht ungerührt und mitleidslos zu, wie beide sterben. Eisenhaupt ist ein Monster. Dieser Meta-Baron, so mechanisch er auch sein mag, dürstet nach Anerkennung. Was nützt es, der beste Kämpfer des Universums zu sein, wenn sich selbst in höchster Bedrängnis keiner findet, der ihn zu Hilfe ruft?
Um in den Hochadel aufgenommen zu werden, fehlt Eisenhaupt eine Stimme, die Stimme derer, deren Vater er getötet hat. Fragen kommen auf. Die Kaste der Meta-Barone muss fortgesetzt werden, sie bracht Söhne. Doch welche Frau würde sich in eine Monströsität mit einem stählernen Kopf verlieben, geschweige denn mit ihm einen Nachkommen zeugen. Eisenhaupt muss sich auf das größte und schwierigste Abenteuer einlassen, der Suche nach der Erfahrung von Liebe.
Ein Cyborg, durch und durch mit Verachtung erfüllt, soll die Liebe finden. Aber wie? Erklärungen aus Büchern zerfallen zu Staub und der letzte Dichter verstarb vor langer Zeit. Und plötzlich schenkt Autor Alexandro Jodorowsky seinen Helden einen Fingerzeig, ja, eigentlich ein kleines Wunder, denn es gibt noch einen Dichter, einen allerletzten.
Wer nun befürchtet haben mag, dass Jodorowsky seinen Helden in einen Liebestaumel hinabgleiten lässt, sieht sich gewaltig getäuscht. Das Wesen, dem es keinerlei Skrupel bereitete, die Finger seiner Mutter abzuschneiden (ohne Betäubung, versteht sich), begibt sich auf einen Weg, der für völlig neu ist. Auf der Suche nach dem letzten Dichter kann Eisenhaupt seinen ersten gewaltlosen Sieg verbuchen, ein für seine Verhältnisse ungeheuerliches Ereignis. Doch für Jodorowsky ist das nur der Anfang. Eisenhaupt braucht einen richtigen Kopf und er bekommt ihn. Dichter und Krieger vereinigen sich. Die Legende von Frankenstein und seinem Monster, der das Alleinsein nicht mehr ertrug, schimmert deutlich durch. (Allerdings haben seine Schöpfer es schon lange vorher vorgezogen, aus dem Leben zu scheiden.)
Die Realität ist der Ort, wo das Bewusstsein erlischt. Sich aufzugeben heißt, sich zu finden.
Rätselhafte Aussagen eines Dichters. Kantige, markige Sprüche eines Kriegers. Wie passt das zusammen. Nachdem die Liebe bei den Meta-Baronen schon häufiger seltsame Wege nahm, dürfte es durch die Symbiose der beiden, Eisenhaupt und Zaran Krlezas, zu der ungewöhnlichsten Reise überhaupt kommen. Aus den beiden wird eine neue Person namens Melmoth. Dieser neue Charakter drängt darauf, seine alten Fehler wieder gut zu machen (so schwierig das auch sein mag, nachdem Eisenhaupt den Vater seiner Angebeteten getötet hat). Hindernisse, überlebensgroße Hürden, Jodorowsky legt seinem Helden nicht nur Steine in den imaginären Weg. Ein Meta-Baron muss beinahe im wahrsten Sinne des Wortes Berge versetzen (oder wenigstens etwas ähnlich großes).
Neben vielen wahnsinnig ausschauenden Visionen und irren Mutationen, riesigen Explosionen und vielen anderen schaurigen Dingen darf Zeichner Juan Gimenez sich auch der Schönheit widmen. Schön ist der Dichter, schön ist die Auserwählte, schön so mancher Ort. Die gigantische Halerke mit ihren Vogelschwärmen ist ein von Gimenez paradiesisch gestalteter Ort inmitten von Zerstörung und Krieg. Beides, Schönheit und Irrsinn, legt Gimenez wie stets mit großer Protzigkeit ein, überbordend wie ein Schlachtengemälde. Würde dieser Zeichner nicht in unserer Gegenwart leben, würde er zu jenen Künstlern gehören, die Kämpfe vergangener Epochen auf die Leinwand bannen und Fresken an die Wände und Decken klösterlicher und kirchlicher Gebäude malen.
Die heimlichen Helden von Jodorowsky und auch von Gimenez sind Onko und Lothar. Das hat nichts mit Kaffee und dem, der ihn trinkt, zu tun, sondern mit zwei putzigen Robotern. Onko, der getreue kleine Roboter, der die Meta-Barone eine halbe Ewigkeit begleitet, erzählt die Geschichte seinem Gefährten Lothar. Die beiden Roboter, insbesondere Onko, verfolgen nicht nur den Werdegang der Krieger, denen sie dienen. Sie rücken auch stärker ins Geschehen. Endlich ist der Meister wieder da. Bislang konnte der Leser nur die Kopien des aktuellen Meta-Barons bestaunen, die sich zwar wacker schlugen, aber nur eine beschränkte Haltbarkeit aufwiesen. Wieder schlägt die Gigantomanie in Feuer, Blitz und Zerstörung zu (und als Leser erwartet man nichts anderes). Diese Nebenepisode über die … (das wird nicht verraten) mit den beiden Robotern macht Lust auf mehr. Das robotische Design verbunden mit einem losen Mundwerk könnte die Onko und Lothar zweifellos als Hauptakteure der Zukunft ins Licht rücken.
Die beste Liebesgeschichte von Jodorowsky, natürlich nicht ohne seinen wahnwitzigen Einfallsreichtum, toll in Szene gesetzt von Gimenez, der hier seine Meisterschaft nicht nur beweist, sondern zementiert. 🙂
Die Kaste der Meta-Barone 3, Eisenhaupt und Dona Vicenta: Bei Amazon bestellen