Sonntag, 15. März 2009
In einer ganz normalen Welt (mit Superhelden und Superbösewichtern), die durch Zombies infiziert wird, müssen sich die Guten und die Bösen entscheiden, ob sie weiterhin gegeneinander kämpfen wollen. Oder kämpfen sie Seite an Seite?
Dynamite Entertainment, in der letzten Zeit immer für eine Überraschung gut (man denke nur an Red Sonja, The Lone Ranger oder Army Of Darkness), kommt nun mit einer Geschichte, die ein wenig an die Marvel Zombies erinnert. Doch bei Dynamite stellen sich Helden und Verbrecher gemeinsam gegen die Plage. Aber einfach scheint auch dieser Kampf nicht zu werden.
Links:
8 Seiten Vorschau unter Newsarama.
Trailer auf der Startseite von Dynamite Entertainment.
Liste der bisherigen Ausgaben.
Einige der Titel des Verlages mit deutlichem Schwerpunkt auf Horror- und TV-Umsetzungen haben es schon nach Deutschland geschafft (z.B. The Boys, The Lone Ranger), vielleicht kommen die SuperZombies auch. 🙂
Samstag, 14. März 2009
Zwar haben die Kinder Paris nun hinter sich gelassen und damit auch ein gefährliches Pflaster, in dem entkommene Zirkustiere das Leben erschwerten, doch leichter wird es für sie trotzdem nicht. Außerhalb der großen Stadt haben sich noch andere Tiere zusammengerottet. Einst waren sie der beste Freund des Menschen. Nun, da dieser verschwunden ist, haben sie sich wieder zu Rudeln zusammengeschlossen und gehen auf die Jagd: Hunde. Die weitere Fahrt hätte so schön sein können, aber die Hundemeute setzt sich auf ihre Fersen und jagt dem alten Bus hinterher, in dem die Kinder unterwegs sind.
Sie haben schon nicht mehr daran geglaubt: Neben der Fahrbahn scheint plötzlich ein Licht in der Nacht auf. Andere Kinder. Dodji, Yvan, Leila, Camilla und der kleine Terry haben plötzlich wieder Gesellschaft. In einem Vergnügungspark haben sich viele andere Kinder verbarrikadiert. Saul, ein blonder schlanker Junge, hat diese Gruppe zusammengeschmiedet und ihnen neue Regeln gegeben. Sie nennen sich selbst: Haifisch-Clan.
Die Katastrophe, während der alle Erwachsenen von einer Sekunde auf die andere verschwanden (sowie ein Großteil der Kinder), wird für die fünf Kinder, die der Leser im ersten Band kennen lernte, langsam zum Normalzustand. Sie haben gelernt, mit der Situation umzugehen. Sie improvisieren, lernen dazu, übernehmen Verantwortung füreinander und ergehen sich in Aufgabenteilung. Die kleine Gruppe ist durch die Vorkommnisse bei aller Unterschiedlichkeit zusammengeschweißt worden.
In einem Vergnügungspark findet die Geschichte nun ihren vorläufigen Höhepunkt und erinnert an dieser Stelle wohl am stärksten an den Herrn der Fliegen von William Golding. Im Vergnügungspark, der eine Insel- und Piratenwelt nebst Meeresshow darstellt, haben sich die versammelten Kinder allesamt als Piraten verkleidet und folgen ihrem Anführer Saul, der hochherrschaftlich residiert und die Gesetze erlassen hat. Ein leibhaftiger Hai in einem großen Wasserbecken gibt dem selbsternannten Clan seinen Namen. Gleichzeitig dient er als Druckmittel zur Erhaltung der Ordnung, wie auch zum Vergnügen.
Fabien Vehlmann zeigt ein für Kinder seltsames, aber beileibe nicht außergewöhnliches Verhalten. Mit einer geradezu verzweifelten Komik versuchen sie unter der Führung von Saul eine Art Gesellschaftsform zu entwickeln, die einer Erwachsenenwelt nachempfunden ist. Saul greift bei seiner Form der Gemeinschaft (ein Missgriff von Fehlmann, aber häufig nicht anders von Autoren zu erwarten) auf Vorlagen zurück, die er aus Büchern hat: Themen aus dem Dritten Reich.
Es ist ein Szenario, das, auch durch die Bekleidung der Kinder, an Geschichten wie Hook erinnert und die Gemeinschaft der verlorenen Jungs. Und verloren sind sie. Dank Saul irren sie durch Rituale wie das der Verheiratung per Losentscheid. So findet sich Camilla, 8 Jahre, bald in einer Ehe mit Saul, 11 Jahre, wieder. Saul bereitet sich außerdem darauf vor, Nachkommen in die Welt zu setzen. Dies ist die verzweifelte Komik und sie wird von Vehlmann sehr treffend erzählt, teilweise düster, wenn die Befehlsstrukturen einer Hitler-Jugend greifen, aber es ist unter dem Strich auch sehr traurig. Vehlmann schlägt für den Leser willkommene Haken. Aus dem Endzeittrauma wird ein Drama und schließlich erwartungsgemäß die Tragödie. Vehlmann gönnt seinen Helden nichts. Bislang bleiben sie am Leben, doch derart wie die Handlungen ihren Verlauf nimmt, sollte man als Leser nicht darauf wetten, dass es so bleibt.
Bruno Gazzotti, Zeichner dieser Comic-Reihe, bleibt bei sehr geradlinigen Gestaltung. Er bleibt cartoony und entschärft das Szenario. Die Ernsthaftigkeit, die Vehlmann bei seiner Erzählung an den Tag legt, findet sich in den Bildern nicht wieder. Sicherlich verfügt Gazzotti auch mit diesen Figuren über alle Möglichkeiten, um Emotionen zu wecken, ganz bestimmt schafft er es mittlerweile eine sehr große Sympathie für die fünf Freunde zu entfachen. Die optische Mischung der fünf Helden stimmt ganz einfach. Ähnlich wie man es bei einem Casting vermuten würde, bei der möglichst echte Charaktere zu einem Ganzen zusammenfinden, sind auch diese Fünf, Dodji, Yvan, Leila, Camilla und der kleine Terry, perfekt aufeinander abgestimmt.
Eine sehr spannende, aber im weiteren Verlauf auch über die Maßen traurige Episode. Ein kleiner Hinweis sagt etwas über das Schicksal all der verschwundenen Menschen aus, doch nicht genug, um genauere Vermutungen anzustellen. War spannend, bleibt spannend, unterhält perfekt. Was will man mehr? 🙂
Allein 3, Der Haifisch-Clan: Bei Amazon bestellen
Ein neues Zuhause. Die kleine Coraline zieht mit ihren Eltern in das alte mehrstöckige Gebäude. Nur zwei ältere Damen und ein knurriger alter Mann teilen mit ihnen das Haus. Coraline fühlt sich einsam. Außerdem hat sie Langeweile. Ihre Eltern haben kaum Zeit für sie. Eine Tür im Haus, die eigentlich verschlossen sein sollte, lässt sich doch öffnen und lädt in eine viel schönere Welt ein. Eine Welt, in der Coraline alles spielen darf, alles essen darf, was sie will, ja, in der sie alles darf: Nur nicht zurückkehren!
P. Craig Russell ist ein Minimalist. Aber was für einer! Die Optik seiner Bilder erinnert an einen furchtbar feinen Holzschnitt. Deshalb mutet seinen Grafiken stets etwas märchenhaftes an, ganz gleich mit welchem Thema er sich gerade beschäftigt. Und er scheint zu wissen, dass er genau diese Gabe besitzt. Nicht umsonst befasste er sich für den amerikanischen Verlag Dark Horse mit Wagners Ring der Nibelungen. (Ein 200seitiges Werk, das leider meines Wissens nach noch nicht auf Deutsch vorliegt, obwohl es schon 2002 erschienen ist. Eine 11seitige Vorschau ist unter darkhorse.com abrufbar.) Wer auf seiner Homepage pcraigrussell.net schaut und das Cover eines Spectre-Heftes begutachtet, auf dem Coraline auf dem Knie eines riesigen Skeletts sitzt und mit diesem Tee trinkt (!), versteht sofort, was gemeint ist.
Was Coraline und der Spectre gemeinsam haben, steht auf einem ganz anderen Blatt. Zurück zu eigentlichen Geschichte, die ursprünglich von Neil Gaiman erdacht und als Roman niedergeschrieben worden ist. Gaiman ist der Mann des seltsam merkwürdigen und ungewöhnlich Phantastischen. Bücher wie American Gods, Sternwanderer oder Coraline sind nicht erst dafür verantwortlich, dass er an der Spitze der Fantasy-Autoren zu finden ist. Obwohl er sich auch mit normalen Superhelden beschäftigte, ist sein Sandman bei Marvel ein Riesenhit geworden. Mystisch verträumt ist der Sandman nicht die gewohnt leichte Comic-Kost.
Coraline: Die Geschichte eines Mädchens, das sich nach mehr Aufmerksamkeit sehnt. Eine geheimnisvolle Tür in einem nur selten benutzten und altmodisch eingerichteten Zimmer führt sie in einer andere Welt. Sie ist der ihren sehr ähnlich, doch die Mutter ist ein Monster.
Als Kinderliteratur von Neil Gaiman ersonnen, hat P. Craig Russell noch etwas mehr daraus gemacht. Er zeichnete die Geschichte nicht nur, er adaptierte den Text auch für das Medium Comic. Äußerlich unterscheiden sich die neuen Eltern von Coraline nur durch ein kleines Detail: Sie haben Knöpfe als Augen. Mit derlei gruseligen Instrumentarien wird der unterschwellige Horror in dieser Geschichte erschaffen. Coraline lässt sich von diesem Detail zuerst nicht schockieren. Erst als ihr angeboten wird, in diese andere Welt ganz überzuwechseln und als Zeichen dafür auch Knopfaugen zu tragen, setzt ihr Rückzug ein. Aber damit beginnt auch gleichzeitig der Kampf.
Coraline ist keine Alice im Wunderland, obwohl Gaiman Parallelen in der Struktur der Handlung nicht ganz leugnen kann. Ein wenig fühlt man sich als Leser auch an Der Dieb der Zeit erinnert, eine Märchengruselmähr von Clive Barker, einem anderen Meister des Phantastischen. Hier wie dort gerät ein Kind in eine andere Welt und erkennt über kurz oder lang die Falle und versucht zu fliehen. Coraline erhält, um freizukommen, eine ganz einfache Aufgabe. Sie muss drei Seelen von Kindern finden, die der falschen Mutter bereits vor langer Zeit ins Netz gingen. Die Suche bewirkt nicht den Grusel, vielmehr stößt Coraline bei ihrer Suche vor einer harmlosen Kulisse auf die furchtbaren Veränderungen, die ihre Mutter vorgenommen hat. Aus einem Streifzug durch das Haus wird eine lebensgefährliche Angelegenheit.
P. Craig Russell verwendet zur Umsetzung einen derartig zarten Strich, dass dieser Horror zuerst unbegreiflich bleibt und auf den zweiten Blick zündet. Spätestens mit dem falschen Vater, der sich in eine ghoulähnliche und schleimige Kreatur verwandelt, kippt die Zartheit des ersten Eindrucks. Russell lässt seine Technik gegen den Horror der Handlung antreten. Mit diesem Gegensatz arbeitete schon bei Conans Abenteuer Die Juwelen von Gwahlur. Es ist verblüffend, wie er damit die Erwartungshaltung des Lesers angesichts der harmlosen Optik (Es wird schon nichts passieren.) durchkreuzt.
Eine grafisch auf dem zweiten Blick beeindruckende Literaturumsetzung einer Vorlage von Neil Gaiman. Der Schrecken schleicht sich langsam, dann jedoch mit Macht ein. Tapferkeit, Erfindungsreichtum und Vertrauen ist der Schlüssel zur Rückkehr. Tolle Unterhaltung und mit einem Umfang von 200 Seiten ist für einen längeren Leseabend gesorgt. 🙂
Coraline: Bei Amazon bestellen
Ein auf der Website comicconnect.com angebotener Comic sorgte neulich für Furore: Action Comics 1, Supermans erster Auftritt. 1938 für gerade einmal 10 Cent über den Ladentisch gegangen, lag die gebotene Summe sehr bald schon bei 200.000 Dollar. Inzwischen ist die Auktion vorüber und das Heft hat den Besitzer gewechselt. Der Preis: 317.200 Dollar. Ein hübsches Sümmchen! Verkäufer und Käufer blieben unbekannt. Allgemein geht es bei Comic Connect um hohe Summen, jedenfalls für Comic-Hefte. Wer einfach mal in Comic-Nostalgie schnuppern möchte, sollte einen Blick riskieren. 🙂
Freitag, 13. März 2009
Junge Männer brauchen eine Herausforderung, insbesondere junge Revolvermänner. Wenn sie wie der junge Roland Deschain noch ihrem Hass folgen, dann muss sich jeder hüten, der es wagt, ihnen in den Weg zu treten. Roland will seine Prüfung vor der Zeit ablegen. Seine Waffe, mit der er gegen den Lehrmeister antreten will, ist sein Falke, sein Freund. Roland ist für sein Alter impulsiv. Obwohl er eine strenge Erziehung genossen hat und er sich auch selbst zu maßregeln versteht, drängt die Jugend durch, die mit Wucht ein Problem hinfort spülen möchte. Ganz besonders dann, wenn dieses Problem ein Mensch ist, an dem sich Rache üben lässt.
In einer Prachtausgabe kann der Leser nach der Erscheinung im Originalformat vor einiger Zeit noch einmal die ersten Abenteuer von Roland Deschain nachlesen. Neben dem tollen Format erwarten den Leser 40 Zusatzseiten, die einen weiteren ungewöhnlichen Einblick in die Welt des Dunklen Turms geben.
Die Kunst von Jae Lee und Richard Isanove lag bisher nur im gewohnten Heftformat vor. In Albumform erhalten die Bilder einen qualitativen Schub, der außerordentliche Einblicke gibt. Die tolle Druckqualität untermauert den Gesamteindruck zusätzlich. Die Geschichte, der sich die beiden Ausnahmekünstler widmen, startet in der Adaption von Robin Furth und Peter David ungewöhnlich, aber nicht außergewöhnlich. Hier merkt man als Leser noch nicht die enge Verbundenheit von Furth mit dem Projekt. Sie stand Stephen King, dem Autor der siebenteiligen Romanreihe, lange als Assistentin zur Seite und betreute insbesondere Den dunklen Turm sehr stark mit. Sie ist verantwortlich für die beiden Nachschlagewerke, die als Zusatzmaterial zu der von King geschaffenen Welt erschienen sind.
Im zweiten Kapitel des vorliegenden Bandes bricht die Geschichte ohne Umschweife aus der bisherigen Vermischung von Fantasy und Western aus. Plötzlich steht der Leser dem schwarzen Mann, Martin Broadcloak, gegenüber. Mehr noch, der Leser darf einen Dialog zwischen dem Zauberer und dem Fürsten der Finsternis belauschen. Anschließend erlebt der Leser die Macht des Magiers, der sich durch einen Zaubertrick aus der Affäre zieht. Ganz klassisch erfährt der Leser, dass der Revolvermann, Roland Deschain, dereinst zur Bedrohung für den Satan werden wird.
Die Bilder wie auch die Erzählung bestechen durch ihre scheinbare Einfachheit. Eine rote Hölle schlägt dem Leser mit einer sehr intensiven Leuchtkraft entgegen. Felsnadeln recken sich einem unerkennbaren Himmel entgegen. Körperteile ragen spärlich auf Lanzen aufgespießt aus der Tiefe hervor. Ein pechschwarz glänzender Spinnenkörper mit einem vage menschlichen Gesicht weidet eher nebensächlich ein bedauernswertes Opfer aus. Daneben verläuft die Konversation zwischen Meister und Diener.
King, oder besser der für die Adaption mitverantwortliche Peter David, lässt einen wohligen Grusel entstehen. Lee und Isanove fügen durch ihre Bilder noch einen Schuss Horror hinzu. Doch Kind wäre nicht King, würde er nicht mit dem Leser Achterbahn fahren. Die Gardisten, die kurz darauf eintreffen und Martin Broadcloak verhaften sollen, werden von ihm kurzerhand in Möpse verwandelt.
Die Mixtur aus schwarzen Flächen harten Kontrasten hat einen surrealistischen Charakter. Die zumeist mit einem Grundton versehenen Seiten, die durch zusätzliche Farben eine Akzentuierung erfahren, verfeinern den Eindruck, als schaue man durch einen sehr durchsichtigen und dünnen Vorhang in diese Welt. Ein passendes Beispiel für diesen Eindruck ist der Ritt der Freunde durch den Eyebolt Canyon. Als habe der Meister des Surrealen persönlich, Salvador Dali, sich des Szenarios angenommen, so wellen sich die Felsen empor und wirken wie Schlacke. Die Auseinandersetzungen und Schießereien gegen Ende sind schließlich wieder großes Kino, für das ein Sergio Leone Pate gestanden haben könnte.
Die Geographie, Mythen und Legenden zu Mittwelt werden mit schönen (auch gruseligen) Illustrationen im Anschluss an die eigentliche Erzählung nähergebracht. Sie lesen sich wie Sagen einer anderen Welt als der Unseren, irgendwie verdreht, wie im Rausch geschrieben, aber auch anziehend und aufregend.
Lieben oder hassen: Etwas anderes gibt es nicht über die Geschichte des dunklen Turms zu sagen. Entweder man lässt sich hineinziehen, aufsaugen, mitreißen oder man wird abgestoßen. Wenn man jedoch den Zugang findet, öffnet sich eine außergewöhnlich andere und über die Maßen spannende Fantasy-Geschichte. Der dunkle Turm in dieser Form ist ein optisches Erlebnis wie in einem Traum, sagenhaft und leuchtend. Der erste Band ist ebenso prachtvoll wie seine Aufmachung. 🙂
Der dunkle Turm 1, Der Revolvermann: Bei Amazon bestellen
Mittwoch, 11. März 2009
Tabora in Tansania. Es ist eine kleine Stadt. Sie ist ihren Bewohnern eine Heimat, aber sie ist nichts besonderes. An dem Tag, als die drei Attentäter ihren Wagen mitten unter den Passanten anhalten und sich in die Luft sprengen, ändert sich das. Iron Man befindet sich zu diesem Zeitpunkt im All und repariert eine Raumstation. Wieder auf dem Boden hofft er als Tony Stark auf einige Momente der Entspannung, aber er sieht sich getäuscht. Das Attentat hat wegen seiner Sprengkraft nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Die verwendete Technik ist verdächtig. SHIELD schaltet sich ein.
Unterdessen spricht Ezekiel Stane bei dem Vorstand von Jones-Reynolds-Jones vor. Zwar hat er keine Waffe dabei, gefährlich ist er dennoch. Stane braucht keine Waffe. Der junge Mann hat inzwischen derart viele Modifikationen an seinem eigenen Körper vorgenommen, dass sein Körper zur Waffe geworden ist. Für ihn gibt es nur ein Ziel: Er möchte ein verbesserter Iron Man werden, eine Art Iron Man 2.0.
Nach dem Erfolg des Kinofilms um den Industriellen Tony Stark und seinen Werdegang zu einem der bekanntesten Superhelden des Marvel-Universums kehrt der Eiserne nun auch mit einer neuen Comic-Serie zurück. Tony Stark ist hier Direktor von SHIELD und er ist IRON MAN. Ein Posten wäre schon aufreibend genug, beide gehen an die Substanz. Tony würde gerne Teile seines Playboy-Lebens zurückholen, allein die Zeit ist viel zu knapp dafür.
Matt Fraction, ein junger Wilder im Comic-Gewerbe, sozusagen ein Shooting Star unter den Comic-Autoren, hat sich mit diversen Publikationen einen Namen gemacht. Neben IRON MAN schrieb er auch für X-Men, Spider-Man oder Punisher. Mit einigen One Shots für Thor fiel er besonders auf. Nun widmet er sich IRON MAN und verdammt ihn prompt zum alten Eisen. Die Technik geht weiter, evolutionär könnte man sagen. Der Sohn seines alten Feindes Obadiah Stane, Ezekiel (sehr prophetisch), macht sich Tonys Technik zunutze und verbessert sie. Zwar hat Tony seit der Entstehung seines Alter Egos IRON MAN selbst viele Verbesserungen erfahren, aber nie waren sie derart drastisch, wie es sein neuer Feind anstrebt.
Fraction holt außerdem Terroristen wieder als Gegner hervor. Jüngst nach dem 11. September 2001 wurden sie stark im Marvel-Universum thematisiert. Der Anschlag selber fand Erwähnung, aber z.B. auch Captain America trat Attentätern auf verschiedene Weise entgegen. Der Civil War griff die Thematik von terroristischen Anschlägen ebenfalls auf, immerhin kostete ein Anschlag sogar Cap das Leben. IRON MAN nennt sie Genozid Guerillas, hauptsächlich Männer, die zu lebenden Bomben werden.
Ein Paradebeispiel dieses Szenarios, gezeichnet von einem der Ausnahmekünstler im Comic-Gewerbe: Salvador Larroca, findet in Manila auf den Philippinen statt. Larroca weiß ohnehin, wie ein realistisches Bild zu Papier zu bringen ist. Die Farbgebung allerdings macht das Szenario, das nicht nur spannend ist, zunehmend gruseliger. Die Attentäter beginnen zu glühen, bevor sie explodieren. Ihr Skelett scheint durch die Haut. Die Farbgebung ist sehr fein und weitestgehend ohne erkennbare Abstufungen aufgetragen. Einziger Nachteil ist die manchmal metallisch schimmernde Hautfarbe der Menschen, die stellenweise auch etwas zu dunkel angelegt ist. Aber das ist angesichts der tollen grafischen Eindrücke nur Korinthenkackerei.
Spannung und Drama (arme Pepper) werden hier perfekt von Matt Fraktion und Salvador Larroca verschürt und serviert. Ob die Terroristenthematik ins Superhelden-Genre passt, muss jeder Leser für sich selber entscheiden. Rein optisch ist dieser Serienauftakt eines der Zückerchen der letzten Zeit. 🙂
Dienstag, 10. März 2009
Eigentlich sollte man in einer Muschel das Meer rauschen hören. Aber Isnogud, der mit seiner Fragerei den Andenkenhändler gehörig genervt hat, flutscht gleich am Stück durch die Muschel und landet wie durch Zauberhand auf der Andenkeninsel. Und was das für eine Insel ist! Muscheln bedecken den Strand und spießförmig konstruierte Türmchen wachsen aus der Wiese. Es ist eine Welt, in der sich ein Andenkenhändler selber wegradieren kann. Am Ende … Nun, fest steht, dass sich Isnogud die Welt so nicht vorgestellt hat.
Himmel und Hölle. Wie macht man aus einem recht alten und bekannten Kinderspiel einen wunderbaren Sketch? Rene Goscinny hat dieses Meisterstück (und genau das ist es) des Humors mit einem ganz kleinen Trick bewerkstelligt. Wer es aus der Hölle, am unteren Ende der auf dem Boden nummerierten Kästchen, hüpfend in den Himmel schafft, am oberen Ende der Kästchen, wird wieder zum Kind. Für Isnogud ist dieser Zaubertrick eine tolle Sache. Jetzt muss nur noch der Kalif dazu gebracht werden, über die Kästchen zu hüpfen und schon ist er minderjährig und nicht mehr regierungsfähig.
Aber, wie so oft, wenn Isnogud seinem Kalifen eine neue Falle stellt, muss diese auch getestet werden. Ein im wahrsten Sinne des Wortes kindlicher Spaß, nur zu kurz. Dafür lässt es Goscinny im ersten Teil dieses Sammelbandes so richtig krachen. Schlag auf Schlag kommen die Gags unter dem Titel Isnogud der Listige. Der Großwesir ist hier zwar wieder einmal sehr bemüht am Werke, doch vom Glück gesegnet, ist der von Missgunst zerfressene hohe Beamte im Dienste des Kalifen von Bagdad nicht.
Ich will ein Walkie-Talkie!
Zwar versucht es Isnogud einmal durch die Blume zu sagen, doch in einer anderen Episode ist es so klar wie Kloßbrühe: Jeder in Bagdad weiß um den Wunsch des Großwesirs. Nur der Kalif weiß es nicht. Goscinny kann sich eine Verbindung des magischen Bagdad mit unserer Welt nicht verkneifen. Eines Tages gelangt Isnogud in den Besitz eines Ottoquell-Katalogs. Mit diesem wundersamen Druckwerks lässt sich einfach alles bestellen, vorzugsweise das, was in der Welt von Isnogud noch gar nicht existiert. Sobald der Großwesir über ein Walkie-Talkie Kontakt zu einer französischen Polizeistreife aufnimmt und diese für Dschinnis hält, ist vom Schmunzler bis zum Brüller alles drin.
Der Humor von Isnogud ist einigermaßen albern. Wer sich an Louis de Funes erinnern kann, ganz gleich an welchen Film mit ihm, hat so ungefähr einen guten Ausblick auf den Humor, der ihn bei Isnogud erwartet. Es ist ein Humor, wie er gerne einmal kopiert wurde, auch im nichtfranzösisch sprechenden Ausland, aber erreicht wurde er andernorts nur sehr selten. Goscinny wusste, und das zeigt sich hier einmal mehr, wo er zu beginnen hatte und wo Schluss war. Paradebeispiele im zweiten Teil des vorliegenden Sammelbandes sind Der Türkenkopf (über ein verzwicktes Puzzle), Ein Gesang, der erstarren lässt (über eine außergewöhnliche Meerjungfrau) und Der magische Kalender, in dem sich Zeichner Jean Tabary höchstselbst einen Gastauftritt hineingezeichnet hat. Isnoguds Abenteuer oder auch Sketche, ganz wie es ein jeder für sich zu definieren vermag, sind teilweise wie ein Countdown konstruiert und zu jeder Stufe mag man denken: O, nein, der arme Kerl! Oder: Geschieht dir ganz recht!
Jean Tabary bringt sich als Zeichner mit alten Episoden ein, erkennbar an der deutlich schlankeren Gestalt Isnoguds und einem weniger ausgeprägtem Gesicht, doch vermehrt mit neueren Geschichten aus der Feder von Goscinny. Aus dieser neueren Zeit stammen die einseitigen Episoden des dritten Teils des Sammelbandes mit dem Titel Düstere Aussichten. Was wäre wenn oder besser: Wenn ich … wäre …
Mit einer einfachen Ausgangslage erzählen Goscinny und Tabary in wenigen Bildern einen Witz, einen Sketch, eine Annekdote. Dieser Ausbruch aus der gewohnten Erzählweise ist auf den ersten Blick unspektakulär, aber am Ende hat man gerade diesen Teil am schnellsten verschlungen (lesend, versteht sich) und am meisten gelacht. (Besonders bei der vorletzten Episode. Warum, das soll jeder für sich herausfinden.)
Goscinny, ein Meister seines Fachs, fehlt in der heutigen Comic-Welt. Ein richtig würdiger Nachfolger ist noch nicht in Sicht. Sein Humor ist nicht nur zeitlos, er wird wie die Mode immer aufs Neue modern. Mit dem von Jean Tabary besonders später genial interpretierten Isnogud ist eine Figur entstanden, über die der Leser immer noch herzhaft lachen kann. 🙂
Die gesammelten Abenteuer des Großwesirs Isnogud, Buch 4: Bei Amazon bestellen
Montag, 09. März 2009
Die Bundespolizei hat die Falle ausgelegt. Die Männer sind postiert. Jetzt müssen die Schmuggler nur noch festgenommen werden. Das ist ein Kinderspiel. Ethan traut der Angelegenheit nicht. Sollte den Einsatzleuten ein Fehler unterlaufen, könnte seine Tarnung auffliegen. Diese Tarnung ist wichtiger denn je. Ethan genießt inzwischen ein großes Vertrauen im Kreise seines Chefs Van Rhinelander. Mehr noch: Ethan fühlt sich in Gesellschaft dieser Männer immer wohler.
Der Wilde Westen will nicht mehr wild sein. Das schließt den gesamten nordamerikanischen Kontinent mit ein. Neue Technik bedeutet Zukunft. Ethans Chef, Van Rhinelander, will diese Zukunft mit der Entwicklung eines autonomen Wagens ohne Pferde mitgestalten. Denis-Pierre Filippi erzählt mit einem Augenzwinkern, wie schwierig sich derlei Entwicklungen getan haben und wie sehr das Fortschrittsdenken von Unternehmern und Erfindern immer wieder auf eine sehr große Geduldsprobe gestellt wurde. Der Spott, hier von den Journalisten, darf dabei nicht vergessen werden. Doch es ist nicht nur eine schief gelaufene Premiere eines Automobils, die der Leser hier bestaunen kann. Filippi beschreibt den Zwiespalt zwischen einer echten unternehmerischen Tätigkeit und Gaunerei. Besser gesagt: organisiertem Verbrechen.
Nachdem der Leser bisher die vermeintliche Sicherheit des alten New Yorks kennen gelernt hat, brechen die Männer rund um Van Rhinelander auf in das Hinterland. Und hier, abseits einer vorsintflutlichen New Yorks, dem jedoch schon viele moderne Merkmale anhaften, ist der Wilde Westen, ebenfalls mit allen Merkmalen, allerdings den altmodischen. Mitten im Nirgendwo plant Van Rhinelander eine Fabrik. Zwei Standorte sind zur Auswahl auserkoren. Der Plan wurde bekannt. Wer das Auswahlverfahren mit dem heutiger Szenarien vergleicht, wird keinerlei Parallelen feststellen. Hier ist man seitens der Einwohner bereit, sich mit Mord und Totschlag für eine Standortentscheidung stark zu machen.
Innerhalb dieser Rahmenbedingungen bewegt sich der junge Ethan Ringler. Seine Erfahrungen, die bisher für einen jungen Mann seines Alters außergewöhnlich gefährlich waren, wenden sich nun auch etwas schöneren Angelegenheiten zu: Liebe und Freundschaft. Filippi hat seinen Helden mit einem gesunden Misstrauen ausgestattet. Für einen Menschen in seiner Position, der als Doppelagent beschrieben werden kann, ist dies auch notwendig. Jedoch hat er sich mit dieser Einstellung sehr von seinem Umfeld ausgegrenzt. Er ist der junge Mann, der für seinen Mut bewundert wird, für seine Schussfertigkeit, auch für seine Loyalität, aber sicherlich nicht für seine überbordende Herzlichkeit.
Ethan lässt sich zaghaft auf die Liebe ein, ebenso auf die Freundschaft. Andere müssen vor erkennen, auf welch menschlichen Pfade er sich begibt.
Ethan findet gerade einen Freund. Vielleicht seinen ersten. Ich respektiere das. Und Sie sollten das auch tun.
Missgunst findet sich selbst auf diesem Terrain. Autor Denis-Pierre Filippi belässt es nicht bei den eher unpersönlichen Begebenheiten des Verbrechens, sondern er gräbt tiefer als zuvor im Charakter seines Helden, entblößt, macht ihn viel menschlicher und sympathischer. Aber Autoren sind auch gemein zu ihren Helden. Filippi macht da keine Ausnahme. Ist der Held erst einmal sympathisch, lässt es sich für den Leser viel leichter mit ihm leiden. Und Filippi erreicht genau das. Da sich die Geschichte im wilderen Westen bewegt, geht er dafür, wie kann es anders sein, über Leichen.
Gilles Mezzomo zeichnet mit dem gewohnten leichten Strich. In jugendlichen Gesichtern findet er nicht immer die nötigen Unterscheidungsmerkmale, bei einprägsameren Charakteren wie Van Rhinelander und einigen seiner Gehilfen aber finden sich sehr urige Typen, die weit von einem Dutzendgesicht entfernt sind. Angesiedelt ist dieser dritte Teil der Handlung im Winter. Damals wie heute ist der Winter eine Herausforderung, hier gleichzeitig für Mensch und Tier. Eine dichte und unberührte Schneedecke liegt über dem Land. Mezzomo macht daraus etwas unwirtliches und unwirkliches. Diese kleine Ortschaft mit ihren Holzbaracken und roh gezimmerten Häusern wirkt in dieser natürlichen Umgebung wie ein Fremdkörper. Mezzomo lässt diese Atmosphäre in Unsichtbare Schatten sehr schön erlebbar werden.
Mit einer gut gegliederten und schön geschilderten Geschichte gelangt der dritte Band auf den ersten Platz. Die Titelfigur Ethan Ringler lässt den Leser an sich heran, er wirkt sympathischer als bisher. Filippi und Mezzomo liefern hier ihr Gesellenstück am Rande zur Meisterschaft ab. 🙂
Ethan Ringler 3: Unsichtbare Schatten: Bei Amazon bestellen
Sonntag, 08. März 2009
Der kleine Trupp der blau uniformierten Unionstruppen bewegt sich vorsichtig mit Ross, Reitern, Fußtruppen und Planwagen über die offene Ebene. Sie sind vorsichtig und halten Ausschau. Den Hinterhalt der Konföderierten übersehen sie. Kurz darauf krachen die Gewehre und Pistolen auf beiden Seiten des Weges. Die Unionssoldaten wehren sich, verschanzen sich und wagen einen Ausfall. Am Ende bedecken Leichen die Ebene.
Michel Blanc-Dumont ist ein Figuren-Architekt. Zufälle sind in seinen Zeichnungen ausgeschlossen. Die Geschichte aus der Zeit der Jugend von Blueberry beginnt mit einem Scharmützel zwischen Konföderierten, Südstaatlern, und Unionstruppen, Nordstaatlern. Blanc-Dumont gestaltet die Szene auf den ersten drei Seiten wortlos. Das mag natürlich auf das Skript von Autor Francois Corteggiani zurückgehen, aber letztlich spielt das für den Leser keine Rolle. Wortlos, filmisch gesprochen tonlos, zieht die Szene an einem vorüber. Man erwartet die Schmerzens- und die Todesschreie zu hören, doch sie bleiben aus.
Ob Jean Giraud oder Colin Wilson, die beiden künstlerischen Vorgänger von Michel Blanc-Dumont, keiner der beiden arbeitet mit dieser geradezu sezierenden Gründlichkeit, wie Blanc-Dumont sie an den Tag legt. Auch Giraud, der als Moebius einen viel feineren Strich fährt, erreicht nicht diese Zerbrechlichkeit der Grafiken. Blanc-Dumont verweigert sich auch der Karikatur, wie sie ein Giraud manchmal in Ansätzen verwendet, um eine optische Aussage über eine seiner Figuren zu treffen. Hier versteinert Blanc-Dumont seine Charaktere eher, engt sie ein, macht manchmal Büsten aus ihnen und verwendet gerne einen gut getroffenen Blickwinkel mehrmals.
Der Steifheit mancher Eindrücke steht die Detailfreude und der Eindruck einer möglichst anatomisch und historisch genauen Darstellung entgegen. Blanc-Dumot könnte die Bilder von alten Fotografien abgemalt haben. Menschen und Landschaft stehen hier im Vordergrund. Für Städte oder kleinere Ortschaften gibt die Geschichte keine Spielorte her.
Schattierungen werden beinahe ausschließlich über Tusche erreicht, kaum über die Kolorierung. Die so sehr plan aufgetragene Farbe trägt zur Künstlichkeit der Bilder bei. Die sehr genaue Zeichnung Blanc-Dumonts zieht das Auge heran, die Kolorierung von Claudine Blanc-Dumont stößt es wieder ein Stück zurück, hält den Leser auf einem Zuschauerplatz. Bei Jean Giraud war der Leser stärker eingebunden.
Eine Stimme aus dem Off klärt schließlich über das eingangs erwähnte Scharmützel, die Schlacht am Cumberland River, auf. Es ist eine jener ungezählten Schlachten, die neben den klangvolleren Begebenheiten historisch verblassen, obwohl sie ebenso viel Leid brachten.
Aber was geschah danach?
Egal, wer eine Schlacht gewinnt, ob beide Seiten verlieren oder sich zurückziehen, jemand muss ein Schlachtfeld aufräumen. Es sind gerade diese Arbeiten, die mit Tapferkeit nichts zu tun haben, die den Einsatz für Blueberry bedeuten. Zusammen mit seiner Einheit erreicht er den Schauplatz des Geschehens. Es werden Gräber ausgehoben und die Leichen vom Schlachtfeld getragen. Doch diesmal sind nicht alle tot. Corteggiani benutzt die indianischen Helfer auf beiden Seiten als Bindeglied zwischen den beiden verfeindeten Seiten. Beide Seiten nutzen sie, in Wahrheit arbeiten sie nur für sich.
Corteggiani führt den Leser gerne in die Irre. Zu Beginn weiß man nicht, wo die Geschichte münden wird. Als man es zu wissen glaubt, schlägt Corteggiani einen unerwarteten Haken und alles ist wieder offen. Wie das Ende, denn leider muss sich der Leser bis zur Fortsetzung gedulden, um das Ende zu erfahren.
Ein dunkles Kapitel abseits der großen Ereignisse im amerikanischen Bürgerkrieg. An der Seite von Sergeant Grayson, Blueberrys indianischem Freund, deckt der junge Abenteurer eine Verschwörung auf. Tragisch, geheimnisvoll, spannend, anders erzählt als gewöhnlich. Aber neue Besen kehren auch gut. 🙂
Blueberry 45, Die Jugend von Blueberry, 100 Dollar für den Tod: Bei Amazon bestellen
Samstag, 07. März 2009
Der Drachen fliegt. Die kleine Bul ist glücklich und zieht das viereckige Flugobjekt über den Strand. Leider bemerkt sie nicht den Kommissar Janissaire, der ihre Vergnügung mit großem Zorn verfolgt. Es darf nichts fliegen, was der Mensch geschaffen hat. Das ist Gotteslästerung. Schnell hat er das vierjährige Mädchen am Ohr gepackt. Der Kommissar hat ein gewichtiges Wort mit Buls Vater Alim zu wechseln. Genauer: Buls Vater kann etwas erleben!
Alim der Gerber könnte optisch geradewegs den berühmten Ghibli Studios entsprungen sein. Das Figurendesign einiger Menschen aus Bramhalem, jener Fantasy-Stadt aus dem Reich Jesameth, von Zeichnerin Virginie Augustin deckt sich sehr gut mit den Figuren aus der bekannten Anime-Schmiede. Allerdings legt sie diese grafische Gewichtung nur auf die hauptsächlichen Figuren. Nebencharaktere oder auch Statisten sind durchaus echter gestaltet. Ein sehr gutes Beispiel sind die gefangenen Barbaren. Augustin schafft so nicht nur sehr gute optische Abgrenzungen mit einem hohen Wiedererkennungswert, sondern auch eine große Vielfalt.
Alim und seine Tochter Bul sind ein gestalterisches Traumpaar. Unverwechselbar kommen sie für den Leser daher. Er, groß, dürr mit schmalem Gesicht und einem häufig verwirrten, manchmal auch ängstlichem Ausdruck. Bul ist die Kleine mit rundem Gesicht, die, würde man nicht die Ghibli Studios zum Vergleich anführen, auch eine Schwester von Lilo aus dem Film und der Serie Lilo und Stitch sein könnte.
Das Reich Jesameth präsentiert sich als optische, wie auch erzählte, Mixtur aus indischen, tibetischen und allgemeinen orientalischen Einflüssen. Direkt am Meer gelegen bringt es auch noch die Prise Exotik einer Hafenstadt mit sich. Eine Legende liegt dem Reich zugrunde, die Legende von Jesameth. Einst brach der mystische Krieger über das Meer auf, um die Götter zu finden, die ihre Waisenkinder, die Menschen, offensichtlich verlassen hatten. Jesameth fand die erstaunten Götter und rang ihnen eine Verbesserung menschlichen Lebens ab. So sagen es jedenfalls die Legenden.
Die Basis dieser Geschichte, der gesamten von Autor Wilfrid Lupano geschaffenen Welt, reißt selbiger Autor im nächsten Augenblick ein. Ausgerechnet jene, die Kastenlosen und Unberührbaren sind es, die das System einzureißen drohen. Dies kann natürlich nur unter der Vorraussetzung gelingen, dass ihnen auch jemand zuhört. Der Wärter, dem Pepeh, Alims Schwiegervater, eine kleine Geisterschau bietet, um seine Verwandten zu befreien, ist eher bereit, dem Humbug zu glauben, den Pepeh veranstaltet hat, als die tatsächliche Wahrheit zu erkennen, selbst wenn sie direkt vor ihm liegt. Es ist die Religion, die hier die Oberhand hat und die das Gute bringen sollte, einer Gesellschaft aber nur Fesseln anlegt. Alim und seine Verwandten bleibt nur die Flucht.
Lupano hat eine Abenteuergeschichte geschrieben, die ein wenig nostalgisch anmutet. Es weht ein Hauch des Diebs von Bagdad oder Kim – Geheimdienst in Indien hindurch. Auch wenn letzteres Beispiel natürlich in einer neueren Zeitperiode handelt. Es ist nicht so modern zu nennen wie andere Fantasy-Geschichten, die sich gerne an das Schlepptau eines HdR-Universums hängen. Die Phantastik ist unterschwellig. Sie äußert sich in der Gestaltung und vielen Kleinigkeiten, die hauptsächlich optisch auffallen. Es sind die Prozessionen, die Tiere wie die Killersirenen, die zwar nur eine kleine Nebenrolle haben, aber dennoch nicht unwesentlich zum Verlauf der Handlung beitragen. In einer der schönsten Szenen erzählt Pepeh seiner Enkelin die berühmte Legende von Jesameth, die diese Kultur erst möglich gemacht hat. Obwohl er sie nur mittels eines Schattenspiels erzählt, ist sie eine der atmosphärisch dichtesten Bestandteile der Handlung.
Viele Fragen bleiben offen. Woher kommen die Barbaren, die eingangs gezeigt werden? Wohin wollte Jesameth eigentlich genau, als er über das Meer zu seiner Reise aufbrach? Woher kommt die Angst vor dem Spiel mit den Elementen? Warum darf nichts von Menschenhand Geschaffene fliegen oder schwimmen? …
Wilfrid Lupano streut noch einige Rätsel aus, die es in den Fortsetzungen zu lüften gilt und die der Geschichte zusätzliches Volumen verleihen.
Ein dichter Auftakt mit überaus sympathischen Charakteren. Eine Geschichte, die von Wilfrid Lupano für die ganze Familie erzählt und von Virginie Augstin gezeichnet wird. Besonders von letzterer ist zu hoffen, dass es mit ihren zeichnerischen Qualitäten nicht bei dieser Serie bleiben wird. Top. 🙂
Alim der Gerber 1: Das Geheimnis des Wassers: Bei Amazon bestellen