Junge Männer brauchen eine Herausforderung, insbesondere junge Revolvermänner. Wenn sie wie der junge Roland Deschain noch ihrem Hass folgen, dann muss sich jeder hüten, der es wagt, ihnen in den Weg zu treten. Roland will seine Prüfung vor der Zeit ablegen. Seine Waffe, mit der er gegen den Lehrmeister antreten will, ist sein Falke, sein Freund. Roland ist für sein Alter impulsiv. Obwohl er eine strenge Erziehung genossen hat und er sich auch selbst zu maßregeln versteht, drängt die Jugend durch, die mit Wucht ein Problem hinfort spülen möchte. Ganz besonders dann, wenn dieses Problem ein Mensch ist, an dem sich Rache üben lässt.
In einer Prachtausgabe kann der Leser nach der Erscheinung im Originalformat vor einiger Zeit noch einmal die ersten Abenteuer von Roland Deschain nachlesen. Neben dem tollen Format erwarten den Leser 40 Zusatzseiten, die einen weiteren ungewöhnlichen Einblick in die Welt des Dunklen Turms geben.
Die Kunst von Jae Lee und Richard Isanove lag bisher nur im gewohnten Heftformat vor. In Albumform erhalten die Bilder einen qualitativen Schub, der außerordentliche Einblicke gibt. Die tolle Druckqualität untermauert den Gesamteindruck zusätzlich. Die Geschichte, der sich die beiden Ausnahmekünstler widmen, startet in der Adaption von Robin Furth und Peter David ungewöhnlich, aber nicht außergewöhnlich. Hier merkt man als Leser noch nicht die enge Verbundenheit von Furth mit dem Projekt. Sie stand Stephen King, dem Autor der siebenteiligen Romanreihe, lange als Assistentin zur Seite und betreute insbesondere Den dunklen Turm sehr stark mit. Sie ist verantwortlich für die beiden Nachschlagewerke, die als Zusatzmaterial zu der von King geschaffenen Welt erschienen sind.
Im zweiten Kapitel des vorliegenden Bandes bricht die Geschichte ohne Umschweife aus der bisherigen Vermischung von Fantasy und Western aus. Plötzlich steht der Leser dem schwarzen Mann, Martin Broadcloak, gegenüber. Mehr noch, der Leser darf einen Dialog zwischen dem Zauberer und dem Fürsten der Finsternis belauschen. Anschließend erlebt der Leser die Macht des Magiers, der sich durch einen Zaubertrick aus der Affäre zieht. Ganz klassisch erfährt der Leser, dass der Revolvermann, Roland Deschain, dereinst zur Bedrohung für den Satan werden wird.
Die Bilder wie auch die Erzählung bestechen durch ihre scheinbare Einfachheit. Eine rote Hölle schlägt dem Leser mit einer sehr intensiven Leuchtkraft entgegen. Felsnadeln recken sich einem unerkennbaren Himmel entgegen. Körperteile ragen spärlich auf Lanzen aufgespießt aus der Tiefe hervor. Ein pechschwarz glänzender Spinnenkörper mit einem vage menschlichen Gesicht weidet eher nebensächlich ein bedauernswertes Opfer aus. Daneben verläuft die Konversation zwischen Meister und Diener.
King, oder besser der für die Adaption mitverantwortliche Peter David, lässt einen wohligen Grusel entstehen. Lee und Isanove fügen durch ihre Bilder noch einen Schuss Horror hinzu. Doch Kind wäre nicht King, würde er nicht mit dem Leser Achterbahn fahren. Die Gardisten, die kurz darauf eintreffen und Martin Broadcloak verhaften sollen, werden von ihm kurzerhand in Möpse verwandelt.
Die Mixtur aus schwarzen Flächen harten Kontrasten hat einen surrealistischen Charakter. Die zumeist mit einem Grundton versehenen Seiten, die durch zusätzliche Farben eine Akzentuierung erfahren, verfeinern den Eindruck, als schaue man durch einen sehr durchsichtigen und dünnen Vorhang in diese Welt. Ein passendes Beispiel für diesen Eindruck ist der Ritt der Freunde durch den Eyebolt Canyon. Als habe der Meister des Surrealen persönlich, Salvador Dali, sich des Szenarios angenommen, so wellen sich die Felsen empor und wirken wie Schlacke. Die Auseinandersetzungen und Schießereien gegen Ende sind schließlich wieder großes Kino, für das ein Sergio Leone Pate gestanden haben könnte.
Die Geographie, Mythen und Legenden zu Mittwelt werden mit schönen (auch gruseligen) Illustrationen im Anschluss an die eigentliche Erzählung nähergebracht. Sie lesen sich wie Sagen einer anderen Welt als der Unseren, irgendwie verdreht, wie im Rausch geschrieben, aber auch anziehend und aufregend.
Lieben oder hassen: Etwas anderes gibt es nicht über die Geschichte des dunklen Turms zu sagen. Entweder man lässt sich hineinziehen, aufsaugen, mitreißen oder man wird abgestoßen. Wenn man jedoch den Zugang findet, öffnet sich eine außergewöhnlich andere und über die Maßen spannende Fantasy-Geschichte. Der dunkle Turm in dieser Form ist ein optisches Erlebnis wie in einem Traum, sagenhaft und leuchtend. Der erste Band ist ebenso prachtvoll wie seine Aufmachung. 🙂
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