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Comic Blog


Samstag, 07. März 2009

Alim der Gerber

Filed under: Abenteuer — Michael um 13:20

Der Drachen fliegt. Die kleine Bul ist glücklich und zieht das viereckige Flugobjekt über den Strand. Leider bemerkt sie nicht den Kommissar Janissaire, der ihre Vergnügung mit großem Zorn verfolgt. Es darf nichts fliegen, was der Mensch geschaffen hat. Das ist Gotteslästerung. Schnell hat er das vierjährige Mädchen am Ohr gepackt. Der Kommissar hat ein gewichtiges Wort mit Buls Vater Alim zu wechseln. Genauer: Buls Vater kann etwas erleben!

Alim der Gerber könnte optisch geradewegs den berühmten Ghibli Studios entsprungen sein. Das Figurendesign einiger Menschen aus Bramhalem, jener Fantasy-Stadt aus dem Reich Jesameth, von Zeichnerin Virginie Augustin deckt sich sehr gut mit den Figuren aus der bekannten Anime-Schmiede. Allerdings legt sie diese grafische Gewichtung nur auf die hauptsächlichen Figuren. Nebencharaktere oder auch Statisten sind durchaus echter gestaltet. Ein sehr gutes Beispiel sind die gefangenen Barbaren. Augustin schafft so nicht nur sehr gute optische Abgrenzungen mit einem hohen Wiedererkennungswert, sondern auch eine große Vielfalt.

Alim und seine Tochter Bul sind ein gestalterisches Traumpaar. Unverwechselbar kommen sie für den Leser daher. Er, groß, dürr mit schmalem Gesicht und einem häufig verwirrten, manchmal auch ängstlichem Ausdruck. Bul ist die Kleine mit rundem Gesicht, die, würde man nicht die Ghibli Studios zum Vergleich anführen, auch eine Schwester von Lilo aus dem Film und der Serie Lilo und Stitch sein könnte.

Das Reich Jesameth präsentiert sich als optische, wie auch erzählte, Mixtur aus indischen, tibetischen und allgemeinen orientalischen Einflüssen. Direkt am Meer gelegen bringt es auch noch die Prise Exotik einer Hafenstadt mit sich. Eine Legende liegt dem Reich zugrunde, die Legende von Jesameth. Einst brach der mystische Krieger über das Meer auf, um die Götter zu finden, die ihre Waisenkinder, die Menschen, offensichtlich verlassen hatten. Jesameth fand die erstaunten Götter und rang ihnen eine Verbesserung menschlichen Lebens ab. So sagen es jedenfalls die Legenden.

Die Basis dieser Geschichte, der gesamten von Autor Wilfrid Lupano geschaffenen Welt, reißt selbiger Autor im nächsten Augenblick ein. Ausgerechnet jene, die Kastenlosen und Unberührbaren sind es, die das System einzureißen drohen. Dies kann natürlich nur unter der Vorraussetzung gelingen, dass ihnen auch jemand zuhört. Der Wärter, dem Pepeh, Alims Schwiegervater, eine kleine Geisterschau bietet, um seine Verwandten zu befreien, ist eher bereit, dem Humbug zu glauben, den Pepeh veranstaltet hat, als die tatsächliche Wahrheit zu erkennen, selbst wenn sie direkt vor ihm liegt. Es ist die Religion, die hier die Oberhand hat und die das Gute bringen sollte, einer Gesellschaft aber nur Fesseln anlegt. Alim und seine Verwandten bleibt nur die Flucht.

Lupano hat eine Abenteuergeschichte geschrieben, die ein wenig nostalgisch anmutet. Es weht ein Hauch des Diebs von Bagdad oder Kim – Geheimdienst in Indien hindurch. Auch wenn letzteres Beispiel natürlich in einer neueren Zeitperiode handelt. Es ist nicht so modern zu nennen wie andere Fantasy-Geschichten, die sich gerne an das Schlepptau eines HdR-Universums hängen. Die Phantastik ist unterschwellig. Sie äußert sich in der Gestaltung und vielen Kleinigkeiten, die hauptsächlich optisch auffallen. Es sind die Prozessionen, die Tiere wie die Killersirenen, die zwar nur eine kleine Nebenrolle haben, aber dennoch nicht unwesentlich zum Verlauf der Handlung beitragen. In einer der schönsten Szenen erzählt Pepeh seiner Enkelin die berühmte Legende von Jesameth, die diese Kultur erst möglich gemacht hat. Obwohl er sie nur mittels eines Schattenspiels erzählt, ist sie eine der atmosphärisch dichtesten Bestandteile der Handlung.

Viele Fragen bleiben offen. Woher kommen die Barbaren, die eingangs gezeigt werden? Wohin wollte Jesameth eigentlich genau, als er über das Meer zu seiner Reise aufbrach? Woher kommt die Angst vor dem Spiel mit den Elementen? Warum darf nichts von Menschenhand Geschaffene fliegen oder schwimmen? …
Wilfrid Lupano streut noch einige Rätsel aus, die es in den Fortsetzungen zu lüften gilt und die der Geschichte zusätzliches Volumen verleihen.

Ein dichter Auftakt mit überaus sympathischen Charakteren. Eine Geschichte, die von Wilfrid Lupano für die ganze Familie erzählt und von Virginie Augstin gezeichnet wird. Besonders von letzterer ist zu hoffen, dass es mit ihren zeichnerischen Qualitäten nicht bei dieser Serie bleiben wird. Top. 🙂

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