Im Wald hat etwas überlebt, das es nicht mehr geben sollte. – Und wenn es nach den offiziellen Behörden geht, hat auch nichts überlebt. Deshalb hat das Massaker an der kleinen Familie auch nie stattgefunden. Der Vater ist tot, die Mutter entführt. Was der überlebende Junge auch gesehen haben mag, er ist ein Junge, wer wird einem kleinen Kind schon seine Alpträume glauben? Die Jahre vergehen. Der Junge wird erwachsen. Die Zeit bedeckt seine Erinnerungen, aber sie vergräbt sie nicht. Billy kann die immer neu hervorbrechenden Bilder nicht unterdrücken. Letztlich gibt es für ihn nur einen Ausweg, um dieses Drama ein für alle Mal zu beenden. Er muss dahin zurück, wo alles geschah.
Und Billy muss sich außerdem beeilen. Die Mordtaten mehren sich. Der Mörder geht mit äußerster Brutalität vor und scheint auch vor den seltsamsten Untaten nicht zurückzuschrecken. Als ein Autofahrer auf der Landstraße mit dem Kadaver eines Bären beworfen wird, nimmt das Unheil mit erhöhter Geschwindigkeit seinen Lauf.
Gleich drei namhafte, mit dem Grauen äußerst vertraute Künstler haben sich hier zur Erzählung eines der amerikanischen Mythen überhaupt zusammengetan: Steve Niles, Rob Zombie und Richard Corben. Steve Niles konnte dem Vampirgenre mit seinem 30 Days of Night einen neuen Schub geben. Rob Zombie liebt die Freakshow auf der Leinwand, wie er mit Haus der 1000 Leichen, The Devil’s Rejects und natürlich der Neuverfilmung von Halloween. Richard Corben liebt das Horror-Genre ebenso, aber seine Welt sind die Comics. Dort bewegt er sich allerdings gerne in verschiedenen Genres, wie mit Beiträgen zu Aliens oder Edgar Allan Poe zeigen konnte.
Nun also haben die Herren sich den Bigfoot vorgenommen. Gleich auf dem ersten Titelbild der US-Ausgabe hat Richard Corben ein Standbild eines so genannten Beweisfilms umgesetzt. Der Bigfoot, ein affenähnliches Wesen aus den kanadischen Wäldern, rennt darauf vor seinem Betrachter davon – noch einmal Glück gehabt, kann man da nur sagen. Corben entwirft einen bösen King Kong, etwas kleiner, aber durch und durch blutrünstig. Diese Kreatur, so behaart sie sein mag und so gorillaähnlich sie auch ausschauen mag, ist doch eher eine Art Urzeitmensch. Mehr noch: Er tötet, um zu fressen. Meistens jedenfalls. Nichts dürfte die Phantasie eines Lesers oder eines Zuschauers mehr anregen, als der Umstand, dass die Opfer einer Geschichte in Gefahr geraten können gefressen zu werden.
Der Trick ist nicht neu, doch er wirkt immer wieder. Die Bilder strahlen eine sehr dichte Atmosphäre aus, nicht zuletzt, weil einige Szenen bombastisch gut geworden sind. Es ist Richard Corben zu verdanken, dass man regelrecht auf das Monster wartet. Aber es ist kein Monster geworden, mit dem zu irgendeinem Zeitpunkt Mitleid zu empfinden ist. Zu groß ist die Bösartigkeit, mit der das Vieh zu Werke geht. Dieser Bigfoot ist nicht einfach nur auf der Jagd, denn er scheint sich auf Menschenfleisch spezialisiert zu werden. Andernfalls wäre es nicht zu verstehen, warum er einen 400 kg schweren Bären verschmäht.
Die Bilder, die Corben schafft, sind eindeutig nichts für zartbesaitete oder gar feinsinnige Gemüter – das sollte man von einer Geschichte, an der Rob Zombie beteiligt ist, auch nicht erwarten. Ein ganz klein wenig fühlt man sich als Leser im Kern an Der Geist und die Dunkelheit erinnert. Die Stimmung ist zuweilen ähnlich, was auch damit zusammenhängt, dass das Land eine wichtige Rolle in diesem Horrordrama spielt. Die Wälder sind unergründlich, unerschlossen und düster. Das Grauen nähert sich lautlos und es wird, wie das Titelbild des vorliegenden Bandes zeigt, von Corben unnachahmlich auf Papier gebannt.
Aber Corben leistet sich auch Ausrutscher. Manchmal verrutschen seine Figuren ins Lächerliche, erinnern sie an die allseits beliebten Wackelköpfe, wenn die Proportionen nicht mehr so stimmen, wie sie sollten. Das sind die Momente, in die Atmosphäre kurz zerstört wird und verfliegt. Vielleicht ist das ein Trick von Corben, denn in den folgenden Szenen kehrt das Grauen mit noch größerer zur Schau gestellter Macht zurück.
Ein sehr gelungenes Horrorvergnügen in stimmungsvollen Bildern. Wer schon etwas von Steve Niles las oder von Rob Zombie sah, weiß, was ihn erwartet. Alle anderen, die eher einen sanften Grusel bevorzugen, sollten erst einmal einen Blick in die Leseprobe riskieren. 🙂
Bigfoot: Bei Amazon bestellen