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Comic Blog


Freitag, 16. Januar 2009

Die Blueberry Chroniken 11

Filed under: Abenteuer — Michael um 20:32

Die Blueberry Chroniken 11 – Mister Blueberry – TombstoneMike Blueberry hat es endlich geschafft. Er hat die Armee hinter sich gelassen und kann sich ganz dem widmen, was ihm besonderen Spaß macht und ein gewisses Einkommen ermöglicht: Poker. Blueberry genießt das ruhige Leben in Tombstone, denn für Ordnung sorgen andere: Die Gebrüder Earp. Diese lebenden Legenden des Wilden Westens haben es meistens leicht mit den ganz alltäglichen Streitereien und Prügeleien. Einzig die Clantons machen ihnen etwas Sorgen. Aber das sind doch eigentlich nur dumme Bauernburschen? Mehr als ein paar Raufereien können die doch nicht anstellen?

Viel größere Sorgen machen die Indianer in dieser Gegend. Die Apachen unter ihrem Anführer Geronimo machen die Gegend unsicher, überfallen Reisende und Postkutschen. Angelockt von der lebenden Legende Mike Blueberry – der sich seiner Bekanntheit gar nicht einmal so sehr bewusst ist – ist der Schriftsteller John Meredith Campbell mit seinem Gehilfen Billy in der Gegend angekommen. Campbell möchte gerne über Blueberrys Abenteuer schreiben, aber die Gegend ist ja so furchtbar! Die kleine Zwischenstation gleicht einem Rattenloch und Tombstone ist auch nicht besser! Billy hingegen ärgert sich nicht über den Schmutz, der allerorten durch die Ritzen dringt. Es muss mit Schaudern feststellen, dass die Indianer von den Weißen für fünf Dollar pro Skalp gejagt werden – auch vor Frauen und Kindern wird dabei nicht Halt gemacht.

Tombstone, so die zusammenfassende Überschrift des vorliegenden 11. Bandes der Blueberry Chroniken, nimmt den Leser mit in einen jener legendären Abschnitte der Geschichte des Wilden Westens. Namen wie Buffalo Bill, Billy The Kid, Annie Oakley oder Sitting Bull sind untrennbar mit diesen modernen Mythos verbunden, zum dem es nichts Vergleichbares in der alten Welt gibt. Jean Giraud, der nach dem Tod von Jean-Michel Charlier die Serie um Blueberry auch als Autor fortsetzte, nimmt sich in dieser Ausgabe Wildwest-Ikonen wie Geronimo und Wyatt Earp an.

Haben Verfilmungen Wyatt Earp eher glorifiziert (insbesondere das berühmte Duell am O.K. Corral) und Geronimo zuweilen verteufelt, gestattet sich Giraud hier einen vielschichtigeren Blick auf das Geschehen. Es gibt hier nicht sehr viele Beteiligte, die keine Gauner sind. Die Earps nutzen die Gesetzeshüterei, um sich als Herren der Stadt aufzuspielen und eine gewisse Vornehmheit an den Tag zu legen. Die McLaurys und die Clantons treiben ihr Gaunerspiel in der Verkleidung von Indianern und schieben die Überfälle Geronimo und seinen Gefolgsleuten in die Schuhe. Und Geronimo selbst möchte nur sein Volk schützen und zuweilen Rache üben.

Keine Seite steht hier mit weißer Weste da. Blueberry muss zum Teil hinter den Ereignissen zurücktreten, wird sogar zum Zuschauen verdammt, als ihm in den Rücken geschossen wird und er nur knapp dem Tod entgeht. Damit er nicht tatenlos nur zusehen muss, erinnert er sich – und diese Erinnerungen haben es in sich, wie auch der Schriftsteller Campbell anerkennen muss.
Jean Giraud nimmt sich viel vor. Für den Leser gibt es sehr viele Figuren, viele Haupthandlungslinien und Nebenhandlungen. Man hat zeitweilig den Eindruck, als habe Giraud sich nicht lumpen lassen wollen und so läuft hier zwar eine überschaubare Anzahl von Erzählsträngen nebeneinander her und aufeinander zu, aber diese sind jeweils so komplex, dass Giraud auch ruhig auf das eine oder andere hätte verzichten können. Es ist spannend, zweifellos, aber es hätte auch nicht geschadet aus einem Album vielleicht zwei zu machen.

Wo sich seine erzählerischen Schwächen zeigen, weil er sich zuviel vornimmt, zeigen sich gleichermaßen seine zeichnerischen Qualitäten, die seit den Anfangstagen von Blueberry deutlich gereift sind. Die vorliegenden Geschichten Mister Blueberry, Schatten über Tombstone und Geronimo, der Apache, entstanden zwischen 1995 und 1999, kommen viel zerbrechlicher daher als in jenen Tagen, da Giraud noch nicht Moebius war. In den frühen Tagen hatte Giraud einen beinahe brachial zu nennenden Tuschestrich. Diese Ausführung wurde später viel exakter, weniger künstlerisch expressiv, als vielmehr künstlerisch architektonisch. Eine sehr konstruierte Art wie im Jugendstil lässt sich nicht leugnen.

Giraud ist ein Zeichner, der sich auf unterschiedlichsten Gebieten bewähren kann. Landschaften, Gebäude, Fuhrwerke, Tiere (insbesondere Pferde) und natürlich Menschen bewältigt er gleichermaßen mühelos. Man mag ihm nur vorwerfen, dass die Gesichter, die er auf das Papier zaubert, leicht einer charakterlichen Linie zuzuordnen sind. Der Gangster, der Killer, der Gentleman-Gauner, der dumme Halsabschneider, die bezaubernde Saloon-Sängerin, der leicht trottelige und ewig verfressende Schriftsteller, die Räuber-Mutter (nicht Rabenmutter), die Ma Clanton heißt, aber an Ma Dalton erinnert … Jedem zeichnet Giraud Herz und Verstand ins Gesicht. Und Blueberry? Gemäß seiner realen Vorlage Belmondo und dessen Filmrollen ist der Wildwestheld ein Hans Dampf in allen Gassen mit einer gehörigen Portion Glück im Gepäck.

Interessant ist, welchen Wandel Blueberrys Aussehen in diesem Band durchläuft. Zuerst ist er der smarte Spieler, gepflegter als gewöhnlich. In Rückblicken ist er ein verwahrloster Landstreicher. Als angeschossener Spieler ist er zunächst der arme unrasierte Junge, bis er durch die Pflege einer Frau fast schon so etwas wie ein Paradekranker wird, ein Blueberry, wie er optisch nie besser und herrschaftlicher aussah.

Eine sehr verstrickte Handlung, die hier den Vorteil hat, dass sie am Stück gelesen werden kann. Wer in den 90er Jahren auf die Fortsetzungen warten musste, hatte nur die Wahl des ständigen Neueinstiegs in die Geschichte. Einmal aber in der Geschichte angekommen, wird der Leser festgehalten und auch von der grafischen Schönheit und der Perfektion der Bilder gefangen genommen. Ein klassisch überhöhter Western mit allem, was sich der Leser vom Wilden Westen nur wünschen kann. 🙂

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