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Comic Blog


Dienstag, 30. Dezember 2008

Die Chroniken von Centrum

Filed under: SciFi — Michael um 15:34

Die Chroniken von CentrumDie Welt leidet an der Überbevölkerung. Aus diesem Grund werden in regelmäßigen Abständen einige Mitbürger ausgesondert. Es existieren hierfür keine Vorgaben. Es kann jeden treffen, arm oder reich, alt oder jung, das Los entscheidet. Für diese Fälle gibt es die Frettchen. Die Frettchen erhalten ihre Zielvorgabe, kurz darauf wird das Ziel von ihnen liquidiert. Ein Frettchen ist das beste von allen. Dies ist seine Geschichte in den Chroniken von Centrum. Jules, sein Wohnungscomputer, gibt ihm die nötigen Informationen und schickt ihn quer durch die Stadt. Stadt? Centrum ist weit mehr als das. Es ist ein chaotisches Sammelbecken.

Der Großteil der Bevölkerung lebt im Dreck, im ewig andauernden Regen, im Zwielicht, im Smog. Der restliche sehr, sehr kleine Teil lebt im wahrsten Sinne unter einer Schutzglocke, beschützt von allerbester Technik – doch auch sie sind vor Frettchen von der Volkskontrolle nicht gefeit. Für diese sind Aufträge unter der Glocke die Sahnehäubchen. Neben frischer Luft gibt es dort sogar Bäume, Tiere und klares Wasser. In einem sind sich beide Zonen, die der armen und die der reichen Bevölkerung, allerdings gleich. In beiden gibt es bisweilen Ziele, die sich der Liquidierung entziehen wollen – oder sich sogar wehren.

Jean-Pierre Andrevon schrieb selbst die Romanvorlage zur seiner Comic-Umsetzung und schlägt mit seiner Handlung ganz eindeutig eine Richtung ein, wie es sie schon in Blade Runner gab. Ridley Scott hat mit seiner Verfilmung einer Geschichte von Philip K. Dick einen optischen Grundstein und ein emotionales Fundament für ähnlich gelagerte Zukunftsaussichten geschaffen. Und so könnten sich Die Chroniken von Centrum beinahe nahtlos in jene Vorgaben einfügen.

Gleichwohl gibt es natürlich auch andere Blickwinkel. Der Umgang mit der Überbevölkerung könnte als Verbeugung vor anderen Klassikern des Genres wie Soylent Green verstanden werden. Die Jagd auf Menschen – auch den sportlichen Charakter des Jobs, den das Frettchen empfindet – erinnert zuweilen an Themen wie The 10th Victim (sicherlich auch eine Inspiration für Running Man). Der Lebensüberdruss ist hier allerorten spürbar. Wenn jemand einen Goldfisch als Haustier schon für etwas ganz besonderes hält, Menschen hingegen gnadenlos richtet, dann ist etwas faul im Staate Dänemark.

Es fällt schwer, Sympathie für die Hauptfigur zu empfinden – zumindest anfänglich – da er sich einem normalen Leben völlig verschließt. Erst im Verlauf der Geschichte, wenn er doch wieder (wie es sich herausstellt) von der Liebe eingeholt wird, kann auch der Leser mitleiden, denn das Quäntchen Hoffnung in dieser Welt kann einfach nicht überleben.

Grafisch findet sich der Betrachter hier auf den Spuren des Euro-Mangas wieder, zum Beispiel in der Form von Kazandou. Aber die zeichnerische Stil wirkt auch an Zeichner wie Scott Kolins angelehnt, den der Rächer-Fan in einigen Episoden rund um Captain America bewundern durfte. Auch die eher weiche Grafik eines Mike Wieringo (u.a. Die Fantastischen Vier) ist zu finden. Afif Khaled zeichnet die Bilder des Centrums ebenso zerbrechlich, aber auch kantiger, zerbrochener, was durchaus auch als stilistisches Mittel passt. Dieser sehr offene grafische Stil der feinen Zeichnung lässt dem Kolorieren alle Möglichkeiten.

Khaled selbst auch diese Arbeit übernommen und beweist sehr schnell, warum er sich bei den Zeichnungen vergleichsweise zurückhält. Er scheint nahezu alles zu nutzen, was ein Computer in Sachen Kolorierung erst möglich gemacht hat. Dabei bleibt er weitgehend düster und bewegt sich je nach Grundstimmung einer Szene immer in einer eng umgrenzten Farbpalette. Der entstehende Eindruck – auch hervorgerufen durch teilweise hart abgegrenzte Farbabstufungen – ist filmisch, vergleichbar mit einem besseren Anime.

Nicht das neueste Grundszenario, aber mit einigen neuen Ideen, allemal spannend, für SciFi-Fans ein wenig wie ein Besuch in der Nachbarschaft. Die grafische Umsetzung ist gelungen, teilweise beeindruckend, ganz besonders, wenn Khaled sein Augenmerk auf Umgebungen richtet. 🙂

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