Bei Artemis Fowl könnte es sich um das intelligenteste Lebewesen der Welt handeln. Leider hat ihm das Schicksal übel mitgespielt. Seine Mutter trauert dem verlorenen Ehemann hinterher, Artemis’ Vater, und hat darüber eine leicht verschobene Sichtweise auf die Realität erhalten – milde ausgedrückt. Das Familienerbe ist auch nicht mehr das, was es war. Artemis muss dringend Geld zur Erhaltung des Landsitzes verdienen. Es stört nicht weiter, dass Artemis erst 12 Jahre alt ist, denn er hat tatkräftige und loyale Unterstützung in Butler, seinen Leibwächter und Diener.
Aber wie könnte Artemis an das benötigte Geld kommen? Ein Hinweis auf die magische Welt hilft ihm weiter. Er will die Elfen bestehlen und ersinnt dazu einen waghalsigen und doch sehr durchdachten Plan. Bei aller Planung ist das Vorhaben alles andere als ungefährlich. Die Elfen dieser Zeit verlassen sich nicht nur auf Magie, sondern auch auf >Hightech. Mit großer Wachsamkeit verfolgen sie das Verhalten anderer magischer Gestalten und ahnden Fehlverhalten umgehend, da die Menschen nicht auf ihre letzten einsamen und sorgsam verborgenen Enklaven aufmerksam werden sollen. Aber das ist leichter gesagt, als getan, denn nicht jedes magische Lebewesen will sich etwas von den Elfen sagen lassen.
Mit den Geschichten um Artemis Fowl ist Eoin Colfer etwas gelungen, was sich schon viele Autoren vorgenommen haben, aber nur in wenigen Fällen so richtig gut gelungen ist. Elfen, Zwerge, Trolle, sogar Zentauren sind hier zu finden. Colfer hat seine magischen Figuren nicht nur in die Gegenwart geschickt, er hat es auch nicht versäumt, diese Figuren seiner ganz persönlich kreierten Welt anzupassen. Gänzlich löst er sich natürlich nicht von den Vorgaben. Aber die Trolle sind furchtbarer, die Zwerge eher eine Mischung aus Hamster und Maulwurf und die Elfen sind eher ein wenig bienig, insektenartig, weniger die langbeinigen Geschöpfe, wie sie sonst bekannt sind.
Spuck den Gefangenen aus!
Andrew Donkin hat Colfer bei der Comic-Umsetzung tatkräftig unterstützt, legt aber ein Hauptaugenmerk auf die unheimlichen Aspekte der Geschichte und lässt den Humor zumeist außen vor. Bei manchen Charakteren kann er Colfers Witz nicht ganz abschalten. Mulch Diggums, der Zwerg, der in der Not benötigt wird, ist das beste Beispiel hierfür. Obiges Zitat steht für eine besondere Art der Verteidigung von Diggums. Manchmal ist es einfach das leichteste seine Feinde zu fressen – oder wenigstens teilweise.
Anleihen aus HdR & Co. werden keine genommen, das ist auch nicht notwendig, bieten doch real existierende Mythen genügend Grundlagen, um die Welt dieser magischen Geschöpfe zu gestalten. Zur Fremdartigkeit der Figuren – die selbst bei Artemis Fowl und seiner Leibwächter Butler zu finden ist – gesellen sich noch exotische Orte, entweder im wahrsten Sinne des Wortes oder doch wenigstens geisterhaft verwunschen wie das Anwesen von Artemis oder die Heimstatt der Elfen. Da die Welt recht komplex ist – und sicherlich in der Romanvorlage zum Comic viel detailfreudiger geschildert werden kann – werden die einzelnen Kapitel von Steckbriefen eingeleitet, die wichtige Bestandteile (wie eben Charaktere oder auch Gegenstände) noch einmal kurz inhaltlich umreißt.
Für die grafische Umsetzung wurden ganz bewusst filmische Effekte gewählt. Giovanni Rigano zeichnet leicht mangaesk aussehende Figuren. Die Zeichnungen wirken auf den ersten Blick schlicht, sind aber jedes Mal sehr exakt aus dem gewählten Blickwinkel getroffen und nichts wird dem Zufall überlassen. Ähnlich wie ein Guy Davis überlässt Rigano seinem Koloristen Paolo Ramanna einen großen Teil der Arbeit. Und hier kann Ramanna gar nicht genug gelobt werden. Denn er schafft aus den Bildern tatsächlich kleine filmische Bilder, die geradewegs aus einem Zeichentrickfilm entnommen sein können.
Ramanna arbeitet mit sehr feinen Farbübergängen, leichten Unschärfen – zur Unterstützung des Filmeffekts – und verwendet meistens sehr düstere Farbspiele. Dadurch kann schöne Kontraste einsetzen und mit Beleuchtungen experimentieren – eigentlich das falsche Wort dafür, denn zweifellos weiß er ganz genau, was er macht. Da Technik und Magie in dieser Geschichte ein Stelldichein haben, nutzt Ramanna jede Gelegenheit, um bei Eindrücke miteinander effektreich zu verbinden. Monitore, Nachtsichtgeräte und andere optische Hilfen ermöglichen verschiedene Sichtweisen, die den Leser auch stets den Blickwinkel eines bestimmten Charakters einnehmen lassen.
Als eigenständiges Werk konzipiert kann es völlig als tolle, etwas andere Fantasy-Geschichte überzeugen. Die Bilder sind wunderbar geworden und fangen die Atmosphäre dieser ganz eigenen Welt perfekt ein. Artemis Fowl verweigert sich in weiten Teilen einem Vergleich, was die Handlung unvorhersehbar macht und die Spannung auf die Spitze treibt. Erste Klasse! 🙂
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