Eigentlich ist die Stadt mit genügend Schwierigkeiten beschäftigt. Die Kommunalwahlen stehen kurz bevor und da will man sich doch auf die wichtigen Dinge des Lebens besinnen: Politik, Ordnung, gesunder Lebenswandel – und keinesfalls auf Mord. Canardo hatte sich zwischenzeitlich auf eine einfache Überwachung einer untreuen Ehefrau gefreut – na, er hatte sich darauf eingestellt. Canardo freut sich nicht mehr auf besonders viele Dinge. Er ist eigentlich nur erfreut, wenn etwas geschieht, das ihn aus diesem doch sehr langweiligen Trott herausreißt. So etwas wie Mord zum Beispiel.
Kommissar Garenni, langohrig, stets ein wenig hektisch, ein wenig ängstlich und überfordert (ganz besonders gegenüber seiner Frau), freut sich über Canardos Mithilfe, der auch gleich mit seiner allseits beliebten schnoddrigen Art zu Werke geht. Der Mord, so zeigt es sich schnell, ist recht unspektakulär. Keine Spuren eine Kampfes, nur eine Tote mit einem sauberen Einschußloch im Rücken. Sicherlich, die Tote ging dem horizontalen Gewerbe nach, doch ansonsten lebte sie sehr ruhig. Der Täter hat die Wohnung ordentlich zurückgelassen – bis auf ein verwüstetes Regal, in dem die Tote eine Sammlung von Pornofilmen aufbewahrte. Doch hier versiegt die Spur zunächst.
Sokal schickt seinen Ermittler Canardo mitten hinein in den Kleinstadtmief, mitten unter die Menschen mit ihren kleinen und großen Sehnsüchten, hinter die Fassaden. Ein Mord im Milieu ist da zwar zuerst etwas anrüchig, aber auch nicht besonders aus dem Rahmen fallend.
Wenn Sie wissen, was er suchte, haben Sie das Motiv. Viel Spaß noch, Herr Kommissar. Bis dann.
Mit dieser allgemein bekannten Aufgabe für Ermittler verabschiedet sich Canardo in die Nacht. Und hier geht es erst so richtig los. Aus einem Mord werden mehrere. Allein das strengt Canardos Gehirn mächtig an, bringt Garenni in noch größere Schwierigkeiten mit Zwangsversetzung. Nebenbei läuft noch die Observierung der Frau des bekannten Politikers Dubonot, der auf eine Wiederwahl spekuliert. Dubonot ist der festen Überzeugung, dass er von seiner Frau betrogen wird. Nur kann Canardo keinen Liebhaber ausfindig machen. Trotzdem stimmt etwas nicht mit Madame Dubonot. Nein, etwas stimmt ganz und gar nicht.
In einer tierfigürlichen Welt, einer Karikatur jener Happy-Gestalten, wie sie sich bei Onkel Disney & Co finden, herrschen dank Sokal zwei Charakteristika vor: Die Ernsthaftigkeit eines freitäglichen Abendkrimis im Stile eines Alten und die hintergründige Ironie eines Raymond Chandler. Aber Sokal hat mit Canardo einen Helden geschaffen, der sich zwar bemüht, einer Figur wie dem Detektiv Philip Marlowe nahe zu kommen, es aber nicht schafft. Denn ein Mord wirft Canardo immer noch ein wenig aus der Bahn, zerrüttet sein Weltbild, obwohl er sich doch immer mannhaft klar zu werden versucht, dass Mörder eben Mörder sind und das ist eben so, wie es ist. Also, cool bleiben.
Der Witz stellt sich hier – nicht zuletzt wegen der Charakterzeichnungen – auf leisen Sohlen ein. Ein besonderes Merkmal findet sich immer in einer Figur oder einer Szene, so dass eine weitere Zwiebelhaut abgeschält wird.. Sokal ist es durchaus ernst mit seinen Geschichten. So verzichtet er weitgehend auf Bonbonfarben, die sonst stets mit Figuren, die Tierköpfe haben, einher gehen. Die Strichführung ist passend und üblich, doch die Farben sind gedeckt, mit einem Stich ins Gräuliche, ins Vorstädtische möchte man meinen. Jedenfalls kehrt Sokal so ein Stück Atmosphäre in den Vordergrund, der wichtig ist für die ständige Bedrohung, der sich die Menschen hier ständig ausgesetzt sehen – im Kleinen wie im Großen.
Eine weitere bittere Pille für Canardo, für ihn schwer zu schlucken, da er doch weit menschlicher ist, als er sich selbst eingestehen will. Ein leiser Krimi mit vielen humoristischen Untertönen und ein wenig Gesellschaftskritik – ohne die ein Krimi kaum auskommt. Spannend nachdenkliche Unterhaltung, für Fans von Canardo unverzichtbar.
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