Mittwoch, 31. Dezember 2008
Im Fegefeuer ist alles anders. Es brennt zum Beispiel nichts. Alles ist irgendwie klapprig. Kein Wunder, sind doch alle, die hier ankommen, ihrer Knochen verlustig gegangen und fristen nun ihr fleisch- und glückloses Dasein in einer Art Pseudogesellschaft, die kaum mit solchen vergleichbar sind, wie sie die Elenden noch von der Erde her kannten. Als ein ganz besonderer Neuankömmling – er erhält den neuen Namen Mardi-Gras Aschermittoch – diese Welt betritt, schöpfen einige Bewohner Hoffnung. Denn dieses Skelett war in seinem früheren Leben ein Kartograph. Mit seiner Hilfe sollte es endlich gelingen eine Karte dieser Welt zu erstellen – und vielleicht einen Ausweg zu finden.
Doch in einer Welt, in der ein Schluck Kaffee eine der höchsten Wonnen bedeutet, sind noch viele andere Aspekte zu beachten. Die Machtverhältnisse sind merkwürdig, ihre Beweggründe nicht immer zu verstehen. Hinzu kommt eine gewisse Beschaffungsschwierigkeit. Zwar kommen immer wieder einige Teile zusammen mit Neuankömmlingen von anderen Seite her durch, nur nicht immer das, was gerade gebraucht wird. Mardi-Gras’ Aufgabenstellung scheint unmöglich zu erfüllen sein.
Eine Karte fertigt man an, um die Topographie und alle Koordinaten zu erfassen, mit Hilfe von Luftbildern. Ganz zu schweigen von Ihren Beschaffungsmethoden! Sie sind wie dieses Teleskop … Reichlich abwegig!! Und was ist mit Papier, Feder, Stuhl, Schreibtisch? Sie haben gar nichts!
Schließlich willigt Mardi-Gras doch ein. Denn es geht um seine Seele. Aber selbst seine sehr eingeschränkte Physiognomie macht keinen Hehl aus der Tatsache, dass er vollkommen illusionslos an seine Arbeit herangeht. Éric Liberge führt den Leser nach dem Auftakt im ersten Teil noch tiefer in diese fremdartige Welt der Toten – oder sollte man sagen: der Verdammten – die in mancherlei Szenen recht tiefsinnig ist und sich allein dadurch schon von anderen Geschichten abhebt.
Geschmack! Ob es Teufelswerk ist, auf die eine oder andere Weise Zugang zu den schönsten Leckereien zu haben, aber den Geschmack aus seiner Erinnerung zu ziehen? Verzweiflung ist vielfach die Antwort. Manchmal entzieht sich der Mensch – oder das, was aus ihm geworden ist – aber durch schiere Ignoranz. Würde es Sand zwischen Planeten geben, würde er seinen Kopf hineinstecken. Wenn ich es nicht sehe, sieht es mich auch nicht. Mit Mardi-Gras hat Éric Liberge jedoch einen aufmüpfigen Charakter geschaffen, der angesichts dieser Mentalität in eine erfrischende Wut gerät. Allerdings auch eine, die ihn Hals über Kopf losrennen lässt. Der Ärger ist, der Leser kann es sich denken, durch diese beiden Extreme vorprogrammiert.
Ist die Handlung als solche erfrischend anders, spannend auf ihre dramatische und auch traurige Art, aber auch aufregend, da man als Leser an der Seite von Mardi-Gras auf Entdeckungstour ist, sind die Zeichnungen erst recht sehr ungewöhnlich.
Die Bilder sind, nicht zuletzt durch die skelettartigen Akteure bedingt, sehr feingliedrig aufgebaut. Die vorherrschende Stimmung ist dunkel. Es ist eine Welt des stetigen Verfalls und Untergangs. Wunden schließen sich nicht, nichts heilt. Skelette, die Knochen einbüßen mussten, sehen sich gezwungen, sich mit anderen Materialien zu reparieren. Die optischen Eindrücke, die Éric Liberge hieraus kreiert, sind schlichtweg phantastisch zu nennen. Das betrifft einerseits die grafische Technik, andererseits das Endergebnis. Manche Ausblicke, halb- oder auch ganzseitig, die einfach in ihrer Ausführung wirken, zeugen von großem handwerklichen Können.
Tumultartige Versammlungen der Skelette, Verkleidungen, Schiffe, die über schartig aussehenden Oberflächen schweben, verdeutlichen das optische Ende aller Tage, wie es die Nennung eines Infernos in den Köpfen des Lesers hervorruft. Das liegt auch an der vorherrschenden der beschriebenen Welt. Alles ist hier altertümlich, ein weiterer Garant für eine gruselige Atmosphäre, für eine Gespenstergeschichte im Sinne eines Wilhelm Hauff oder Oscar Wilde. Modernes sucht der Leser hier vergebens. Das modernste – oder eines der modernsten – Instrument dürfte ein Sextant sein. Éric Liberge gelingt das grafische Kunststück, mit vereinzelten Skeletten Sympathien beim Leser zu wecken, nicht zuletzt mit Mardi-Gras Aschermittwoch persönlich.
Eine spannende, dramatische, fast schon philosophisch zu nennende Fortsetzung. Ein wenig verzwickt vielleicht, nicht immer eingängig auf den ersten Blick, aber Leser sollen und wollen auch mal gefordert werden. Sehr anders und sehr gut. 🙂
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Dienstag, 30. Dezember 2008
Die Welt leidet an der Überbevölkerung. Aus diesem Grund werden in regelmäßigen Abständen einige Mitbürger ausgesondert. Es existieren hierfür keine Vorgaben. Es kann jeden treffen, arm oder reich, alt oder jung, das Los entscheidet. Für diese Fälle gibt es die Frettchen. Die Frettchen erhalten ihre Zielvorgabe, kurz darauf wird das Ziel von ihnen liquidiert. Ein Frettchen ist das beste von allen. Dies ist seine Geschichte in den Chroniken von Centrum. Jules, sein Wohnungscomputer, gibt ihm die nötigen Informationen und schickt ihn quer durch die Stadt. Stadt? Centrum ist weit mehr als das. Es ist ein chaotisches Sammelbecken.
Der Großteil der Bevölkerung lebt im Dreck, im ewig andauernden Regen, im Zwielicht, im Smog. Der restliche sehr, sehr kleine Teil lebt im wahrsten Sinne unter einer Schutzglocke, beschützt von allerbester Technik – doch auch sie sind vor Frettchen von der Volkskontrolle nicht gefeit. Für diese sind Aufträge unter der Glocke die Sahnehäubchen. Neben frischer Luft gibt es dort sogar Bäume, Tiere und klares Wasser. In einem sind sich beide Zonen, die der armen und die der reichen Bevölkerung, allerdings gleich. In beiden gibt es bisweilen Ziele, die sich der Liquidierung entziehen wollen – oder sich sogar wehren.
Jean-Pierre Andrevon schrieb selbst die Romanvorlage zur seiner Comic-Umsetzung und schlägt mit seiner Handlung ganz eindeutig eine Richtung ein, wie es sie schon in Blade Runner gab. Ridley Scott hat mit seiner Verfilmung einer Geschichte von Philip K. Dick einen optischen Grundstein und ein emotionales Fundament für ähnlich gelagerte Zukunftsaussichten geschaffen. Und so könnten sich Die Chroniken von Centrum beinahe nahtlos in jene Vorgaben einfügen.
Gleichwohl gibt es natürlich auch andere Blickwinkel. Der Umgang mit der Überbevölkerung könnte als Verbeugung vor anderen Klassikern des Genres wie Soylent Green verstanden werden. Die Jagd auf Menschen – auch den sportlichen Charakter des Jobs, den das Frettchen empfindet – erinnert zuweilen an Themen wie The 10th Victim (sicherlich auch eine Inspiration für Running Man). Der Lebensüberdruss ist hier allerorten spürbar. Wenn jemand einen Goldfisch als Haustier schon für etwas ganz besonderes hält, Menschen hingegen gnadenlos richtet, dann ist etwas faul im Staate Dänemark.
Es fällt schwer, Sympathie für die Hauptfigur zu empfinden – zumindest anfänglich – da er sich einem normalen Leben völlig verschließt. Erst im Verlauf der Geschichte, wenn er doch wieder (wie es sich herausstellt) von der Liebe eingeholt wird, kann auch der Leser mitleiden, denn das Quäntchen Hoffnung in dieser Welt kann einfach nicht überleben.
Grafisch findet sich der Betrachter hier auf den Spuren des Euro-Mangas wieder, zum Beispiel in der Form von Kazandou. Aber die zeichnerische Stil wirkt auch an Zeichner wie Scott Kolins angelehnt, den der Rächer-Fan in einigen Episoden rund um Captain America bewundern durfte. Auch die eher weiche Grafik eines Mike Wieringo (u.a. Die Fantastischen Vier) ist zu finden. Afif Khaled zeichnet die Bilder des Centrums ebenso zerbrechlich, aber auch kantiger, zerbrochener, was durchaus auch als stilistisches Mittel passt. Dieser sehr offene grafische Stil der feinen Zeichnung lässt dem Kolorieren alle Möglichkeiten.
Khaled selbst auch diese Arbeit übernommen und beweist sehr schnell, warum er sich bei den Zeichnungen vergleichsweise zurückhält. Er scheint nahezu alles zu nutzen, was ein Computer in Sachen Kolorierung erst möglich gemacht hat. Dabei bleibt er weitgehend düster und bewegt sich je nach Grundstimmung einer Szene immer in einer eng umgrenzten Farbpalette. Der entstehende Eindruck – auch hervorgerufen durch teilweise hart abgegrenzte Farbabstufungen – ist filmisch, vergleichbar mit einem besseren Anime.
Nicht das neueste Grundszenario, aber mit einigen neuen Ideen, allemal spannend, für SciFi-Fans ein wenig wie ein Besuch in der Nachbarschaft. Die grafische Umsetzung ist gelungen, teilweise beeindruckend, ganz besonders, wenn Khaled sein Augenmerk auf Umgebungen richtet. 🙂
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Sonntag, 28. Dezember 2008
Eine Sportübertragung im Fernsehen – genauer ein Endspiel der Computerspieler – und eine Platte mit fettigem Essen, eine Flasche Bier, was will der Mensch, Verzeihung, der Homer mehr? Vielleicht ein neues verbessertes Bier? Als Homer die Reklame zum neuen verbesserten Duff im Fernsehen sieht, ist es jedenfalls gleich um ihn geschehen. Was könnte schöner sein als eine verbesserte Variante seines heiß und innig geliebten Getränks?
Sogleich macht er sich auf den Weg, den neuen Nektar auszuprobieren, der angeblich – so der Werbespruch – auf kaltem Feuer gebraut worden sein soll. Doch wie Lisa so treffend feststellt: Das ergibt keinen Sinn. Bald muss auch Homer einsehen, dass eine Verbesserung eines Produktes nicht unbedingt eine wirkliche Verbesserung sein muss. Das neue verbesserte Duff schmeckt grauenhaft.
Was tun? Heißt es nicht, dass der Verbraucher eine gewisse Macht besitzt? Bei der nächsten Sitzung der Duffco-Aktionäre macht sich Homer daran, diese These auf die Probe zu stellen. Und …
Bier!!! Das Getränk des Mannes, nicht Whisky, schon gar nicht Wein, nein, Bier! Dunkles, helles, irgendwelche farblichen Zwischentöne – nur nicht mit Limonade gemischt oder gar flavoured mit irgendeinem Knös – Hauptsache, Bier!!! Diese Vorstellung ist nicht amerikanisch, sie ist mannisch (vielleicht auch manchmal manisch, wer weiß?) Und doch gibt es immer wieder einmal irgendwelche besonderen Ultraschlauen, die meinen, sie hätten den besseren Geschmackssinn und müssten etwas besonders gutes noch besser machen.
Das kann ja nur schief gehen. Homers zarter Geschmackssinn verträgt diese Neuerung jedenfalls nicht: Das kann kein Duff sein! Das schmeckt ja wie Spucke!
So wird dank Erzähler Chuck Dixon aus einer Geschmacksverbesserung eine Odysse um die Welt. Vier Männer, beseelt vom Gedanken auf eine bessere Bierzukunft, machen sich auf, um den wahren Vater von Duff zu finden, der von den neuen Firmenchefs gefeuert wurde. Aus Homer wird Primat der Karibik und gleichzeitig entsteht so ein albernes Feuerwerk, wie es lange nicht mehr bei den Simpsons zu lesen war – ja, es gibt noch Steigerungen!
John Costanza scheint dieses Abenteuer sehr gemocht zu haben. Darf er doch Homer auf Indiana Jones’ Spuren schicken und kleine Männer mit Speeren auftreten lassen, deren Auftritt an die Ewoks erinnert. Da man gerade auf einer Insel ist, kann in einer weiteren Anspielung auch gleich Lost herangezogen werden. Zeichnerisch gibt es (wieder einmal) nichts zu bemängeln. Die Simpsons schauen aus wie immer. Als Leser fühlt man sich wie zuhause.
Mehr Action, mehr Anspielungen, weniger Bier: Ein neuer kleiner Höhepunkt der Reihe. Wenn Homer eine Reise tut – auch noch für einen guten Zweck: Bier – dann möge das Chaos zu uns kommen. Perfekter Spaß aus dem Hause Groening. 🙂
Hugh Jackman kehrt endlich wieder in seiner besten Rolle auf die Leinwand zurück: Wolverine! Das wird natürlich Marvel-Fans ganz besonders freuen – so wie mich – aber auch solche, die sich alleine mit den drei vorhergehenden X-Men-Filmen anfreunden konnten. Jetzt ist der Trailer zur Wolverine-Verfilmung online. Neben der Entstehungsgeschichte dieser faszinierenden Figur – ganz gleich, ob sie dem Superhelden-Genre entspringt oder nicht – finden sich auch eine Reihe von altbekannten Gesichtern (aus den Comics) sowie ein paar neue, auf die man als Fan schon gewartet hat.
Trailer auf Youtube
X-Men Origins: Wolverine auf IMDB
Gespannt sein darf man, denke ich, auf Liev Schreiber, der bereits in Kate und Leopold an der Seite von Hugh Jackman spielte, diesem aber hier als Sabretooth gegenüber steht und Genre-Fans vielleicht schon aus Scream 2 und 3 und der Neuverfilmung von Das Omen her bekannt ist. Vielverprechend ist es allemal. Wenn die Qualität der X-Men-Filme erreicht wird, kann es nur gut werden. 🙂
Samstag, 27. Dezember 2008
Bei Artemis Fowl könnte es sich um das intelligenteste Lebewesen der Welt handeln. Leider hat ihm das Schicksal übel mitgespielt. Seine Mutter trauert dem verlorenen Ehemann hinterher, Artemis’ Vater, und hat darüber eine leicht verschobene Sichtweise auf die Realität erhalten – milde ausgedrückt. Das Familienerbe ist auch nicht mehr das, was es war. Artemis muss dringend Geld zur Erhaltung des Landsitzes verdienen. Es stört nicht weiter, dass Artemis erst 12 Jahre alt ist, denn er hat tatkräftige und loyale Unterstützung in Butler, seinen Leibwächter und Diener.
Aber wie könnte Artemis an das benötigte Geld kommen? Ein Hinweis auf die magische Welt hilft ihm weiter. Er will die Elfen bestehlen und ersinnt dazu einen waghalsigen und doch sehr durchdachten Plan. Bei aller Planung ist das Vorhaben alles andere als ungefährlich. Die Elfen dieser Zeit verlassen sich nicht nur auf Magie, sondern auch auf >Hightech. Mit großer Wachsamkeit verfolgen sie das Verhalten anderer magischer Gestalten und ahnden Fehlverhalten umgehend, da die Menschen nicht auf ihre letzten einsamen und sorgsam verborgenen Enklaven aufmerksam werden sollen. Aber das ist leichter gesagt, als getan, denn nicht jedes magische Lebewesen will sich etwas von den Elfen sagen lassen.
Mit den Geschichten um Artemis Fowl ist Eoin Colfer etwas gelungen, was sich schon viele Autoren vorgenommen haben, aber nur in wenigen Fällen so richtig gut gelungen ist. Elfen, Zwerge, Trolle, sogar Zentauren sind hier zu finden. Colfer hat seine magischen Figuren nicht nur in die Gegenwart geschickt, er hat es auch nicht versäumt, diese Figuren seiner ganz persönlich kreierten Welt anzupassen. Gänzlich löst er sich natürlich nicht von den Vorgaben. Aber die Trolle sind furchtbarer, die Zwerge eher eine Mischung aus Hamster und Maulwurf und die Elfen sind eher ein wenig bienig, insektenartig, weniger die langbeinigen Geschöpfe, wie sie sonst bekannt sind.
Spuck den Gefangenen aus!
Andrew Donkin hat Colfer bei der Comic-Umsetzung tatkräftig unterstützt, legt aber ein Hauptaugenmerk auf die unheimlichen Aspekte der Geschichte und lässt den Humor zumeist außen vor. Bei manchen Charakteren kann er Colfers Witz nicht ganz abschalten. Mulch Diggums, der Zwerg, der in der Not benötigt wird, ist das beste Beispiel hierfür. Obiges Zitat steht für eine besondere Art der Verteidigung von Diggums. Manchmal ist es einfach das leichteste seine Feinde zu fressen – oder wenigstens teilweise.
Anleihen aus HdR & Co. werden keine genommen, das ist auch nicht notwendig, bieten doch real existierende Mythen genügend Grundlagen, um die Welt dieser magischen Geschöpfe zu gestalten. Zur Fremdartigkeit der Figuren – die selbst bei Artemis Fowl und seiner Leibwächter Butler zu finden ist – gesellen sich noch exotische Orte, entweder im wahrsten Sinne des Wortes oder doch wenigstens geisterhaft verwunschen wie das Anwesen von Artemis oder die Heimstatt der Elfen. Da die Welt recht komplex ist – und sicherlich in der Romanvorlage zum Comic viel detailfreudiger geschildert werden kann – werden die einzelnen Kapitel von Steckbriefen eingeleitet, die wichtige Bestandteile (wie eben Charaktere oder auch Gegenstände) noch einmal kurz inhaltlich umreißt.
Für die grafische Umsetzung wurden ganz bewusst filmische Effekte gewählt. Giovanni Rigano zeichnet leicht mangaesk aussehende Figuren. Die Zeichnungen wirken auf den ersten Blick schlicht, sind aber jedes Mal sehr exakt aus dem gewählten Blickwinkel getroffen und nichts wird dem Zufall überlassen. Ähnlich wie ein Guy Davis überlässt Rigano seinem Koloristen Paolo Ramanna einen großen Teil der Arbeit. Und hier kann Ramanna gar nicht genug gelobt werden. Denn er schafft aus den Bildern tatsächlich kleine filmische Bilder, die geradewegs aus einem Zeichentrickfilm entnommen sein können.
Ramanna arbeitet mit sehr feinen Farbübergängen, leichten Unschärfen – zur Unterstützung des Filmeffekts – und verwendet meistens sehr düstere Farbspiele. Dadurch kann schöne Kontraste einsetzen und mit Beleuchtungen experimentieren – eigentlich das falsche Wort dafür, denn zweifellos weiß er ganz genau, was er macht. Da Technik und Magie in dieser Geschichte ein Stelldichein haben, nutzt Ramanna jede Gelegenheit, um bei Eindrücke miteinander effektreich zu verbinden. Monitore, Nachtsichtgeräte und andere optische Hilfen ermöglichen verschiedene Sichtweisen, die den Leser auch stets den Blickwinkel eines bestimmten Charakters einnehmen lassen.
Als eigenständiges Werk konzipiert kann es völlig als tolle, etwas andere Fantasy-Geschichte überzeugen. Die Bilder sind wunderbar geworden und fangen die Atmosphäre dieser ganz eigenen Welt perfekt ein. Artemis Fowl verweigert sich in weiten Teilen einem Vergleich, was die Handlung unvorhersehbar macht und die Spannung auf die Spitze treibt. Erste Klasse! 🙂
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Dienstag, 23. Dezember 2008
Ja, wer kommt denn da zu Besuch? Wer hätte gedacht, dass Cubitus und Boje einmal ihren Vater kennenlernen würden? Dupa wird freundlich empfangen und kann sich über die außerordentliche Gastfreundschaft der beiden urigen Typen freuen. Denn diese ist nicht nur formvollendet, sondern auch noch mit einem exquisiten Geschmack gesegnet. Dupa lässt es sich gut ergehen, wankt später nach Hause (ein edles Tröpfchen zuviel) und schläft den Schlaf des Zeichners, der den nächsten Arbeitstag kaum erwarten kann.
So wie Dupa in das Reich seiner Phantasie eintauchte, so verspielt malt sich auch Cubitus seine eigenen Gedanken aus. Wer wollte nicht schon einmal ein Lexikon zum Thema Sport im Stile eines Cubitus sehen. Sportarten wie Boxen, Fechten oder auch Turnen erhalten auf die Art eine völlig neue Interpretation. Überhaupt drängt Cubitus auf Neuinterpretationen. Seine kleine historische Episode entführt in den Wilden Westen, der dank einer Calamity Jane besonders wild war. Er setzt sich mit der Tücke des Objekts in Form eines Marmeladenglases auseinander. Obwohl hier bereits unter Lebensgefahr agiert wird, folgt die wirkliche Gefahr erst noch: in Form eines Eintreibers für Hundesteuern.
Wahre Flunkergeschichten oder: Wie Cubitus die Welt sieht. Nun, dieser weiße kugelrunde Kuschelhund hat seine ganz persönlichen Ansichten. Da macht ihm auch niemand etwas vor und es kann ihm auch niemand etwas ausreden. Cubitus ist Cubitus und hat Flausen im Kopf. Aber seien wir ehrlich: Gott sei Dank ist das so!
Apropos Flausen im Kopf. Dupa, Erzähler und Zeichner der Episoden um Cubitus, kann es sich nicht nehmen lassen und absolviert kleine Gastauftritte. Der Schöpfer tritt seinen Geschöpfen gegenüber. Rein äußerlich bringt sich Dupa in Form eines kleinen Bruders von Percy Pickwick zu Papier. Mit großem Schnäuzer und dunkler Brille ist er denn eher Spielball als Darsteller – Dupa hat seine eigenen Geschöpfe nicht im Griff. Und das ist gut so, möchte man als Leser wieder einmal rufen, denn die Art der kleinen Episoden in diesem Band ist sehr unterschiedlich und damit abwechslungsreich geraten.
Manchmal sind es kleine Beschreibungen – wie im Falle der Lexikaeinträge – mal wird eine Handlung von Hinweisen untermalt, die von Dupa höchstpersönlich stammen. – Ja, ich weiß, alle Hinweise stammen von Dupa, aber macht er eben selber … Ach, Ihr wisst schon. Insgesamt lässt es sich streiten, was hier nun besonders lustig ist oder welche Pointe besonders sitzt. Lustig bis urkomisch ist alles. Persönlich gefallen mir Cubitus‘ Ausreißer in andere Welten oder auch Rollen am besten. Wenn er als Sportler bei den Olympischen Spielen vertreten ist, erwachen kleine Erinnerungen an einen anderen berühmten Hund (sagt mir nicht, Goofy ist kein Hund), der seinen Sportsgeist übte.
Optisch lässt Dupa seine Figuren gerne wie auf einer Bühne agieren. Hin und wieder gewinnt man als Leser auch den Eindruck eines Boulevardstücks. Es fehlt nur noch ein begrenzender Vorhang. Sobald die Steuerbeamten die Szenerie betreten, sollte jedem Leser klar sein, wie dieser Eindruck entsteht. Dupas Version der grauen Herren, die von Boje Hundesteuer eintreiben wollen, ist garstig und kleingeistig, eigentlich so, wie sich jeder so gerne einen Steuerbeamten vorstellt. Außerdem legen ihre gebogenen Geiernasen nahe, Dupa habe sie mit den berühmt berüchtigten Aasgeiern in Verbindung bringen wollen.
Die Devise: Niemals aufgeben, auch wenn’s weh tut. Cubitus ist ein Stehaufmännchen. Was muss er nicht alles in sehr halsbrecherischer Manier durchleben. Klar, er teilt auch aus (arme Katze Paustian), aber nicht gerade selten geht es ihm selbst an den Kragen. Das ist von Dupa wunderbar leicht und klassisch cartoon gezeichnet. Die Action steht ein wenig mehr im Vordergrund, kein Wunder, denn wenn es um Sport geht, muss auch ein Vielfraß und Langschläfer wie Cubitus aktiv werden.
Cubitus als Pferd, als Sportler, als Kommentator, als gemeiner Hund, als Naschkatze … Cubitus dreht hier so richtig auf, ist vielseitiger und lässt es mit seinen Wahren Flunkergeschichten so richtig krachen. Mehr davon! 🙂
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Samstag, 20. Dezember 2008
So mancher Comic-Fan hat vielleicht schon einmal davon geträumt: er schlendert über eine Comic-Con, begegnet dem Verleger seines Vertrauens und präsentiert eine vollkommen neue Idee oder auch eine zu einer bestehenden Serie. Die Idee wird genommen, gedruckt und wird ein Riesenerfolg … So wie die Simpsons vielleicht. Das gibt es natürlich nur im Traum. Oder im Comic. Im Bart Simpson-Comic. Bart hat so eine tolle Idee zu Radioactive Man. Er hofft, der Comic-Typ werde ihn den verantwortlichen Redakteuren vorstellen. Falsch gedacht.
Doch wie es der Zufall will – war ja klar – gerät das Manuskript in die Hände der Redakteure, die sogleich außer sich sind und eine Wiedergeburt des Genres vor Augen haben. Unfassbar, nicht wahr? Aber es kommt noch besser …
Diese Odysee durch das Haifischbecken des Comic-Geschäfts soll hier nicht weiter gelüftet werden. Jedenfalls muss selbst der hochnäsige Comic-Typ feststellen, dass Barts Manuskript perfekt ist, in jeder nur erdenklichen Hinsicht. Bart lernt die Härten der Prominenz kennen. Plötzlich ist er nicht mehr Bart Simpson, sondern B.S.. Der einzige Fehler der Geschichte namens Zugetextet ist ihre Kürze. Dafür werden die Fans nicht lange auf die Folter gespannt. Schnell geht es in die nächste Genre-Persiflage – eigentlich sind die Simpsons eine komplette Persiflage, oder? Man weiß es nicht genau.
Jedenfalls sehen wir Bart bald in der Angriff der 20-Meter-Maggie. Unfassbar, oder? Aber es ist ein ziemlicher Brüller, wenn Groß-Maggie im Stile der Fortsetzung von Liebling, ich habe die Kinder geschrumpft auf die Menschheit, Verzeihung, die Gelblinge von Springfield losgelassen wird.
Rein optisch sind die Bilder der ersten Geschichte von James Lloyd von Steve Steere Jr. sehr zerbrechlich getuscht und wirken viel echter als in neueren Produktionen, in denen die Linien mit einem Vektor-Programm gezogen worden zu sein scheinen. Ob nun sehr regelmäßig oder ein wenig neben der Spur wie auch in der folgenden Geschichte um die kleine Maggie, dem Humor tut das keinen Abbruch. Man muss sich wirklich fragen, was trashiger ist, Maggies Angriff auf riesigen Stummelbeinchen oder der wirkliche Angriff der 20-Meter-Frau aus den 50er Jahren.
Ein locker schnelles Vergnügen, in der die Simpsons-Kinder die Hauptrollen spielen und auch mal sehr gut ohne die Eltern auskommen. Wer es als Fan also ertragen kann, wenn Homer von Sicherheitspersonal abgewimmelt wird und ansonsten gar nichts zu vermelden hat, kann hier einen schönen humoristischen Bauchplatscher machen. 🙂
Freitag, 19. Dezember 2008
Othon und Honorata haben den Sohn, den sie sich immer wünschten: Aghnar. Doch bevor die kleine Familie in Frieden leben kann, muss sie sich einer letzten Bedrohung stellen. Aghnar, noch ein Kind, muss sich den Huren-Nonnen der Shabda-Oud zum Kampf stellen. Der Junge kann den Kampf nur mit der mentalen Hilfe seiner Mutter bestehen. In einem geistigen Duell kann es nur einen Sieger geben. Und mehr noch: Othons Aufgabe ist es, den Cyborg-Wal, ein riesiges Ungetüm, das die Huren-Nonnen durch das All transportiert, zu vernichten. Doch ein Wesen, welches in der Lage ist, Planeten zu vernichten, ist auch für einen Meta-Baron ein besonderer Gegner. Damit fängt die Geschichte aber erst an.
Denn Aghnar kann nur Meta-Baron werden, wenn er seinen Vater tötet. So ist es (jüngste) Tradition: Wäre ich doch ein Tautropfen … Ich könnte Zuflucht suchen auf einem Grashalm … So spricht Aghnar nach der unausweichlichen Tragödie. Doch für den jungen Mann bleibt noch eine Aufgabe. Nachdem er Vater und Mutter verloren hat, muss er noch einen Kampf führen, einen Kampf der Rache gegen die Hexen, die seine Familie ins Unheil stürzten. Aber wie?
Wenn die Geschichte über die Kaste der Meta-Barone nicht eine Geschichte voller Leid, Qualen und auch großem Mut wäre, würde dem Leser etwas entgehen. So könnte Alexandro Jodorowsky gedacht haben, als er sich an die Fortsetzung der Kaste der Meta-Barone setzte und seine Protagonisten erneut durch die sprichwörtliche Hölle schickte.
Jodorowsky schickt seinen Helden Aghnar auf einen Planeten der fliegenden Affen. Die grafische Lösung dieser fremdartigen Welt ist ein optischer Augenschmaus, aber brutal zu nennen. Das bleibt jedoch nicht aus, denn die Meta-Barone sind Krieger, die besten, die es gibt. So erhebt sich Aghnar alsbald zum Herrscher dieser Affen, die in ihm die Erfüllung einer Prophezeiung sehen. Sie verehren ihn als Kioka, den kleinen weißen Affen. Allein dieser kleine Abschnitt der Geschichte ist ein Kunstwerk. Jede einzelne Seite könnte zum Gemälde taugen – und je weiter die Geschichte fortschreitet, je phantastischer werden die Bilder, im wahrsten Sinne des Wortes.
Juan Gimenez, der Grafiker dieser Geschichten, verfügt über ein herausragendes Geschick, mit natürlich aufgetragenen Farben zu arbeiten. Er wandelt zusammen mit dem Leser durch verschiedene Farbstimmungen. Ton in Ton in kühlem Blau, auch möglichst farbenfroh, mit fleischigen Hauttönen oder auch in sanftes Ocker getauchte Oberflächen. Massenansammlungen, sehr detailreiche Bilder, Nahaufnahmen beherrscht Gimenez ungeheuer gut. Sein Steckenpferd, dort, wo er der Phantasie freien Lauf lassen kann, sind fremde Kreaturen.
Beispielhaft hierfür und sehr beeindruckend sind die schwebenden Affen wie auch die Cyborg-Wale, die allein durch die Größe ungeheuerlich wirken und die Art ihrer Konzeption. Denn sie schweben durch das All, erinnern an Exogorthen, jene im All lebenden Kreaturen, in denen sich der Millennium Falcon versteckte. Mit ihren Flossen auf dem Rücken, am Bauch und Schwanz haben sie Merkmale eines Orcas, wirken jedoch schlanker und mit ihrem Gebiss weitaus gefährlicher als ein Exogorth.
Gimenez liebt außerdem Matsch, Dreck, Eingeweide und andere Scheußlichkeiten, mit denen es sich grafisch trefflich spielen lässt. So manche Exlosion mit Blut und Innereien, so manches Aufspritzen von Schlamm kündet genau davon. Allerdings weiß Gimenez dies auch außerordentlich in Szene zu setzen. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Gimenez gerne einmal ins Splatter-Genre abdriftet, wenn es die Handlung zulässt. Dabei belässt er es natürlich nicht. Gigantoplastische Szenen, auf die er sich so gut versteht, gibt es hier leider seltener, da der Schwerpunkt auf den tragischen Ereignissen rund um Aghnar liegt. Aber in den wenigen Spektakelbildern, auf Schlachtfeldern und dichten Gewimmeln von kämpfenden Raumschiffen, wird einmal mehr deutlich, wie cineastisch Gimenez einen Blick auf das Geschehen umzusetzen vermag – und wie großartig er darin ist.
Die Legende um die Meta-Barone wird immer trauriger und tragischer. So sehr sie sich auch bemühen, die wahre Liebe zu genießen, ist ihnen kaum gegönnt. Das Schicksal des vollendeten Kriegers hat ihnen auch endlose Sorgen und Leid auferlegt. Jodorowsky und Gimenez gehen mit Aghnar noch gnadenloser um als mit seinem Vater Othon. Eine grandiose, nicht immer unblutige, Weltraum- und Familiensaga findet ihre ungeheuer spannende Fortsetzung. 🙂
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Donnerstag, 18. Dezember 2008
Man stelle sich vor: Der Sargdeckel schließt sich. Man sieht durch eine kleine Glasscheibe hinaus, sieht die Erde sich über den Deckel ergießen, bis es finster wird. Mit der Dunkelheit kommen die Alpträume, die man in völliger Bewegungslosigkeit ertragen muss – immer und immer wieder. Kathryn Lennox ist in die Falle des aufwieglerischen Islero geraten. Dieser El Santero, bewandert in den alten Künsten, entführt seine Opfer und erschafft Zombies aus ihnen, wandelnde Tote, lebendig im Körper, geistig nur noch ihm zu Diensten. Nur der Tod des Santero kann den Fluch brechen.
W.E.S.T., das Weird Enforcement Special Team, befindet sich inmitten eines Unabhängigkeitskampfes. Eigentlich sollte das Team um Morton Chapel den Konflikt mit dem unbekannten Santero lösen, in Wahrheit werden sie ziemlich an der Nase herumgeführt und geraten in höchste Bedrängnis. Hinter den Kulissen laufen die Vorbereitung zur Angliederung Kubas an die Vereinigten Staaten unbeirrt weiter. Die Ängste der Aufständischen sind also keinesfalls Hirngespinste. Wie ernst es jedoch wirklich ist, können sie nicht einmal erahnen.
In der abschließenden Episode aus dem zweiten Zyklus von W.E.S.T. verhärten sich die Fronten und die Vorgehensweisen – auf beiden Seiten – werden rabiater. Das Titelbild der Geschichte um den 46. Staat, zu dem es so nie kam, verrät hier einiges. Morton Chapel, der Team-Leiter, muss seine Gentleman-Natur beiseite schieben, um seines und das Überleben seines Teams gewährleisten zu können. Xavier Dorison und Fabien Nury lassen ihre Hauptfiguren auf einem Drahtseil balancieren. Obwohl Chapel in der Lage ist, das Geheimnis um Islero zu lüften, hat man als Leser den Eindruck, dass alles nur noch um Haaresbreite gut geht – und manchmal eben auch nicht.
Mit dieser Technik halten die beiden Erzähler ihre Leser in atemloser Spannung. Kleine und große Dramen lösen einander ab. Joey Bishop gesteht der komatösen Kathryn Lennox seine Liebe. Islero erlebt, wie Männer vor einem Erschießungskommado gestehen, er zu sein, nur um das Idol des Widerstands zu schützen. Selbst ein Kind bleibt nicht verschont. Colonel Weyler kennt kein Erbarmen. Auf Kuba herrscht Krieg ohne Kriegserklärung. Vordergründig geht es um Macht, hintergründig um Geld und den Einfluss der United Fruit Company.
All diese Bestandteile werden sehr sorgsam und gut aufeinander aufbauend zusammengestellt. Wie auf einer Leiter bildet hier jedes Detail eine Sprosse bis hin zum unvermeidlichen Höhepunkt – der wahrscheinlich anders ausfällt, als es mancher Leser zu Beginn gedacht haben mag. Stück für Stück schieben die Autoren die Hatz auf Islero zurück und stellen den Freiheitskampf Kubas in den Vordergrund.
Christian Rossi, der bereits zuvor eine tolle Arbeit als Zeichner und Kolorist ablieferte, ruht sich nicht auf seinen Lorbeeren aus, sondern steigert sich noch einmal – ein persönlicher Eindruck, der von den außerordentlich dramatischen und sehr menschlich dargestellten Ereignissen gestützt wird. Es sind zahlreiche Momente, die den Leser in seinen Bann ziehen, vornehmlich solche, in denen Menschen vor einer Entscheidung stehen – oder schlichtweg rot sehen.
Dieser Effekt wird von Christian Rossi bei Islero eingesetzt, in jener beschriebenen Szene, in der sich die zum Tode Verurteilten für ihn aufopfern. Und er verwendet bei Bart Rumble, einem Agenten des Teams, einen ähnlichen Effekt. In der wie zuvor verwendeten Farbpalette von braun, orange, blau und grau sowie einigen Zwischentönen stechen die roten Farbtupfer hervor, mögen sie noch so klein sein. Der Anstrich wirkt nach wie vor wie aus dokumentarischen Aufnahmen entnommen, macht das Eintauchen in die Geschichte natürlicher. Farbaufnahmen wären hier fehl am Platz, würden den Eindruck trüben, der Abstand und gleichzeitig auch Nähe gestattet. Eine Geschichte aus vergangener Zeit kann nicht mit modernen Worten erzählt werden. Christian Rossi hält sich mit seiner farblichen Interpretation auch im übertragenen Sinn daran.
Ein gelungener zweiter Teil dieser Geschichte um Kuba. Die bisherigen dramatischen Fäden werden mit erhöhter Geschwindigkeit fortgeführt. In jeder Hinsicht ist diese Ausgabe von W.E.S.T. eine tolle Abenteuergeschichte, die sich im wahrsten Sinne des Wortes sehen lassen kann. 🙂
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Mittwoch, 17. Dezember 2008
Ein Jugendlicher hat es nicht leicht. Er muss mit den üblichen Verwirrungen des Heranwachsens kämpfen, sich für das Leben orientieren – in einem totalitären Staat sind all diese Aspekte noch viel schwieriger zu bewerkstelligen. Jugendliche Rebellen müssen gebändigt werden, sie müssen stets auf das Schlimmste gefasst sein. Wer nicht artig ist, kommt ins Programm. Keiner kann vorhersagen, wann und ob überhaupt es ihn treffen wird. Niemand ist gefeit. Es ist ganz gleich, ob jemand aus armen oder reichen Verhältnissen kommt. Es interessiert nicht, ob die Eltern einflussreich sind oder nicht. Es kann jeden treffen und wer sich beschwert, hat mit Sanktionen zu rechnen – milde ausgedrückt.
Eben noch saß die Schulklasse im Bus, nun findet sie sich in einem Klassenraum wieder. Soldaten sichern den Raum ab, ein Klassenlehrer erörtert ihnen die neuen Spielregeln. Mehrere Tage lang wird die Klasse 3b am Programm teilnehmen. 42 Schüler werden sich solange gegenseitig töten, bis nur noch einer von ihnen übrig ist. Jeder wird mit Ausrüstungsgegenständen versorgt, die ein Überleben ermöglichen. Ein Einteilung des Spielfeldes, einer Insel, in Planquadrate soll dafür sorgen, dass die Spieler sich bewegen. Von Zeit zu Zeit wird ein Planquadrat zur verbotenen Zone erklärt. Wer sich nach Ablauf einer bestimmten Frist noch auf dem Gelände befindet, stirbt.
Die Regeln sind einfach – aber nicht alle halten sich daran. Koushun Takami schrieb die Romanvorlage zu diesem Manga, dessen erster Teil in dieser Form neu erscheint und über 600 Seiten umfasst. Battle Royale kann inzwischen auch auf eine Verfilmung nebst Fortsetzung zurückblicken. So weit, so erfolgreich. Koushun Takami wendet einen sehr schönen erzählerischen Trick an. 42 Charaktere erlauben ihm 42 Geschichten in der Geschichte zu erzählen. Außerdem arbeitet er noch auf mehreren Zeitebenen, zögert auch nicht in die Grundschulzeit der Jugendlichen einen Abstecher zu machen. Dadurch ergeben sich unendliche Möglichkeiten zur Vermittlung von Informationen, die gerade immer so eingestreut werden können, wie es spannend und sinnvoll erscheint.
Selbstverständlich gibt es einige Figuren, die besonders in den Vordergrund gestellt werden. Ihre Charaktere sind sehr verschieden, ihre Verhaltensweisen während des Programms sind es noch mehr. Einige wollen sich dem Programm widersetzen, wollen zusammenarbeiten, andere entziehen sich durch Selbstmord oder fallen durch ihre Panik jenen zum Opfer, die das Programm aktiv gewinnen wollen. Zu allen Zeiten werden sie überwacht und bald müssen viele einsehen, dass das Programm nicht (so einfach) zu überlisten ist.
Koushun Takami wartet mit den verschiedensten Überraschungen auf – die hier natürlich nicht vorweg genommen werden sollen. Aber ihre Einbindung sitzt in dieser Manga-Umsetzung auf den Punkt genau. Gleich zu Beginn wird dem Leser die Siegerin eines Programms präsentiert. Zwei kleine Jungen (spätere Teilnehmer des Programms) und ihre Betreuerin erleben die Präsentation live über das staatliche Fernsehen. Bereits dieser erste Schockeffekt stimmt. Der Leser beginnt zu fürchten, was ihn erwartet.
Masayuki Taguchi, Zeichner dieses Mammutwerks, übernimmt nicht nur eine sehr anspruchsvolle Aufgabe, er löst sie auch mit einer hervorragenden Technik. Für rund 42 Figuren eine gewisse Individualität herauszuarbeiten, ist nicht leicht. Es wird auch für Masayuki Taguchi kaum einfacher durch die Tatsache, dass ein paar Figuren nur Bauernopfer der Geschichte sind und mehr beiläufig zum Drama der Handlung beitragen. Andere Charaktere werden viel deutlicher vorgestellt, bevor sie auf die eine oder andere Art zu Tode kommen oder selber zum Täter werden.
Es sind keine Monster, die Masayuki Taguchi zu zeichnen hat – sieht man einmal vom Klassenlehrer ab, dessen Gesicht Bände spricht – sondern Menschen, denen ihr Charakter äußerlich nicht anzumerken ist. Masayuki Taguchi versteckt die Guten wie die Schlechten. Manga-Gesichter sind immer etwas glatter, einander ähnlich, dennoch gelingt es Masayuki Taguchi hier viele Unterschiede herauszuarbeiten, sehr viele sogar. Die Strichführung ist schlicht perfekt und bisweilen mit großem Aufwand umgesetzt.
Sehr klein dimensionierte Seitenaufteilungen mit vielen Bildern und ganzseitige Darstellungen wetteifern miteinander. So züchtig, charmant, ja auch romantisch manche Szene gerät, so heftig und deftig ist manch andere Szene in der Darstellung von Gewalt und Sex. Es sind diese sehr stark ausschlagenden Waagschalen, die den Leser immer wieder aufs Neue zu schockieren vermögen. Beide, Masayuki Taguchi wie auch Koushun Takami, wiegen den Leser immer wieder in Sicherheit, dass dieser versucht ist zu glauben, es werde schon nicht so schlimm werden – nur um die Vorstellungsmöglichkeit des Lesers beim nächsten Mal erzählerisch wie optisch zu übertreffen.
Ein dramatischer Knaller mit sehr echten Charakteren. Koushun Takami versteht sich ungeheuer gut auf Charakterstudien und nutzt das vielfältige Szenario, um möglichst viele Charaktere zu versammeln und gegeneinander ins Rennen zu schicken. Die Mixtur aus gegenwärtigen Ereignissen und Rückblicken sowie die exzellente grafische Gestaltung macht diesen ersten Teil von Battle Royale zu einer sehr spannenden Lektüre. 🙂
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