Das Leben könnte so schön sein – wenn die lebenden Toten nicht wären. In der selbst gewählten Umgebung eines ehemaligen Gefängnisses hat sich die Furcht vor der Außenwelt noch einmal verstärkt. Doch es sind nicht die Untoten, die den Überlebenden Sorgen bereiten, sondern andere Menschen, die kommen könnten. Es ist die Ruhe vor dem Sturm, die den Menschen Angst macht. Die Gedanken schweifen zurück und graben alte Wunden auf. Neue Wunden werden noch lange für ihre Heilung brauchen. Oder sie heilen nie.
Vieles ist mit der kleinen Gruppe geschehen, es hat einige unerwartete Entwicklungen innerhalb der Gruppe gegeben und ein Sicherheitsgefühl hinter einem doppelten Drahtzaun zu entwickeln, vor dem sich die Untoten tummeln, ist nicht gerade leicht. Außerdem schwebt die Bedrohung durch die Menschen in der kleinen Stadt Woodbury wie ein Damoklesschwert über der Gemeinschaft. Und die Menschen um den ehemaligen Polizisten Rick tun gut daran, den selbst ernannten Gouverneur Philip aus Woodbury zu fürchten. Zwischen Schießübungen, der Suche nach Nachschub, persönlichen wie auch körperlichen Tragödien, setzt sich immer mehr Gleichklang durch, hinter dem der Untergang geradezu zu brodeln scheint.
In der siebten Runde des Endzeit-Knallers The Walking Dead von Robert Kirkman hat eine Art innere Entspannung stattgefunden. Sicherlich passieren eine Reihe von brutalen Ereignissen, doch die Menschen sind ein gutes Stück weit abgestumpft und bei weitem nicht mehr so leicht zu erschüttern wie noch zu Beginn der Ereignisse. Nach den Geschehnissen in Woodbury, die wieder einmal gezeigt haben, dass der wahre Wahnsinn nicht von nach Menschenfleisch gierenden Zombies ausgeht, sondern von wahnsinnigen Menschen, fühlt man sich auch als Leser in der Nähe von berechenbaren Untoten eher in Sicherheit.
Es lässt sich dank der Erzählung sehr gut nachvollziehen, wie sehr sich die einzelnen Charaktere nach Normalität sehnen. Ein Kind kommt zur Welt, eine Ehe wird geschlossen. All das und noch mehr muss neben dem Überlebenskampf bestehen. Hier schleicht sich Routine ein – trotz Schießtraining – und die Menschen werden anfällig für Fehler. Das gute Verhältnis, weitestgehend jedenfalls, untereinander lässt immer noch den Wunsch aufkommen, mit anderen Menschen gut auszukommen. Das stellt sich schnell als fataler Fehler heraus. Einzig Michonne, die erst sehr spät zu der Gruppe stieß und von dem Gouverneur brutal gefoltert wurde, hat ihre Kampfeswut nicht nur bewahrt, sondern auch verstärkt. Kirkman hat in ihrer Figur einen Charakter geschaffen, der nicht zögert und die Frage Er oder ich? nur auf eine Art beantwortet: Ich! Gleichzeitig ist sie innerlich zerrissen, ein Zustand, der nicht oft hervorbricht, aber einiges aussagt.
Das Besondere – immer noch – ist die Stimmigkeit und Vielschichtigkeit der Charaktere, die aus The Walking Dead mehr machen als eine simple Horror-Geschichte. In Wahrheit sind die Zombies zu einer Nebensache verkommen, die kaum mehr Schrecken auslösen als ein Rudel Hyänen. Der Schauer, auch der Horror, ganz wie man es ausdrücken will, fällt nicht mehr größer aus als bei der Ansicht eines Dokumentarfilms von der Überquerung einer Herde Gnus über einen von Krokodilen bevölkerten Fluss. Man weiß als Zuschauer, dass sie angreifen und ihre Opfer packen werden, es stellt sich einzig die Frage, wann es wieder so weit ist. Das Resultat hier ist einzig der Sorglosigkeit wie auch dem Lebensüberdruss der Opfer zuzuschreiben.
Charlie Adlard ist ganz einfach in der Geschichte wie zu Hause. Die einzelnen Protagonisten bestechen durch eine sehr gute Unverwechselbarkeit. Gesichtszüge und einzelne Gefühlsregungen, die hier ebenso gern gezeigt werden wie in den Großaufnahmen eines Sergio Leone, sind schön umgesetzt. So schwankt der Eindruck zwischen Spaghetti-Western und Werken eines Quentin Tarantino – so ließe sich allein von der Erzählweise her durchaus ein Vergleich zu Death Proof ziehen, in dem die bisherigen Erzählweisen auf die Spitze getrieben wurden. Wer sich den Knalleffekt zum Schluss des vorliegenden Bandes anschaut und die Geschichte als lange Einleitung betrachtet, wird diesen Eindruck nachvollziehen können.
Robert Kirkman lässt es unter der Oberfläche köcheln und nutzt die Zeit, um sich noch einmal ausgiebig mit den Charakteren zu beschäftigen, die Charlie Adlard sehr gut in Szene setzt. Es ist wirklich die Ruhe vor dem Sturm. Fans der Serie werden Kirkman diesen ausführlichen Tiefgang sicherlich verzeihen, der diese Reihe wohltuend von anderen abhebt. Sehr gut. 🙂
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