Eine total verrückte Geschichte, Onko! Ich werde diese Humanos wohl nie begreifen. – Dieses Fazit ziehen die kleinen Roboter, die sich ihre Zeit zwischen den Arbeiten mit dem Erzählen von Geschichten vertreiben, die nur von einem handeln: Den Meta-Baronen. Incal-Leser werden den Einweihungsritus gleich zu Beginn wieder erkennen. Moebius zeichnete ihn damals, Juan Gimenez hat das Motiv nach einer beschreibenden Vorlage von Alexandro Jodorowsky, dem Autor des Incal, wieder aufgegriffen. Ein Mann verliert alles. Aber er hat auch Glück im Unglück. Er hat einen Sohn, der ein furchtbares Schicksal, den Verlust seiner Beine, meistern muss. Für diesen erbittet er sich für seine herausragenden Leistungen ein Geschenk – ein großes Geschenk. Othon, dem Vater, wird die Bitte gewährt.
Eigentlich beginnt die Tragödie damit erst recht. Denn das erbetene – und trotzdem vollkommen unerwartete – Geschenk ist derartig wertvoll, dass es Begehrlichkeiten geradezu anziehen muss. So lassen die Diebe nicht lange auf sich warten. Bari, Othons Sohn, ist ein Krieger. Seine Behinderung hat nicht seinen Tatendrang gelähmt. Er jagt den Dieben hinterher. Ebenso macht sich auch sein Vater an die Verfolgung. Das Unheil nimmt seinen Lauf.
Onko mag aus der Sicht seines Roboterkollegen eine verrückte Geschichte erzählen – aus der Sicht des an Science Fiction Geschichten interessierten Lesers ist sie es ganz bestimmt nicht!
Ganz selten nur entsteht eine richtige Saga, eine Handlung über einen langen Zeitraum, die auch noch Figuren mit großer Tiefe hervorzubringen vermag. Seit längerer Zeit kursieren die Szenarien von gebrauchten, auch verruchten Welten. Alexandro Jodorowsky schafft gleich ein Universum dieser Art. Furchtbar, korrumpiert, dreckig, eigentlich ist jegliche Existenz in diesem weiten Raum verloren. Ausgerechnet jener, der sich dem Kampf, dem Dasein als absoluter Krieger verschrieben hat, bildet eine Art Hoffnungsfunken – der allerdings immer wieder ausgetreten werden soll. Jodorowsky entwirft ein eigenständiges Helden-Epos, in dem sich vieles vereint, was über die Jahrhunderte hinweg an Legenden entstanden ist.
Schöne und ungewöhnliche Ideen (natürlich auch schreckliche) erzeugen Spannung, spielen mit den Emotionen des Lesers. Jodorowsky wiegt seine Leser gerne in Sicherheit, gewöhnt ihn gerne an Figuren, weckt Sympathien, nur um dann umso grausamer zuzuschlagen. Das kostbare Geschenk, ein Pferd, welches seit 20.000 Jahren ausgestorben ist, ein fahles Pferd, wird zu Richtungsweiser in die Tragödie nach bester Tradition. Obwohl es zu diesem Zeitpunkt absehbar ist, dass es nicht gut mit Bari enden wird, ist die Spannung derart quälend, dass man einfach weiter lesen muss. Am Ende des ersten Teils in der Sammlung, lässt sich die Wartezeit bis zur nächsten Geschichte (hier einmal umblättern nur, aber damals muss es grausam gewesen sein, wenn bis zur nächsten Ausgabe gewartet werden musste) tatsächlich nur mit dem Wort des kleinen Roboters Lothar beschreiben: Gemeinheit!
Jodorowsky zeigt sogleich mit der Fortsetzung die Voraussicht seiner Handlung. Nachdem Othon als tragischer Held sehr sorgsam eingeführt worden ist, erzählt er nun über Honorata, die seinem eine neue Richtung geben soll – und entgegen aller Erwartungen dies auch schafft. Die folgende Handlung macht einen noch strukturierteren Eindruck als im ersten Abschnitt. Die Einteilung in drei verschiedene Akte mit allen klassischen Erzählmerkmalen tritt hier deutlich zutage. Jodorowsky hat nicht nur eine außerordentliche Phantasie, er versteht seine Arbeit auch als Handwerk, das er perfekt beherrscht.
Juan Gimenez ist der andere Zauberer, ohne den die Meta-Barone schwer vorstellbar wären. Prachtvoll ist ein Wort, das perfekt als Überschrift zu Gimenez’ Arbeiten passt. Sein Verständnis von technischen Ansichten und seine Design-Ideen schaffen den nötigen Raum. Seine Entwicklung von Welten, tageszeitlichen Stimmungen geben den Geschichte von Jodorowsky eine ungeheure Stofflichkeit. Die Detailfülle kann immer nur wieder begeistern.
Die Gesichter sind manchmal ein wenig puppenhaft. Wer schnell blättert, wird die für eine Schwäche halten können, wer jedoch genau hinschaut und die Vielfalt der Gesichter gerade in den Nebencharakteren erblickt, stellt fest, dass es sich bei dem Design der Hauptfiguren um Absicht handelt. Gerade in Othons Fall verschwindet die puppenhafte Glätte im Verlauf der Handlung – bei Frauen ist Gimenez allerdings immer etwas nachsichtiger.
Gimenez’ Technik ist aufwändig und jede Seite ist ein kleines Kunstwerk. Mehr muss und kann man als Leser diese Arbeit, die tatsächliches Artwork ist, nicht loben.
Nicht nur ein Comic, sondern auch ein Kunstband. Wer Jodorowsky, Gimenez, den Incal, die Meta-Barone mag, der wird auch den vorliegenden Sammlungsauftakt lieben. Wer einen neuen SciFi-Saga-Ansatz sucht, blättere einfach mal durch die ersten Seiten. Wer dann gefangen ist, kommt am Rest der Geschichte nicht mehr vorbei. Es lohnt sich.
Die Kaste der Meta-Barone 1 – Othon & Honorata: Bei Amazon bestellen