Plötzlich gibt es Helden. Keine normalen Menschen, die sich durch besondere Taten hervortun, sondern solche, die durch Biotechnik und Kybernetik tatsächlich in der Lage sind, übermenschliche Leistungen zu vollbringen. Doch was Helden recht ist, ist den Schurken auch billig. Letztere sind bald in der Überzahl. Eine neue Form der Kriminalität entsteht und anders als in den bekannten Märchen über Superhelden stellt sich den bösen am Ende niemand mehr in den Weg. Niemand? Eine elegant gekleidete Frau wirft ihren langen Schatten voraus, einen Schatten, der besonders auf jene fällt, die sich dem Verbrechen verschrieben haben.
Die meisten Supergangster haben ihre Kostüme abgelegt, agieren im Verborgenen und treten in maßgeschneiderten Anzügen spazieren. Nur noch die wenigsten stellen ihre besonderen Fähigkeiten zur Schau, höchstens zur Einschüchterung oder bei der Einfädelung eines halbseidenen Geschäfts.
Madame Mirage ist anders. Furchtlos, mit einer peniblen Planung und tödlicher Konsequenz geht sie ans Werk und erklärt dem organisierten Verbrechen den Krieg.
Paul Dini ist ein Veteran auf dem Gebiet der Comics und hat schon eine Reihe von gestandenen Namen durcheinander gewirbelt, insbesondere im Animationsbereich. Harley Quinn, Zatanna oder Black Canary sind nur einige wenige Namen aus seinen Arbeiten. Mit Madame Mirage hat er nun eine Art weibliches Gegenstück zum Shadow entworfen, hierzulande eher durch die Verfilmung mit Alec Baldwin bekannt.
Das wirklich Geheimnisvolle fehlt Madame Mirage allerdings. Zwar hat sie eine Menge Tricks auf Lager, aber sie ist auch sehr frech, besitzt natürlich auch Charme, aber letztlich fällt es durch die Sexbomben-Aura, die sie umgibt, auch schwer, diese Figur ernst zu nehmen. Ihre Kontrahenten nehmen sie jedoch wegen ihrer Effizienz sehr ernst. Diese, ihre Feinde, lassen sich nicht so einfach über einen Kamm scheren. Neben dem normalen Gangster macht der Lese auch die Bekanntschaft mit einem wahren Muskelberg, dessen Selbstheilungskräfte denen sehr bekannter Comicfiguren in nichts nachstehen.
Kenneth Rocafort könnte eine künstlerische Kreuzung aus Sean Philips und Leinil Francis Yu. Rocafort arbeitet gerne mit interessanten Perspektiven, beleuchtet eine Szene oder eine Figur gerne von mehreren Seiten. Insgesamt entsteht ein sehr zerbrechlicher Eindruck der Zeichnungen. Seine Fähigkeiten konnte er auch schon eindrucksvoll bei Hunter Killer und Cyber Force unter Beweis stellen. Farblich treten das Imaginary Friends Studios, Rocafort selbst und Blond auf das Gaspedal. Hier werden einige Farbtechniken miteinander gemischt, immer auf das beste Ergebnis bedacht: Verläufe, feine Pinselstriche, oder auch mit der groben Kelle aufgetragen, Wolkenspielchen, farblich multipliziert, ineinanderkopiert, Photoshop sei Dank, alles ist möglich, viele Wege führen nach Rom.
Ein sehr nettes Superhelden-Rache-Szenario, das auf die Fortsetzung neugierig macht. Paul Dini legt hier den Grundstein für eine längere Geschichte – bei einem Veteran, der den Umgang mit Serien gewöhnt ist, könnten so noch einige Überraschungen ins Haus stehen. 🙂