Von Dämonen erwartet der Gläubige Arroganz, Brutalität, Jähzorn, Eifersucht – kurz all die schlechten Eigenschaften eines Menschen. Von Engeln erwartet er die Schönheit in der Seele, Aufopferung, Edelmut, Sanftheit. – Diese Annahmen sind alle falsch!
Seit langer Zeit herrscht ein Vertrag zwischen Engeln und Dämonen, damit der Gleichklang zwischen Paradies und Vorhölle eingehalten wird. Doch vor vielen Jahren ergab sich mit dem Fehltritt eines Engels eine einmalige Gelegenheit, um diesen Vertrag endgültig zu beseitigen. Nun endlich könnte es den Dämonen gelingen, die Heerscharen des Paradieses für alle Zeit zu vernichten.
Wie konnte es dazu kommen?
Nahel, ein Engel, war dem weiblichen Engel Ashra versprochen. Doch Nahel, angezogen von der menschlichen Welt, entwickelte eine unerklärbare Zuneigung zu Rio, aus der sogar Liebe wurde. Das Verhängnis nahm seinen Lauf, denn Nahel und Rio tappen beide in eine wohl vorbereitete Falle, um Zwietracht unter die Engel zu säen.
Derweil versucht Rios Vater, ein Archäologe, hinter das Geheimnis des toten Engels zu kommen, der er vor kurzem fand. Von den furchtbaren Ereignissen in den himmlichen Gefilden weiß er nichts, noch ahnt er in irgendeiner Weise davon.
Ein neues Wesen ist entstanden, ein Wesen, von dem niemand dachte, dass es in dieser Form existieren könnte. Ausgestattet mit den drei Wesenheiten Mensch, Dämon und Engel hat es nur noch eines im Sinn: Die Apokalypse!
Die vierte Episode um die Unsterblichen läutet das Finale dieses Abenteuers ein und entzaubert den Mythos um die Engel endgültig.
Alle sind sie verdorben, Dämonen wie auch Engel. Stephen Desberg, Autor, und Henri Reculé, Zeichner, lassen kein gutes Haar an den beiden Stützen des christlichen Glaubens (wie auch anderer Glaubensrichtungen). Wo Licht ist, ist auch Schatten. Hier bewegt sich alles und jeder im Zwielicht. Schönheit ist nur aufgesetzt und Maske. Der Teufel steckt im Detail und Gott ist weit weg.
Der vorliegende Teil der Erzählung ist eine Offenbarung für jeden Beteiligten. Einerseits erfährt jeder, wo er steht und lüftet auch Bereiche eines großen Geheimnisses. Langsam wird für Rio, die Menschin, die Rolle deutlich, die ihr zugedacht war. Auf ihrer Flucht durch die ihr unbekannte Welt lernt sie Zusammenhänge kennen und ein Jenseits, das sie nun mit Abscheu erfüllt. Sklaverei, Ausbeutung, Mord, um der Unsterblichkeit willen, all das eint die beiden großen Parteien in dieser Sphäre.
Verfallene Städte, finstere Straßenschluchten, Käfige, schmutziges Gestein und Monströsitäten in jeder dunklen Ecke sind Ausdruck einer verfallenen Welt. Selbst im Paradies lauern die Schlangen auf ihre Opfer. Selbst hier gibt es keinen paradiesischen Frieden. Zwar können die Tiere hier sprechen und verhalten sich friedlich gegenüber den Engeln, die Gebäude und die Landschaft sind prachtvoll, aber unter der Oberfläche ist der Charakter des Paradieses verfault.
Durch Henri Reculé kommt dieser Gegensatz von Anspruch und wahrhaftiger Realität sehr schön zum Tragen. Die in Aquarelltechnik aufgetragenen Farben spiegeln das gesamte Spektrum von Gefühlen wider, die in den jeweiligen Szenen vorherrschen. Eine blaue saubere Kühle in den griechisch anmutenden Gefilden der Engel, eine braungrüne Giftigkeit in den Gemäuern der Dämonen. Ein glühendes reinigendes Feuer, das alles verzehrt, Dämonen, Menschen und auch Engel.
Die Engel sind klassisch phantastisch gemalt, mit langen wallenden Haaren, schlank, athletisch, mit schimmernden Rüstungen, auf sagenhaften Reittieren, die an elegante fliegende Seepferdchen erinnern.
Die Dämonen sind vielfältig, mal monströs, mal äußerst tierisch. Vor Muskeln strotzend, auch gepanzert oder geheimnisvoll gewandet. Vielfalt spielt hier eine viel größere Rolle.
Feuer ist eine Gefahr für alle und wird von Reculés für sehr schöne und dramatische aussehende Bilder genutzt.
Als das Lamm das zweite Siegel aufbrach, erschien ein feuerrotes Pferd. Und der es bestieg, bekam die Macht, den Frieden zu nehmen, auf dass alle sich gegenseitig umbrächten.
So ist es eine Offenbarung, die ein Mensch empfing, die hier zum Ende der jenseitigen Sphären beitragen soll. Eine Offenbarung im Übrigen, die ein Engel wie Ashra beinahe ungläubig liest, in jedem Fall aber unwissend, denn dieser biblische Text scheint ihr völlig unbekannt zu sein. Desberg hat die religiösen Mythologien hervorragend dazu genutzt, um ein feines Fantasy-Epos zu schaffen.
Klassisch phantastisch, beinahe etwas transsylvanisch gruselig in den Gefilden der Dämonen, asketisch arrogant und kalt in der Welt der Engel. Für Freunde der Fantasy bietet sich hier eine sehr gute Variation des Apokalypse-Themas, voller Wendungen und Dramatik. 🙂
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