Die hermetische Garage des Jerry Cornelius, also, diese Geschichte beginnt mit einem kleinen Malheur. Ein Kabelverleger segnet während einer Überprüfung das Zeitliche, was er eigentlich nicht hätte tun sollen. Ist da vielleicht Sabotage im Spiel?
Major Grubert unterdessen ist höchst besorgt. Seine geheime Basis wurde entdeckt und gestürmt. Um nähere Kenntnisse über den Hergang und den Feind zu gewinnen, schickt er einen Spion im Star Billard, einem riesigen humanoiden Roboter. Star Billard rennt über die weiten endlosen Ebenen (und erinnert äußerlich an das Phantom). Neben einer Pyramide entdeckt er einen Grabräuber, einen Mumienfresser, der unter einem Schirm in der Sonne sitzt. Es kommt zu einem brutalen Kampf.
Star Billard gewinnt, doch in der kleinen Stadt Mrhu hat er weniger Glück, aber seine Insassen können entkommen. Wenig später sitzen sie in einem Zug. Seit Stunden ist das Paar unterwegs. Die Einfahrt in die fremdartige Stadt mit der großartigen Architektur ist atemberaubend für die Reisenden. Kurz darauf wird es sogar extrem spannend, denn der Zug wird von einem kleinen Flugzeug bombardiert.
Ganz so geradlinig erzählt, wie es jetzt den Anschein haben mag, ist es dann doch nicht. Moebius hat sich hier auf Experiment eingelassen, dass vom Leser nicht nur Geduld verlangt – und Mut zum experimentellen Lesen – sondern auch Mut zum Unverständnis. Belohnt wird die Geduld mit teilweise wunderschönen Schwarzweißbildern (ja, liebe Freunde von Moebius: keine Farbe!).
Die Bilder sind von unterschiedlicher Machart. Mal wählt Moebius den extrem einfachen Strich, der schon fast einen Gag-Cartoon-Stil erinnert. Aber irgendwie wählt er diesen Stil auch bewusst, denn wenn ein Unbekannter Major Grubert einen Eimer mit einer undefinierbaren Gülle über dem Kopf ausschüttet und dieser englisch mannhaft weiterreitet, erinnert das an die komische Charakterstärke eines Inspektor Clouseau.
Man überlegt noch, ob man Moebius diesen grafischen und erzählerischen Ausrutscher verzeihen soll, da präsentiert er einem schon wieder Bilder, in denen auf das Feinste schraffiert und punktiert wird. Moebius tobt sich gerne in Formen aus. Das kann ein Gesicht mit einem markanten Kinn ebenso sein wie ein zartes Frauengesicht. Besonders scheint er auch Gebäude- und Stadtansichten, aber auch Geländeformationen zu lieben. Wenn dann alles zusammenkommt und noch ein Sternenkreuzer über dieser Szenerie schwebt oder dahinrast, ja, dann ist die Bühne für eine phantastische Geschichte perfekt.
Zum Ausgleich, als humoriges Objekt, treten skurrile Gestalten auf wie der halbaquatische Freund von Major Grubert – der auch einer Augsburger Puppenkiste entsprungen sein könnte.
Der Leser dieser Zeilen merkt sicherlich: Wer Die hermetische Garage liest, muss für alles offen sein und die Überraschung lieben. Sie funktioniert nicht nach den Prinzipien von Dramaturgie. Hier wird erzählt um des Erzählens willen. Der Erzähler weiß nicht, was später kommen mag oder kann. Jederzeit kann eine neue Figur hinzukommen, kann sich eine neue Ebene der hermetischen Garage, dieser vollkommen eigenständigen Welt dem Leser erschließen – oder auch ratzfatz wieder genommen werden. Hier, das ist das wirklich besondere, kann alles passieren – muss aber nicht.
So ist es für jeden Leser das Beste, sich treiben zu lassen, einfach mit der Geschichte zu gehen, schauen, wohin es führt und niemals mit der Erwartung an diese Handlung heranzugehen und für sich selber festzustellen, dass man sie verstehen will – oder gegenüber jemand anderem zu behaupten, dass man sie verstanden hat, weil – so bin ich der festen Überzeugung – das eine glatte Lüge wäre.
Also … ist das ein Spiel?
Ja. Nur so lässt sich die Frage einer der Figuren der Geschichte beantworten. Nur ein Spiel. Eine Rückkehr zur Phantasie. Was passieren kann, passiert und falls nicht, so besteht doch wenigstens zu jeder Zeit die Möglichkeit, dass es passiert. Ganz gleich und völlig unabhängig davon, was vorher passiert ist oder hinterher geschehen wird.
Das ist natürlich vollkommen unbequem und geht absolut gegen jede erzählerischen Kriterien. Jede? Fast jede, denn Kinder, denen eine Dramaturgie fremd ist, die spannendes, lustiges, trauriges, ja auch idiotisches in ihrer Geschichte wollen, würden so erzählen. Moebius hat sich ganz einfach die Freiheit genommen, einmal wieder so erzählen wie als Kind.
Perfekt! … Alles geschieht exakt so, wie ich es vorhergesehen habe.
Nun ist Major Grubert nicht der Imperator, aber eine besondere Macht scheint trotzdem irgendwie mit ihm zu sein. Am Ende scheint es wirklich so zu laufen, wie es soll. Enthusiasten mögen sogar behaupten, Moebius habe ein wenig die Matrix vorhergesehen.
Ungewöhnlich, anstrengend, grafisch wundervoll – mit der hermetischen Garage unterstreicht Moebius seinen ebenso ungewöhnlichen Künstlernamen und gibt ihm erst so richtig Bedeutung. Wer eine leichte Erzählung nach allen Regeln mag: Finger weg. Wer sich auf einen Traum einlassen möchte: Zugreifen. 🙂
Die hermetische Garage: Bei Amazon bestellen