Wie ist das eigentlich, wenn man in einer Stadt lebt, in der es von Helden und Schurken nur so wimmelt? Wenn man selber dem Tod von der Schippe springt, so gerade noch, weil wieder ein Haus explodiert oder ein Automobil durch die Luft segelt, um dann mit lautem Knall neben dir auf dem Asphalt zu landen? Wie das ist? – Anstrengend.
Aus der Sicht ganz normaler Menschen, die nichts mit Geheimidentitäten, Fliegen und Blitzen, die aus den Augen verschossen werden, zu tun haben, kann Astro City sehr anstrengend sein. Aber es kann auch der Ort sein, an dem man sein will, weil es nur dort lebenswert ist – obwohl es auch sehr kurz sein kann.
Kurt Busiek wirft einen Blick auf diese normalen Menschen und beginnt sogleich mit dem Türsteher eines noblen Hotels, einem Menschen, der jeden Tag Fremde kommen und gehen sieht. Aus irgendeinem Grund mag man glauben, dass Menschen, die nur am Eingang eines Gebäudes stehen, keine eigene Geschichte haben, doch das genaue Gegenteil ist der Fall. Langsam blättert Busiek in der ersten Episode das Leben eines Mannes auf, der genau an den Platz gekommen ist, der zu ihm passt.
Vor vielen Jahren hatte Mr. Donacek seine ganz eigenen Erfahrungen mit Superhelden und Schurken. Eigentlich wollte er die Stadt verlassen, aber dann …
In diesen Momenten gibt es häufig ein Aber dann ….
Da ist Manny Monkton, der Comic-Verleger, der die Geschichten der Helden besser erzählen will, lesertauglicher. Manny ist ein alter Hase im Geschäft. Alte Hasen sind nur nicht immer sehr beliebt. Auch Manny nicht, denn er schert sich einen Dreck um die wahren Helden – noch weniger um die wahren Schurken – und so macht sich der alte Fuchs eine Menge Feinde, noch dazu welche, für die es ein Klacks ist, jemanden wie Manny zu beseitigen. Als Sally Twinings bei Bulldog Comics anfängt, hätte sie nicht gedacht, welche Erlebnisse ihr das einmal einbringen wird.
Kurt Busiek beschreibt den Alltag einer Comic-Autorin in Astro City mit einem Augenzwinkern und sicherlich nicht ohne einen Blick zurück (ohne Zorn). Und wie in jeder der vorliegenden Geschichten bringt er eine große Erzählfreude ein – und eine große Portion Gemeinheit.
Es fällt schwer, für sich selbst, als Leser, eine Abstufung zu treffen. Nicht immer verwendet Busiek diesen gnadenlosen Humor, manchmal nimmt er auch nur tragische Zutaten. Ein Schauspieler, der den Helden spielt, versagt völlig, obwohl er es wirklich nur gut meint. Ein Anwalt wird erpresst. Eine falsche Handlung würde den Tod seiner Familie zur Folge haben.
Hier sind die Local Heroes die wahren Helden, die, die eigentlich keine Chance haben, die, die wirklich Mut beweisen müssen. Das bezieht sich nicht nur auf die Normalos, sondern auch auf jene, die bereits ausgedient haben, im wahrsten Sinne des Wortes.
Aber Busiek erinnert sich auch an die klassischen Helden, diejenigen, die einmal vom Lande kamen.
Wenn man wahnsinnig viele Helden gewöhnt ist, dann kann doch so ein Landheld doch nur ein Landei sein, oder?
Hier setzt der Humor wieder ein, so dass Busieks Taktik deutlich wird. Er liebt die Berg- und Talfahrt der Emotionen. So gelingt es ihm, nicht alle Facetten des Superhelden-Genres einzufangen, aber wenigstens sehr viele, vor allem solche, die sich in den klassischen Serien oder Universen eher selten finden, weil die Helden sich nur um sich selber drehen.
Brent Anderson zeichnet die einzelnen Episoden. In zwei Kapiteln wird ihm die Tuschearbeit von Will Blyberg abgenommen, doch am besten sind die Bilder dort, wo Anderson diese Arbeit auch selber macht. Ein sehr schönes Beispiel ist die im 50er Jahre Stil gezeichnete Episode Die schimmernde Rüstung, die gleichzeitig eine Hommage an die alten Zeiten des Comics ist, als die Helden tatsächlich noch einen schimmernden Charakter hatten und nicht in die Schlüpfrigkeit abdrifteten, wie es in der Episode Wo die Action ist angedeutet wird.
Atomicus wird aus einem Atomreaktor geboren und wird gleichfalls zum Zielobjekt einer ehrgeizigen Frau, die sich nichts sehnlicher wünscht, als die Frau eines echten Helden zu werden. Das ist in manchen Teilen nicht nur traurig, sondern auch kitschig, weil der Leser der Erzählerin folgt und schließlich bei ihrer Resignation landet – und einer Zeit, die sie nicht versteht, da ihre Tochter ihre Homosexualität gestanden und so gar nichts mit glänzenden Helden am Hut hat. (Außer, dass sie selber einer ist.)
Das ist nicht nur feinfühlig gezeichnet, auch ebenso erzählt, weshalb sich hier ganz besonders zeigt, warum Busiek und Anderson ein gutes Team sind (fast so gut wie Busiek und Pérez).
Kleine Episoden formen ein großes Ganzes. Ernsthafter als die normalen Universen, immer mit einem kleinen Seitenhieb, mal herzlich, mal ironisch in einer schönen Aufmachung und tollen Covern von Alex Ross, dem Meister der Strumpfhosenhelden.