Wie kam es, dass Mike Blueberry ein Herz für die Indianer entwickelte? Die Antwort auf diese Frage liegt in der Vergangenheit begraben, in einer Zeit, als der Name Geronimo die Armee das Fürchten lehrte. Blueberry muss erleben, welche Menschenverachtung den stolzen Kriegern entgegenschlägt, die nichts weiter wollen, als in Frieden zu leben.
Leider halten viele die Indianer für Wilde. Da sind einmal jene, die nichts weiter sind als Barbaren in Uniform. Und da sind jene, die sich zur Missionierung und Erziehung dieser Wilden berufen fühlen. Und jene, die ihre Arbeit machen, Soldat sind und dieser Aufgabe in der gnadenlosen Vernichtung der Apachen nachkommen.
Es ist ein regnerischer kalter Tag, als die Kavalleristen den völlig betrunkenen Blueberry absolut verdreckt in einem Schweinegatter auffinden und auf die Kutsche verfrachten, um ihn zu seinem neuen Arbeitsort zu bringen. Es ist eine Zeit in Blueberrys Leben, in der ihm alles egal ist. Die einzige Frage, die es zu klären gilt, ist: Wo bekomme ich den nächsten Schluck Alkohol her?
Die anderen Passagiere, allen voran Reverend Younger, selbst ernannter Indianermissionar und –erzieher, vereinfachen die Beantwortung dieser Frage überhaupt nicht. Wenig später stellt sich eine ganz andere Frage, nämlich die des Überlebens.
Blueberry versucht sein Bestes zu geben. In einer Prügelei mit Geronimo ist das aber nicht gerade ausreichend.
Apachen lautet der schlichte Titel des 44. Bandes der Blueberry-Reihe. Hierbei handelt es sich um eine Überarbeitung mit zahlreichen, bisher unveröffentlichten Seiten, Texten und Bildern.
Dieser Band gehört, um es gleich vorweg zu nehmen, zu den Ausgaben von Jean Giraud, die sich mit dem Wörtchen Perfekt umschreiben lassen. – Und wie bei jeder Perfektion gibt es auch kleine Abstriche. Diese verstärken aber den Wert des übrigen Werks.
Zu Beginn scheint es, als sei hier ein älterer Giraud am Werk gewesen, der auch das Szenario dieses Bandes verfasst hat. Da gibt es noch diese Skizziertechnik aus ganz alten Tagen, aber auch eine außerordentliche Feinarbeit, wie sie bei Massenszenen und Landschaften besonders zum Tragen kommt. Da ist der Giraud, der eine Skizze wie ein charakterliches Darstellungsmerkmal benutzt und seine eigenen Schauspieler kreiert, die er nach seiner Regie agieren lässt.
Aus diesem Giraud wird später eine glattere Version, der seine Figuren eher wie ein Architekt gestaltet. Dieser Giraud kommt mit weniger Strichen aus, aber er versucht sich auch immer wieder seinem alten Ego anzunähern, um die Linie der Geschichte zu wahren, optisch wie auch erzählerisch.
Textlich gelingt ihm das, optisch nicht immer.
Der Reverend ist zu Beginn ein wahrer Knochen, hager, widerborstig, so dass ein Peter Cushing ihn hätte spielen können. Obwohl die Geschichte nur über einen engen Zeitraum geht, wird aus diesem Reverend ein wohl genährter Gottesmann. Auch mit Blueberry geht eine leichte Verwandlung vor, die sich mit einer Kurvenbewegung über die Handlung hinweg verteilt beschreiben lässt. Zu Beginn hat er ein eher schwammig breites Gesicht. Dann ist er mal jugendlich schmal, wieder außerordentlich männlich, einem Belmondo sehr ähnlich, bevor er gegen Ende wieder jugendlicher wirkt.
Diese Anmerkungen mögen der Einleitung zuwider laufen, aber dennoch lässt sich nur sagen, dass die Bilder letztlich perfekt sind, jedes einzelne, nur an der Feinabstimmung der Bilder zueinander, die Abstimmung von Alt und Neu, hapert es mitunter.
Ansonsten kann jedes einzelne Bild (oder besser eine Szene) als Basis eines Lehrstoffes für angehende Comic-Zeichner herangezogen werden.
Herausragend sind hier zu nennen der Kampf von Blueberry und Geronimo, Blueberrys Prügelei im Saloon, die abendliche Tischrunde von Captain Noonan und auch der erzwungene Unterricht der Indianer.
Es ist eine traurige Geschichte, die auch von Giraud sehr gut erzählt wird – hier muss er sich nicht hinter Jean-Michel Charlier verstecken. Die Traurigkeit, die Hoffnungslosigkeit all der Bemühungen äußert sich durch die Wahl der einzelnen Schauplätze wie auch der Tageszeiten. Regen, Nacht, Schnee, Matsch, verrauchte Saloons, Gefängniszellen, ein ehemaliges Kloster, das ein Internat sein soll und wie ein Gefängnis aussieht und schließlich ganz zum Schluss der Friedhof.
Drama, Tragik, aber auch der Western sind hier nicht nur in der Erzählung zu finden, sondern auch optisch fühlbar.
Ein grafischer Höhepunkt der Blueberry-Reihe, der auch seinen ganz eigenen Western-Weg geht, in dem am Ende eigentlich alle die Verlierer sind, jeder auf seine Art. Eine tolle eigenständige Episode, die ohne sonstiges Blueberry-Vorwissen genossen werden kann. 😀
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