Vielleicht war es im Knast besser? Ein wenig gewinnt Henry James diesen Eindruck an der Seite seines neuen Kollegen AJ, der ihn in die Geheimnisse der Kammerjägerei einweisen soll. Allerdings sind diese Geheimnisse eher eklig als geheimnisvoll. Oder?
AJ hat darüber hinaus sein ganz eigenes Berufsethos, aber man muss ihm neidlos zugestehen, dass er seinen Job versteht. Der erste Auftrag, das Aufspüren von Mäusen, artet bald in eine Rattenjagd aus, die AJ mit Bravour und einem gewissen Geschick im Messerwerfen löst.
Bei Bug-Gee-Gone schlagen sich Henrys Kollegen mit einem anderen Problem herum. Das Wunderbekämpfungsmittel gegen Schaben, Draxx, hat einen nachteiligen Effekt entwickelt. Eine Chemikalie in dieser Substanz wirkt stimulierend auf die Schädlinge und löst in ihnen Mutationen aus, die bald zum Problem werden könnten.
Saloth, der Chefchemiker der Firma, sieht die Zukunft pechschwarz. Falls sich keine andere Lösung findet, muss Code IV zum Einsatz kommen, doch das war eigentlich eine militärische Entwicklung und ist derart gefährlich, dass Menschen sich penibel selbst bei einem Einsatz schützen müssen.
Derweil hat AJ herausgefunden, dass Draxx auch eine interessante Wirkung auf ihn hat – intravenös jedenfalls. Und während er wieder einmal damit beschäftigt ist, sich den Lohn für eine Arbeitseinheit in Naturalien abzuholen, macht Henry eine furchtbare Entdeckung.
Ein ungewöhnliches Thema für einen Comic – Ekel garantiert.
Schaben, Käfer, Spinnen, Ameisen, Mäuse, Ratten und anderes vielbeiniges Getier sorgt bei dem einen oder anderen für Gänsehaut. Diese Leser sind hier richtig. Und für den Rest ist trotzdem Spannung garantiert, denn so wie Simon Oliver das Thema der Kammerjägerei am Rande der Gesellschaft aufbereitet hat, ist es auch ein Abbild des Kaffeesatzes des amerikanischen Traums – allerdings verheißt dieser Kaffeesatz keine besonders tolle Zukunft.
Die Ärmeren können sich keinen Kammerjäger leisten – oder nur billiges Insektenbekämpfungsmittel, über die Viecher wie die Schaben nur lachen können. Zu hoher Einsatz von Vertilgungsmitteln hat ungeahnte Folgen.
Als Zeichner für diese nicht nur ungewöhnliche, sondern auch außergewöhnlich gute Geschichte konnte Tony Moore gewonnen werden, der hierzulande mit dem Serienauftakt von The Walking Dead von sich reden machte. Moore zeichnet einerseits realistisch, aber er könnte auch als Zeichner von Spawn in Betracht gezogen werden, weil er aus einer ähnlichen Schule wie Angel Medina kommen könnte. Nur ist sein Zeichenstil nicht ganz so fein ausgearbeitet und er kommt mit weitaus weniger Strichen aus.
Dafür hat in er in Sachen Ekelfaktor die gleiche Begabung wie Angel Medina. Außerdem kann er hier aufgrund des Themas gut mit Bernie Wrightson verglichen werden. Wer die Gelegenheit hat, im Vorfeld die Comic-Adaption von Stephen King’s Creepshow zu lesen, genauer die letzte Geschichte Der Wanzenhasser (engl. They’re creeping up on you), sollte sich dies als eine Art Prolog gönnen.
Zurück zu den Käferkillern.
Käfer und Ratten zu zeichnen ist eines, menschliche Abgründe ein ganz anderes.
Simon Oliver dürfte mit der Rattenjagd im Hause eines Schwesternpaares eine der seltsamsten Vorgaben für einen Zeichner geschrieben haben. (Auch für Tony Moore, der bereits mit Zombies umzugehen verstand.) Amerika weiß immer wieder mal mit einer Nachricht über einen fettleibigen Menschen aufzuwarten, der nur mit industriellen Lastenhebern und der Feuerwehr aus seiner Wohnung gebracht werden konnte. Hier begeht eine Ratte bewusst Selbstmord, weil es sein Versteck unter dem Sofa eines solchen Menschen nicht mehr länger erträgt!
Diese kleine Episode, die nur die Spitze des Eisbergs im Ideenkatalog von Simon Oliver ist, bringt sehr schön seine Sicht der Dinge in diesem Band auf den Punkt.
Junkies, Fresssüchtige, Freaks, Exknackies, Schläger, seltsame Wissenschaftler, karrieregeile Manager (und auch ein paar Harmlose) stehen einer unzähligen Schar von Kakerlaken gegenüber, die schließlich ohne Hemmungen ans Tageslicht kommen.
Man würze dies mit einem Geheimnis über einen ägyptisch anmutenden Skarabäus und fertig ist Horror pur mit einem Schuss Sozialkritik und untergemischten Thrillerelementen.
Sehr gut gezeichnet dank Tony Moore, noch besser erzählt von Simon Oliver. Wer mit den erwähnten Zutaten etwas anfangen kann und sich nach den gängigen Horrorgeschichten nach einer kleinen Innovation sehnt, sollte bei dem Comic-Händler seines Vertrauens einen Blick riskieren. – Es könnten mehr werden.
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