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Comic Blog


Donnerstag, 05. Juni 2008

Remember

Filed under: Abenteuer — Michael um 18:36

RememberEine Jugend mit Träumen, mit der Verweigerung der bestehenden Werte. Etwas tun wollen, was andere nicht mögen. Einen Weg gehen, der anderen zu steinig ist. Ein Mensch kann sich als Ausgestoßener fühlen, wenn er sich und seine Kunst unverstanden glaubt, wenn er nicht zu Kompromissen bereit ist. Auf einem Comic-Festival begegnet die junge Yu Xin einem Comiczeichner, der ein beeindruckendes Talent besitzt. Aber nicht veröffentlicht. So oft er mit seiner Kunst Geld verdienen wollte, so oft wurde er für seine Arbeit zurechtgewiesen.

Yu Xin arbeitete einst erfolgreich als Comiczeichnerin, doch im Sinne der Gesellschaft war dies eine Aktivität ohne Zukunft. Yu Xin fügte sich und suchte sich nach dem Studium eine Stelle als Sekretärin. Die Begegnung mit diesem rebellischen Künstler reißt alten Wunden bei ihr auf. Wenig später gibt sie ihr bisheriges Leben auf, nur um zu ihren alten Träumen zurückzukehren.

Was heißt: „Sie küssen sich.“?! Der Leser könnte das unüberlegt nachmachen. Außerdem hat das Mädchen einen zu kurzen Rock.

Das Verständnis einer biederen und überaus konservativen älteren Generation steht im vollkommenen Gegensatz zu den Wünschen der jungen Menschen. Comics sind nicht schlecht, aber sie gehören auf Linie gebracht – und die jungen Menschen gleich mit.
Ständig hinterfragen sich diese jungen Menschen, ständig rechtfertigen sie sich, ständig wehren sie sich, ständig unterschätzen sie sich, aber – wie jeder junge Mensch – sie überschätzen sich und ihre Erkenntnisse auch.

Glaub mir, so ändert sich nichts. In dieser Welt kannst du nur dich selbst ändern.

Selbstzerstörung alleine genügt nicht. Alles um den jungen Comiczeichner herum wird abgelehnt, sogar die Zuneigung von Yu Xin, die er so dringend nötig hat – was er natürlich erst so richtig bemerkt, als sie ihm den Rücken kehrt.
Die erste Geschichte Niemand kann fliegen – Niemand kann sich erinnern ist ungewöhnlich für einen Comic. Sie ist ungewöhnlich ernst und einfühlsam. Und sie ist ungewöhnlich schön gemalt. Da Benjamin in Personalunion schreibt und malt, ist diese, wie auch die nachfolgende Geschichte aus einem Guss. Neonfarbene Grün- und Blautöne bieten ein kaltes Bild dieser Welt um die beiden Liebenden herum. Vereinzelt wird die Kälte durchbrochen, zumeist mit Pastelltönen, ganz selten von einem knalligen Rot. Im Grundsatz ist die Atmosphäre eisig.

Bemerkenswert ist die Traurigkeit dieser jungen Menschen. Die Grundhaltung erinnert an die 50er Jahre des letzten Jahrhunderts in Europa und auf dem nordamerikanischen Kontinent. Sie sind auf ihre Art rebellisch wie James Dean und Natalie Wood, desorientiert, angewidert, auf der Flucht. Selten waren optisch derart schöne Menschen so traurig.
Interessanterweise erkennt Benjamin in einem Nachwort zur Geschichte vieles, was auch der Leser sieht, aber er redet sich auch in dem Maße klein, wie sein Protagonist sich groß redet.

Die nächste Geschichte, Der Sommer in jenem Jahr, beginnt sehr bunt, wieder in diesem beinahe märchenhaft zu nennenden skizzenhaften Zeichenstil, bevor sie in einem graugrünen Alptraum eines jugendlichen Alltags versinkt, der so in einer westlichen Kultur nicht denkbar erscheint. Die Trennung zwischen Stadt- und Landleben, in der von Benjamin beschriebenen Welt, ist auch noch eine Trennung von Kultur und Zeit in einem Land.

Unter Eine Welt der Farben wartet Benjamin mit einer ganzen Reihe von Portraitzeichnungen auf. Sicherlich ist es jeweils nur ein Bild, doch es ist spürbar – wie in jedem guten Portrait – dass sich eine Geschichte dahinter verbirgt, oder wenigstens verbergen kann. Benjamin erläutert diese Bilder anhängig. Man mag diese Erläuterungen annehmen, seinen eigenen Ansichten beifügen oder auch abschütteln.
Die Bilder zeigen natürliche Situationen wie auch solche, die einem Computerspiel entstammen könnten. Gelacht wird in den Portraits nur in Ausnahmefällen.
In einem anhängigen Portraitfoto von Benjamin selbst sieht der Künstler auch nicht sehr glücklich aus – aber es ist auch eine durchgängig kühle Traurigkeit, die ein Mitgefühl schwierig macht.
Und wenn ich die diversen Texte von Benjamin lese, die begleitend vorhanden sind, weiß er das auch.

Schöne Comic-Kunst, gefühlvoll inszenierte Momentaufnahmen, keine leichte eingängige Kost, ein Kulturbild, wie es der Künstler in China sieht, ein kulturelles Gefühl, wie es für Außenstehende heute nur schwer zu begreifen ist. Wer sich mit ernsthaften, echten Themen im Comic auseinandersetzen will, sollte zugreifen. 🙂

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