Im Tempel des nachhaltigen Friedens und der heiteren Gelassenheit tobt ein Kampf, der so gar nichts mit der Namensgebung dieses ehrwürdigen Hauses zu tun hat. Alix hat ihre Mitschüler mit Bravour besiegt, aber der Meister ist noch nicht zufrieden, denn die allerletzte Prüfung steht noch bevor.
Nachdem auch dies gemeistert ist, erfolgt der erste Auftrag. Die kleine rote Fliege wird der goldenen Fliege zugeteilt. Das Ziel heißt Hongkong, eine Stadt unter britischer Verwaltung, ein überkochender Moloch, der mit der kommunistischen Landschaft Chinas wenig gemein hat.
Ein Ausflug in die Hochzeit des Kalten Krieges ist immer eine literarische Reise wert, ganz besonders dann, wenn es außerdem in den asiatischen Raum geht.
Wie bereits andere Autoren vor ihnen haben sich Yann und Conrad mit Spannung, süffisantem Witz und manchmal derbem Humor dieser Szenerie angenommen und beschreiben die Jagd auf eine verloren gegangene amerikanische Atombombe.
Chinesische Geheimdienste, Triaden und Gangster dieser Zeit waren schon Comic-Themen. Als Beispiele mögen hier die Abenteuer von Bob Wilson (In den Pranken des Tigerdrachen) und Nero (Der Hundesalon) genannt sein.
Teilweise wirkt das Abenteuer um Alix, die nagelneue Agentin Im Geheimdienst des großen Steuermanns, als habe man einen Draufgänger wie Bob Wilson in der Figur von Francis Flake karikieren wollen. – Oder vielleicht direkt alle männlichen Engländer zwischen 20 und 50.
Der Humor, der sich hier äußert, könnte auch eine Komikertruppe wie den Pythons eingefallen sein. Francis Flake, obwohl ein Spezialagent im Geheimdienst ihrer Majestät, hat immer noch feuchte Träume, zumeist – Freud hätte seine Freude daran – über seine Mutter. Immerhin erschreckt es Francis wenigstens bis auf die Knochen.
Solch ein Mann hat nun den Auftrag eine Atombombe irgendwo in Asien zu finden. Der Leser kann sich sehr gut vorstellen, welches Chaos dieser Mann bei seinen Nachforschungen auslösen kann.
Yann und Conrad wären nicht die Autoren, die sie sind, wenn sie sich auf diesem Pink-Panther-Prinzip ausruhen würden. Und so steht Francis ein unbedarftes chinesisches Mädchen entgegen, schlau, wehrhaft, jungfräulich, die in dieser gezeichneten Form wohl den niedlichsten Schmollmund seit Angelina Jolie besitzt.
Wer bei all diesen Beschreibungen glaubt, er habe es – auch dank der Zeichnungen – mit einem eher harmlosen Cartoon zu tun, der täuscht sich. Hier stehen sich Form und Inhalt einander gegenüber. Es rollt schon mal ein Kopf, es gibt ein wenig Sex, Action, aber auch sehr stark vermengt mit zum Teil absurdem Humor, der niemanden vergisst. Hier wird keiner bevorzugt, alle bekommen ihr Fett weg – das britische Empire ebenso wie das Land des großen Steuermanns Mao Zedong. Kurzum, es ist gut, wenn eine Geschichte nicht nur herrlich schräg, sondern auch politisch absolut unkorrekt ist.
Yann hat schon mit anderen Geschichten wie Helden ohne Skrupel oder Poison Ivy gezeigt, wie er mit dieser Unkorrektheit spielen kann und dem Leser so einen Gag nach dem anderen serviert. Alix Yin Fu, die Hauptfigur, ist wie alle anderen und die Umgebung in einem locker leichten Strich gezeichnet. Das karikiert ziemlich viel dessen, was der Leser aus einschlägigen Geschichten kennen mag. Merkwürdig gewandete und bandagierte Killer treten hier gleich im Dutzend (+1) auf.
Die leichten, und nicht immer genau sitzenden Tuschestriche sind ein klein wenig auch nostalgisch anmutend. Wie in Zeiten, als Comics noch überaus aufregend waren, weiß auch dieser Auftakt um Alix und den englischen Fang Pi (Stinkefurz) dieses Gefühl wiederzuerwecken. Weniger alte Nostalgiker werden ganz einfach ihren Spaß mit dieser Geschichte haben.
Mit übersprudelndem Humor, derbem Spaß, satter Action und einer schnuckeligen Hauptfigur startet das Rennen um Fat Girl, die verloren gegangene Atombombe. Yann ist ein Spaßvogel, wie es zurzeit nicht viele im Comic-Bereich gibt. Mit Conrad bildet er ein perfektes Team. Wer es englisch pechschwarz mag, ist hier genau richtig. 🙂
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