Rick und Michonne hat es nach Woodbury verschlagen. Eigentlich sollte der Fund weiterer Überlebender in einer geschlossenen Siedlung für Freude sorgen, doch das Gegenteil ist der Fall. Für Rick und Michonne wird der Aufenthalt zur schlimmsten Zeit ihres Lebens seit der Auferstehung der wandelnden Toten.
Dem Mann, der sich selbst den Titel Gouverneur verliehen hat, verdankt Rick den Verlust seiner rechten Hand. Michonne ergeht es noch viel schlechter. Sie ist zur unfreiwilligen Gespielin des Gouverneurs geworden, der an ihr seine Lust und Launen auslässt. Aber das Blatt wendet sich.
Nicht alle Bewohner von Woodbury sind mit den Gegebenheiten einverstanden. Die Zweikämpfe inmitten einer Gruppe angeketteter Zombies finden auch nicht jedermanns Geschmack und wüssten die Menschen, was sich hinter der Wohnungstür des Gouverneurs abspielt, wäre eine offene Revolte vorprogrammiert.
So finden sich nur ein paar Menschen, die bereit sind, Rick und Michonne zu helfen. Der Weg aus Woodbury heraus ist nicht leicht. Der Weg durch die Wildnis gestaltet sich schwieriger. Aber was die Heimkehrer und Neuankömmlinge zu Hause erwartet, ist noch viel schlimmer.
Die 6. Folge der Reihe um die Überlebenden der Zombie-Katastrophe wurde von Robert Kirkman als Horrortrip zum Quadrat geschrieben. – Und wie zuvor geht der größte Horror von den Menschen aus, denn die Untoten sind wenigstens berechenbar.
Michonne, eine Späteinsteigerin der Reihe hat sich zu einer der Hauptfiguren gemausert. Nach der Tortur, die sie erleben musste, ist ihr das Mitleid des Lesers gewiss gewesen. Nach der Rache, die sie an Philip, ihrem Peiniger, dem selbsternannten Gouverneur, übt, mag man als Leser diesem Gefühl nicht mehr folgen. Hatte sich ihr Peiniger als Tier erwiesen, mit Spaß an der Gewalt, geht sie bei ihrer Rache mit einer chirurgischen und eiskalten Präzision nach, die sie selbst auf einer gewissen Stufe der Gewalt erschöpft und anwidert. Michonne ist zu etwas noch schlimmeren geworden als der Gouverneur.
Und sie ist nicht die einzige, die eine Wandlung durchläuft. Auch Rick, der ehemalige Polizist, stellt Veränderungen an sich fest. Die Ziele sind plötzlich glasklar umrissen. Der Schutz der eigenen Leute, im Kern, der eigenen Familie, steht an erster Stelle. Ansonsten gibt es nichts mehr. Gehandelt zum Erreichen dieses Ziels wird ohne nachzudenken und mit absoluter Konsequenz.
Mit dem Erwachen der Toten ist bei manchen Überlebenden etwas gestorben. Etwas, das sie binnen kurzer Zeit nicht einmal vermissen.
Nach einer Weile ist man als Leser dankbar, dass es wieder die Zombies sind, die den Horror der Geschichte ausmachen.
Robert Kirkman schenkt dem Leser in dieser Episode nichts. Es bleibt nichts dem Zufall überlassen – und kaum etwas der Phantasie. Der Angriff auf dieses kribbelnde Gefühl im Magen, das sich bei extremem Horror einstellt, ist frontal.
Wer annimmt, es handele sich bei dieser Reihe um eine Art Fun-Splatter, wie er früher einmal populär war (und mitunter ist, siehe Marvel Zombies), sieht sich hier gewaltig getäuscht. Angesichts der Leiden, die hier durchstanden werden, ist für Spaß kein Platz. Zuschauer von einst, die eine Testvorführung von Der Marathon-Mann, genauer nach der Zahnarzt-Szene, mit Übelkeit verließen, würden hier schreiend davonlaufen.
Allerdings ist die Heftigkeit der Brutalität auch genau berechnet. Was zeigt man, was überlässt man der Phantasie des (wahrscheinlich meist männlichen) Lesers?
Wäre Michonne nicht eine Figur von Robert Kirkman, könnte sie auch dem Ideenreichtum eines Frank Miller entsprungen sein, der es auf ähnliche Weise versteht, mit der Gewalt zu spielen und sie wie ein Instrument einzusetzen.
Das gnädige Schwarzweiß der Bilder von Charlie Adlard bewahrt den Leser vor einem härteren Eindruck. Ein unbestimmbarer dokumentarischer Charakter lässt sich an den Bildern ablesen, ein wenig so, als wäre ein Zuschauer mit einer Handkamera anwesend und filme Angelegenheiten, die ihn nichts angingen. – Eine Technik, die inzwischen auch auf der Leinwand mit Diary Of The Dead und [REC] Einzug gehalten hat.
Noch immer ist ausgerechnet ein Gefängnis der Zufluchtsort der Hauptfiguren.
Ausgerechnet ein Gefängnis will gegen äußere Feinde verteidigt sein. Diese Umkehr der Verhältnisse des realen Amerika hat seine Wirkung auch in dieser Fortsetzung nicht verloren. Die Düsternis der Geschichte und die Hoffnungslosigkeit – obwohl sich die Figuren beständig dagegen auflehnen – sind ein Erfolgsmerkmal dieser Reihe.
Die Zombies sind eher zu Nebendarstellern geworden, einem permanenten Naturereignis, kaum furchtbarer als die Resultate von Naturkatastrophen.
Kaum vorstellbar nach all den Ereignissen: Der 6. Band ist einer der härtesten. Spätestens nach der Hälfte der Lektüre dürften die Nerven blank liegen. Robert Kirkman gibt der Thematik Weltuntergangsszenario ein neues furchtbares Gesicht, wie es im Comic kaum zu finden ist.
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