In alter Zeit trägt sich in der verschneiten Winterlandschaft Britanniens eine merkwürdige Begebenheit zu. Ein Kind ohne Vater wird geboren. Noch verängstigt über diesen Zustand erlebt die junge Mutter wenig später, wie der Säugling sie tröstet und mit klarer Stimme zu ihr spricht.
Myrddin, so der Name, den sich der Junge selbst gegeben hat, ist außergewöhnlich. Er kann in die Zukunft blicken, kennt die Menschen besser, als sie sich selbst. Er liebt die Natur und spricht zu den Tieren. Myrddn wird für das Schicksal Britanniens im Laufe seiner Lebensalter immer wieder wichtig werden.
Es ist keine ruhige Zeit. Einige Kriegsherren versuchen die Häuptlinge landauf und landab unter ihre Herrschaft zu zwingen. Verschiedene Volksstämme liegen beständig miteinander im Streit. Dazwischen erreichen immer wieder neue Eroberer oder Plünderer die Küsten. Trotzdem findet unter den einheimischen Stämmen keine Vereinigung gegen die äußeren Feinde statt.
Vortigern hat mit frechen Winkelzügen und ungehemmter Brutalität an die Macht gelangen können, hat sich dabei jedoch den Zorn der Pikten zugezogen. Ein Verrat jagt den nächsten und so ist das nächste Massaker auch nicht mehr fern. Hengist sucht offensichtlich den Frieden seines Volkes, der Lloegrier, mit den Kymry. 300 friedfertige Häuptlinge folgen seiner Einladung, den Frieden mit einer Feier zu besiegeln, doch Hengist führt Arges im Schilde. Auf dem Höhepunkt fallen seine Lloegrier über die Kymry her und töten sie. Nur ein Häuptling kann entkommen.
Immer noch fürchtet Vortigern die Rache seiner Feinde. Die Festung, die er bauen lassen will, stürzt jede Nacht aufs Neue ein. Das Blut eines Kindes, das keinen Vater hat, soll die Götter milde stimmen, damit der Bau abgeschlossen werden kann. Myrddin, inzwischen zu einem Jugendlichen herangereift, folgt den beiden Männern, die ihn zu Vortigern bringen sollen. Als Myrddin die Baustelle erreicht, entwickelt es sich ganz anders, als von den Weisen um Vortigern vorhergesehen.
Arthur – Ein keltisches Heldenepos entführt den Leser mit dem ersten Teil Myrddin, der Verrückte in jene mythologische Heldensage um Arthur, den berühmten König von Britannien. Anders als die bereits bekannten Neuerzählungen setzt diese auf viel mehr Einzelheiten, bleibt näher am Kern der tatsächlichen Historie und entwirft einen Myrddin, der ansonsten gemeinhin als Merlin bekannt ist.
Myrddin ist gänzlich anders als jenes Bild, welches über die Jahrzehnte in den Köpfen der Leser und Zuschauer entstanden ist. Die Ritter der Tafelrunde im Film, Prinz Eisenherz in Comic und (erster) Verfilmung oder auch der Kampf der Hexenmeister von Walt Disney, in dem Merlin gegen Madame Mim kämpft, zeigen einen in Ehren ergrauten Merlin, weise, jedoch uralt. Die jüngeren Verfilmungen mit Sam Neill zeigen zwar die Lebensgeschichte des Merlin, aber von dieser hier gezeigten Form ist er weit entfernt.
Denn die Geschichte um Myrddin nimmt sich auch der Nebencharaktere mit außerordentlicher Sorgfalt an. Mutter und Schwester Gwendydd, Gywon Bach alias Taliesin, Rydderch (Gwendydds Ehemann und guter Freund Myrddins), Hengist, König Emryn und viele mehr.
Das Geheimnis um den Steinring von Stonehenge und seine Entstehung wird gelüftet – wenigstens teilweise, da Myrddin nicht alles preisgibt.
Bereits von Kindesbeinen an wird Myrddin von David Chauvel gemäß seiner keltischen Vorlage geschildert. Er ist von Beginn an weise, hat das zweite Gesicht und besitzt eine große Macht für Zaubertricks, die die Menschen um ihn herum verblüffen. Und er ist ein großes Kind. Einerseits frech und vorlaut, andererseits liegt in ihm auch ein starker Sinn für die Wunder um ihn herum.
Kurz gesagt, David Chauvel gelingt es, seinen Myrddin sehr sympathisch wirken zu lassen. Das Leid, das ihn in der Folge überfällt, sein Zorn, sein Wahn und sein Hass, lassen ihn mehr zu einem Menschen werden, der dank seiner Freunde auch wieder genesen kann – was seine Taten, die er im Wahn beging, nicht mindert.
Jerome Lereculey gibt die keltische Welt als Zeichner wider. Dies macht er mit äußerster Akribie. Seine Männer tragen keltische Kleidung mit schönen Verzierungen, gewaltigen Bärten, behaarten Unterarmen. Sie sind harte Männer, für die der Krieg zum Alltag gehört. Sie gehen optisch in ihrer Umgebung auf, in den Festungen und Hütten, im Glanze der Lager- und Herdfeuer, auf den weiten Wiesen und den hohen Felsen wie auch in den Schlacht- und Kampfesszenen.
Lereculey zeichnet sehr fein und aussagekräftig. Derbes wie auch feingliedriges Aussehen der Menschen macht die Charaktere zu jeder Zeit wieder erkennbar.
Die Mythologie wird nur angeritzt, doch dies ist bereits ein Schauspiel für sich. Kern dieser Szenen ist der Ausbruch der kämpfenden Drachen aus der Erde, ein Schauspiel, mit dem Lereculey zeigt, wie viel Wert er auf Einzelheiten legt.
Häufig aus dem so genannten Off erzählt, dürfte der Auftakt zur berühmten Arthur-Sage zu den schönsten Versionen dieser Umsetzungen allgemein gehören. Liebevoll und voller Details in Erzählung und Zeichnung umgesetzt, dürfte diese Reihe für Leser interessant sein, die Tiefgang und Sorgfalt in einem Comic zu schätzen wissen. Sehr gut. 🙂
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