Die Überfahrt sollte eigentlich ein Kinderspiel werden. In normalen Zeiten wäre sie das auch sicher gewesen, aber in Zeiten, in denen nur noch Frauen auf der Erde wandeln, ist nichts mehr normal.
Agent 355, die Yorick Brown aus seinem Versteck befreien will, wird leider von zweien der Matrosinnen erwischt. Ein Mann, kein Testosteron-Junkie, ein echter Mann erregt sofort die Aufmerksamkeit des weiblichen Kapitäns. Völlig uneigennützig erklärt sie sich bereit, Yorick in ihrer Kajüte zu verstecken.
Was hat es mit diesem Schiff auf sich? Tatsache ist, dass auf diesem umfunktionierten Kreuzfahrtschiff nicht alles so ist, wie es den Anschein hat oder wie so mancher behauptet. 355, der Doc und Yorick haben sich einfach eine Passage erhofft. Wahrhaftig jedoch finden sie sich mitten in einem Schmugglerszenario wieder. Die australische Marine hat bereits jemand in die Mannschaft eingeschleust, um das Geschäft zu beenden. Schlimmer noch für Yorick und seine Begleitung: Ein U-Boot befindet sich auf Abfangkurs.
Zuneigung und Liebe ist ein nicht gerade einfaches Unterfangen geworden in einer Welt, in der nur Frauen leben. Welche Bedeutung hat das Wort Hetero in dieser Welt noch? In einer Welt, deren Ende sich mangels Nachwuchs hochrechnen lässt?
355 ist nicht nur im Kampf ausgebildet, sie kann auch noch stricken. Ganz besonders dann muss sie stricken, wenn sie ein sehr triebhaftes Gefühl befällt. Der Doc hat von Yorick erfahren, was es mit dieser Strickerei auf sich hat. Ein drei Meter langer Schal steht für einen sehr großen Zeitraum der Triebunterdrückung. Es geschieht aus Zufall, unbeabsichtigt. 355 und der Doc landen zusammen im Bett. Der nächste Tag bringt nicht erst die Ernüchterung, sondern bereits die Nacht, denn sie werden von Yorick erwischt.
Aufgewühlte Gefühle und internationale Verwicklungen sind ein Klacks gegen das, was den drei Reisenden noch bevorsteht. Bald scheint alles in einem Inferno unterzugehen – im wahrsten Sinne des Wortes.
Und Beth, Yoricks Verlobte auf der anderen Seite des Erdballs? Dank der Ureinwohner hat sie eine Vision und plötzlich ein Ziel. Es gibt Hoffnung.
Die Erzählung von Y- The Last Man weiß gleich von Beginn an zu packen. Mit dieser Serie findet sich eine leise, aber auch hintergründige Science Fiction Serie, wie sie in einer Heft-Reihe sehr selten ist.
Yorick ist auf der Reise. Nachdem sein Affe Ampersand, das einzige andere männliche Wesen auf dem Planeten, gestohlen wurde, bemühen sich er und die beiden Frauen 355, seine Leibwächterin, und Dr. Mann, nach Japan zu gelangen, wo sie den Affen wiederzufinden hoffen. Wie mühselig eine Reise werden kann, in der technische Errungenschaften wie auch Personal ausgefallen sind, zeigt sich hier auf drastische Weise.
Alles hat sich verändert. Es ist nicht einmal ein direkter Rückschritt, es ist ein Andersschritt. Vieles mag noch so aussehen wie vor der Katastrophe, dennoch fühlt es sich anders an. Notbehelfe sind an der Tagesordnung. Die Imitation einer vergangenen Zeit gehört zum Alltag. Wut und Hoffnung gehen Hand in Hand. Dank Brian K. Vaughan ist sein Hauptcharakter Yorick Brown vielen Frauen begegnet. Einige flüchteten sich in irre Sekten-Phantasien oder rasteten auf andere Art aus. Ein paar versuchten einfach ihren Job zu machen, so wie Yoricks Mutter, die an einem funktionierenden Land arbeitet. Andere improvisierten, nahmen Stellen ein, die früher ein Mann innehatte.
So verhält es sich auch an Bord der Whale, jenem Schiff, das Yorick und seine Freunde nach Asien bringen soll.
Kapitän Kilina hat nicht nur aus der Not eine Tugend gemacht, sie hat auch für sich einen Weg gefunden, um die Handelsbeziehungen wieder anzukurbeln. Neuer Handel bringt neue Konflikte. Territorien sind kein Freiwild. Im Gegenteil, denn Australien versucht sich gegen das, was an seine Küste schwemmt zu wehren: Drogen.
Auch dies gehört zum neuen Alltag dieser Welt. Wer es nicht anders schafft, setzt auf die Flucht in den Rausch. Das berühmte Opernhaus in Sydney ist zu einer Opium-Höhle verkommen.
Vaughan balanciert auf dem Grad zwischen einer Spannung, die sich nicht nur innerhalb eines Kapitels unaufhörlich steigert. Allein diese Welt ohne Männer, in der alles irgendwie neu geregelt werden muss, bietet eine Vielzahl von Möglichkeiten, die Vaughan sich Stück für Stück zueigen macht und trefflich nutzt.
Die Stimmen der Washington Post umschreiben es auch als Gesellschaftskritik, was hier geboten wird. Es ist selten genug, dass dies auch von einem Comic behauptet werden kann – überhaupt läuft Y – The Last Man schon durch seine Thematik konkurrenzlos. Vaughan hat hier ein sehr glückliches Händchen bewiesen, indem er ein Thema wählte, die sich nicht vergleichen lässt. Allenfalls könnte man behaupten, es mit einem Science Fiction Road Movie zu tun zu haben, nur nicht von Küste zu Küste, sondern einmal um die ganze Welt.
Pia Guerra hat sich inzwischen bewährt. Am Start der Reihe tat sie sich noch ein wenig schwer, aber jetzt ist Routine und Versiertheit eingekehrt. Die Zeichnungen sind geradeheraus, ein wenig kühl vielleicht, aber ansehnlich. Man mag kritisieren, dass all die überlebenden Frauen eine Spur zu hübsch geraten sind. Vielleicht haben sie in Folge mangelnder Mahlzeiten aber auch (fast) alle auf Model-Masse abgenommen.
Zweifellos sind die Gesichter unterscheidbarer geworden und weisen mehr Charakter auf. Im Gesamtergebnis gibt es einfach nichts zu bemäkeln, weshalb die Geschichte nur genossen werden sollte.
Ein Wort noch zu den Covern von Massimo Carnevale: Top! Ein Posterkalender oder eine kleine Ausstellung seiner Werke würde ich gerne einmal sehen.
Ein tolles Science Fiction Szenario im Stile der Weltuntergänge der 70er Jahre. Ein Männertraum wird zum Alptraum, bestens inszeniert von Brian K. Vaughan und Pia Guerra. 😀
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