Bob Morane und sein Freund Bill Ballantine wollen sich eigentlich ein paar schöne Tage in der Nähe von Hongkong machen. Ein Angelausflug, bei dem Bill mehr an der flüssigen Verpflegung interessiert ist als an den Fischen, wird schnell zu einem Abenteuer. Überrascht sehen die beiden Freunde, wie eine Dschunke ein kleines Boot aufbringen will. Als die ersten Schüsse fallen, lassen sich Morane und Ballantine nicht lange bitten.
Ihr Motorboot macht den Piraten einen Strich durch die Rechnung. Sie retten den verletzten Mann und müssen auch noch feststellen, dass sie ihn kennen. Was macht ein Spezialagent von Scotland Yard so fern der Heimat?
Nachdem der Agent wegen seines Krankenhausaufenthaltes ausfällt, machen sich Morane und Ballantine daran, dessen Kontaktmann ausfindig zu machen. Kurze Zeit später machen sie sich schon in der örtlichen Glücksspielszene unbeliebt. Sie legen sich mit Madame Lung an, die ein eigenes Kasino betreibt, aber offensichtlich an ganz anderen Geschäften interessiert ist.
Bob Morane – Atome und Drachen vereint die drei Abenteuergeschichten Die Atomschmuggler, Die Söhne des Drachen und Operation Schwarzer Ritter.
Die in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts entstandenen Comics basieren auf einer sehr bekannten Roman-Reihe, die in Frankreich ähnlich erfolgreich ist wie bei uns John Sinclair, Jerry Cotton oder unser Mann im All Perry Rhodan. Bob Morane, ehemaliger Militär, erlebt zusammen mit seinem Freund Bill Ballantine Abenteuer, die in den weiten Bereich des Verbrechens führen. Atomschmuggel und Rauschgift sind Themen, die zu Auseinandersetzungen mit Banden führen, weil Morane und Ballatine sich gerne einmischen.
Ein wenig erinnern die beiden auch an James Bond, mit dem Unterschied, dass ihre Eigenschaften auf zwei Personen aufgeteilt sind. Die holde Weiblichkeit ist auch stets ein Thema, als Begleiterin und, eigentlich wichtiger, als Gegnerin. Die Emanzipation hat hier schon zugeschlagen. Während bei dem erwähnten Superagenten die Damenwelt eher noch bessere Handlanger sind, ziehen die Frauen hier im Hintergrund die Fäden. Durchtriebene Bandenchefinnen wie Miss Ylang-Ylang oder Madame Lung lassen die Männer nach ihrer Pfeife tanzen. Kaltblütig und sehr strategisch sorgen sie für die Abwicklung ihrer Geschäfte. Dabei lassen sie sich von kurzfristigen Rückschlägen – die sie von Morane beigebracht bekommen – nicht beirren.
Eine weitere Ähnlichkeit zum Superagenten aus England findet sich auch mit der Spionageorganisation SMOG, die doch sehr stark an SPECTRE erinnert, jene Verbrecher, die mit ihren durchnummerierten Gangstern allerhand Attacken auf die freie Welt durchführten.
Henri Vernes’ Welt ist auf Spannung und Unterhaltung ausgelegt. Er selber gibt zu, dass er nichts Neues erfunden hat und auch von den Geschichten seiner Jugend inspiriert wurde. Damit befindet er sich beispielsweise mit Steven Spielberg auf gleicher Augenhöhe, der ein ähnliches Geständnis zu Indiana Jones zum Besten gab.
Bei genauerem Hinsehen trifft dies auf viele Abenteuergeschichten zu. Nur die Frage nach dem Wie muss geklärt werden. Ist es anders erzählt? Ist es gut erzählt? Machen die Geschichten Spaß und unterhalten sie?
Die Antwort ist schlicht: Ja.
Die Geschichten sind nicht nur gut erzählt, sondern sie sind auch passend dargestellt durch das Zeichner-Urgestein William Vance. Seine Männer und Frauen sind in der Tradition anderer Abenteurer wie Dan Cooper, Michel Vaillant oder Buck Danny dargestellt. Kantige Typen und schöne Frauen in perfekt ausgestalteten Szenarien. Die Abenteuer von Vance sind bei genauer Betrachtung auch kleine Zeitreisen. In diesem Sammelband werden die 70er Jahre lebendig mit den alten Flugzeugen und Fahrzeugen, einem alten Hongkong (immerhin über 30 Jahre) und futuristischen Aussichten. Letztere sind immer bestaunenswert, da die Ideen einer möglichen Technik in der Zukunft rückblickend auch viel über diese Zeit aussagt.
Wenn sich die beiden Freunde nach den Thrillern plötzlich in einer Science Fiction Geschichte wieder finden, mag dies zunächst wie ein Stilbruch wirken. In Wirklichkeit folgen sie damit nur dem Motto von Vernes: Die Welt ist mein Reich. Die Technik der Hyperboräer ist schnörkellos, vielleicht ein wenig der Mode jener Zeit unterworfen. Man meint, man könnte das Plastik unter der Hand fühlen, wenn es nur möglich wäre, sie anzufassen.
Dieser Ausbruch der Möglichkeiten eröffnet für die Figur des Bob Morane Abenteuer, für die es keine Grenzen mehr gibt. Trotzdem bleibt er dabei aber auf dem Boden. Operation Schwarzer Ritter ist sehr bodenständig, aus heutiger Sicht ein beinahe konservativer Science Fiction Thriller. Es ist Vernes zu verdanken, dass er seine Mittel sparsam einsetzt, obwohl er es durchaus anders machen könnte – wie hoch das Maß seiner Phantasie ist, ist immer wieder spürbar. Vermutlich hat er sich bewusst gebremst. Die Mischung, der er dabei zusammenstellt, ist genau richtig bemessen und macht, wie ein Filmklassiker aus jener Zeit, immer noch richtig viel Spaß.
Starke, sehr sympathische Helden, rasante Abenteuer, aus einer Zeit, als Männer noch Männer waren, als die Gegenwart und Zukunft scheinbar alles für mutige Kerle bereithielten: Das ist die Welt von Bob Morane. Spannend von Anfang bis Ende, Haken schlagend, mit ständig neuen Wendungen. Der Erzähler Herni Vernes und der Zeichner William Vance sind ein tolles Team. Klasse! 😀
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