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Comic Blog


Sonntag, 25. November 2007

Die Löwen von Bagdad

Filed under: Abenteuer — Michael um 20:17

Die Löwen von BagdadAls die US-amerikanischen Truppen den Irak, genauer, das Herz des Landes, die Hauptstadt Bagdad angreifen, kommt auch der örtliche Zoo zu Schaden. Bomben schlagen nahe der Gehege ein. Vielen Tieren gelingt die unerwartete Flucht, darunter auch vier Löwen. Plötzlich sind sie wieder in Freiheit.
Aber ist diese Freiheit auch gut für sie?
Inmitten der zerstörten Stadt gibt es keinen Menschen mehr, der für sie sorgt. Nahrung findet sich auch in anderer Form nicht. So bleibt den Vieren keine andere Wahl, als ihr Heil auf ihrer Wanderschaft hinaus aus den Schuttbergen zu finden.

Die ersten Schritte sind alles andere als einfach, denn auch die anderen Tiere haben die Vorzüge der Freiheit erkannt. Nicht allen ist das Glück beschieden. Eine Giraffe, die eben noch die Freiheit voller Glück begrüßt, wird im nächsten Augenblick von einer Granate dahingerafft. Eine Affenbande nutzt ihre Freiheit, um den kleinen Ali, den Nachwuchs unter den Vieren, zu entführen. Zill, der Kater, und Noor, seine Gefährtin, haben keine Chance rechtzeitig bei ihrem Sohn zu sein. Aber Safa, die alte einäugige Katze, findet einen Weg. Schnell macht sie den Affen begreiflich, wer in der Nahrungskette immer noch das Sagen hat.

Fremde Tiere sind nicht die einzige Gefahr. Auch der herannahende Feind wie auch die Verteidiger – eine Wasserschildkröte nennt sie ebenfalls eine Art von Löwen, in Wahrheit sind es Panzer – sind eine ständige Bedrohung. Damit nicht genug. Diese Welt ist selbst Safa vollkommen fremd. In ihren frühen Jahren hatte sie noch die Savannen erlebt – mit all ihren Vor- und Nachteilen, denn die Verletzungen von einst trägt sie heute noch als Narben. Beinahe schüchtern und sehr vorsichtig ziehen sie durch die Straßen, durch das Chaos und die Zerstörung, nicht wissend, wo sie auskommen werden.

Die Löwen von Bagdad basiert nach Aussage der Macher auf einer wahren Begebenheit. Während der Angriffe auf die irakische Hauptstadt entkamen tatsächlich vier Löwen dem örtlichen Tierpark. Autor Brian K. Vaughan, durch seine schriftstellerischen Erfolge innerhalb des Mediums inzwischen eine feste Größe, setzt diese vier sehr unterschiedlichen Charaktere in einer zerstörten Stadt in Szene. So schafft er eine Aussage, geradezu grauenhaft verständlich und eindringlich, wie es nur Szenarien mit Tieren vermögen.

Seit den Tagen der Fabel ist der erzählerische Weg über das Tier ein guter Weg, um eine Aussage unaufdringlich zu verpacken. Durch die Augen der Löwen erfährt der Leser eine Welt, welche die unsrige ist und dennoch absolut fremd erscheint. Dazu hat Vaughan vier Charaktere gewählt, die sehr unterschiedliche Lebenserfahrungen aufweisen. Während Safa noch weiß, was Freiheit bedeutet, auch welche Qual damit verbunden sein kann, sieht der kleine Ali die Welt mit den Augen eines neugierigen Kindes. Zill und Noor sind eher skeptisch, aber auch realistisch genug, um zu wissen, dass es nicht genügt, in den Ruinen abzuwarten, ob sich vielleicht neue Pfleger im Zoo einfinden.

Wir sind frei geboren. Hast du das nicht immer gesagt? Es ist die Gefangenschaft, die man lernen muss.

Diese Gefangenschaft haben die Tiere sehr verinnerlicht. Sie ist ein Teil von ihnen geworden, obwohl alte Instinkte immer noch lebendig sind. Aber mit der Gefangenschaft hielt auch eine trügerische Sicherheit Einkehr. Begrenzter Lebensraum wurde gegen ein sicheres Leben getauscht. – Wie falsch sie damit lagen, widerlegt Vaughan auf der kurzen Reise der Löwen. Im Palast, in der sich die herrschende Kaste einer scheinbar unerschöpflichen Dekadenz hingab, treffen sie auf einen der ihren, Rashid. Angekettet, abgemagert und vergessen, stirbt der einst stattliche Löwe vor ihren Augen und straft damit ihre bisherige Ansicht lügen, dass die Menschen sie zwar gefangen hielten, aber wenigstens pflegten.
Und eine weitere Ansicht wird zu Fall gebracht. Mit ihrer Kraft und ihren Fähigkeiten stehen sie auch nicht an der Spitze der Nahrungskette. Aus der ohnehin dramatischen Flucht wird ein schierer Kampf um das Überleben.

Diese Dramatik, die auch dank der grafischen Fähigkeiten und Umsetzungen von Niko Henrichon das Herz des Lesers trifft, spitzt sich von Seite zu Seite immer mehr zu. Gegen nimmt einen die Löwenfamilie richtig mit auf die Reise, die stetig hoffnungsloser und trauriger wird – nicht zu vergessen, dass sich die Tiere in den Ruinen der Menschen bewegen.

Henrichon pflegt einen sehr feinen und lockeren Strich. Durch die Kolorierung entstehen sehr komplexe Bilder mit einem orangefarbenen Grundton, der nur selten vom tröstenden Grün einer Oase durchbrochen wird – hier finden sich auch die friedvollen Momente, wenn Zill und Noor einmal allein miteinander sein können. Das Palastinnere erdrückt mit einem eiskalten Blaugrau und kündigt die nächste Bedrohung an. – Immerhin eine Bedrohung, die eine Gestalt hat und fassbar ist. Es ist ein gelungenes Symbol, dass ausgerechnet blütenweiße Pferde diese Bedrohung aus der Welt schaffen.

Die Wahl der Bilder, der Szenen, der Charaktere, der Ansichten, nichts wird in dieser Geschichte dem Zufall überlassen. Brian K. Vaughan, Autor von Ex machina und Y – The last man unterstreicht mit dieser Geschichte nicht nur seine Vielfältigkeit, sondern auch seine Fähigkeit eine Geschichte mit einer hohen Erzähltiefe zu schreiben. Dank des Zeichners Niko Henrichon ist eine traurig schöne wie auch beeindruckende und für das Comic-Genre außergewöhnliche Geschichte entstanden. 😀

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