Die Schlacht zwischen den beiden Schiffen ist erbarmungslos. Kanonen donnern, Piraten machen sich zum Entern bereit. Und klein, sehr klein neben den hölzernen Ungetümen rennt ein Mädchen namens Jolly über das Wasser, um ihren Beitrag zum Kampf zu leisten.
Ihre Bemühungen, wie auch die Überraschung der feindlichen Seeleute über die Quappe, tragen zu einem schnellen Sieg bei. Allerdings ist die Freude über diesen Sieg nur von kurzer Dauer. Die Piraten sind in eine Falle gegangen. Im letzten Augenblick gelingt Jolly die Flucht, nicht wissend, was aus ihren Kameraden wird.
Wenig später, aus ihrer Sicht, wacht Jolly in einem ihr unbekannten Bett auf und muss feststellen, dass sie auf einer unbekannten und abgelegenen Insel gestrandet ist. In der Obhut des Jungen namens Munk und seiner Eltern verbrachte sie die letzten drei Tage in tiefem Schlaf – dem Tode nahe und nur gerettet durch ein Gegengift. Denn die Falle, die sie und ihre Kameraden an Bord des geenterten Schiffes erwartete, bestand aus einer Ansammlung von Giftspinnen, deren Biss ohne Gegenmittel tödlich ist.
Nachdem Jolly sich zurecht gefunden hat, beginnt sie das Leben auf der Insel zu genießen. Sie erfährt viel Neues: über Muschelmagie, Geisterhändler und, besonders wichtig für sie wie auch für Munk, über die Quappen und wie sie entstanden. Außerdem ist Jolly endlich nicht mehr alleine mit ihren Fähigkeiten, denn Munk, der im gleichen Alter wie sie ist, verfügt ebenfalls über die Fähigkeit über das Wasser zu laufen. Zunächst scheint alles in Ordnung zu sein. Das ändert sich jedoch mit dem Erscheinen des Geisterhändlers. Die Neugier der beiden Kinder bringt sie in noch größere Schwierigkeiten, als sie ahnen konnten.
Kai Meyer gehört inzwischen zu den bekanntesten Autoren, die sich mit phantastischer Literatur für Jugendliche und Kinder (und jung gebliebene Erwachsene) einen Namen gemacht haben. Seine Wellenläufer-Trilogie gehört kann dank seines Erfolges inzwischen zu einem modernen Jugendbuch-Klassiker gezählt werden.
Nun liegt die Comic-Umsetzung dieses Werkes vor, dass wegen der guten Aufbereitung durch Yann Krehl ohne jegliche Vorkenntnisse der literarischen Vorlage genossen werden kann. Aus einem Piratenszenario wird in Windeseile ein spannendes Fantasy-Abenteuer, in der Muschelmagie noch der (für Jolly und Munk) harmloseste Einfall ist. Geister, die auf Feldern arbeiten, weil sie dankbar für eine Aufgabe sind. Klabautermänner, finstere Bedrohungen aus der Tiefe des Meeres. Matrosen, die das Gesicht eines Hundes haben. Und ein sehr ausgefallener Holzwurm – mit einer sehr großen Klappe.
Die Zeichnungen von Christian Nauck machen zuerst einen schlichten Eindruck – ein Eindruck, der absolut täuscht. Die Entwurfsskizzen im Anhang geben eine (leider) nur sehr geringe Vorstellung von der Entwicklungsarbeit, die in diesen Figuren steckt. (Es wäre schön gewesen, mehr der Entwicklungszeichnungen zu sehen, das die Wirkung hier bereits ziemlich toll ist.) Nauck beschränkt sich in der Endversion seiner Darstellungen auf sehr wenige, auf die nötigen Striche. So wirken die Zeichnungen beinahe zerbrechlich und auch sehr schön. Eine sehr leichte Erscheinung einer Comic-Figur wie hier kann eine Menge Arbeit bedeuten. Die Vielfalt der Figuren und Kreaturen in dieser Geschichte offenbart bereits nach wenigen Seiten, wie aufwendig diese Comic-Umsetzung geworden ist.
Einige Figuren wurden von Nauck nach Vorgabe der Geschichte mit besonderer Sorgfalt umgesetzt. Dazu gehören nicht nur Jolly und Munk, sondern auch der Geisterhändler. Faszinierend sind natürlich die fremdartigen Kreaturen wie auch die Monster. Der Kampf gegen Acherus ist beeindruckend gruselig – und letztlich sicher einer der ungewöhnlichsten Kämpfe in einer Fantasy-Geschichte. Der erwähnte Holzwurm dürfte wohl zu den merkwürdigsten intelligenten Wesen in einer Comic-Geschichte gehören, die jemals das Licht einer Comic-Seite erblickt haben. Für den Leser ist es toll, trotz all dieser wunderbaren Einfälle, Joly zu erleben, wie sie nach all ihren Erfahrungen angesichts eines steuernden und sprechenden Hundes sprachlos ist.
Zu einem echten Erlebnis werden die Bilder durch den für die Kolorierung verantwortlichen Sven Strangmeyer, der mit einer sehr schönen Behutsamkeit zu Werke geht. Plastisch und strahlend wird diese phantasievolle Piratenwelt lebendig. Anders lässt es sich nicht sagen, denn die Farbverläufe sind sehr weich ineinander übergehend. Farbthemen heben die Grundstimmungen von Szenen hervor und ziehen den Leser beim Betrachten der Bilder Seite für Seite in die geschichte hinein und fesseln bis zum Schluss.
Ein packendes Jugendabenteuer für Junggebliebene aller Altersstufen, sorgsam und mit viel Liebe zum Detail und zu den auftretenden Figuren in Szene gesetzt. Hier hat sich mit Christian Nauck und Sven Strangmeyer ein künstlerisches Duo gefunden, das eine perfekt aufeinander abgestimmte Arbeit abliefert. Beste Comic-Unterhaltung. 😀
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