Dunk, der Knappe, muss mit dem Tod seines Ritters fertig werden, dem er fast sein ganzes Leben lang gefolgt ist. Was soll nun aus ihm werden? Schwert und Schild, die Waffen, die ihm von seinem Herrn geblieben sind, bergen die Antwort bereits. Dunk wird ein Heckenritter, ein Kämpfer ohne Lehnsherr, dem verpflichtet, dessen Sache gerecht ist.
Zuvor jedoch gilt es, sich einen Namen zu machen. Was kann besser sein, als ein Turnier mit namhaften Rittern, um sich selbst in Szene zu setzen und Respekt zu erwerben? Dunk macht sich auf den Weg.
Bald darauf kehrt er in einer Herberge ein. Dort lernt er Egg kennen, Eierkopp, einen kleinen kahl geschorenen Jungen, der nichts lieber möchte, als an Dunks Seite durch das Land zu ziehen und ihm als Knappe zu dienen. Dunk, der sich den Namen Ser Duncan, der Große gibt, lehnt das Ansinnen des kleinen Jungen ab. Dunk ist noch nicht lange genug auf eigenen Beinen, um noch jemand anderem zu zeigen, wie es im Leben zugeht. In Ashford Meadow angekommen, am Turnierplatz, gilt es schnell einen Fürsprecher zu finden, der bezeugen kann, dass Dunk tatsächlich zum Ritter geschlagen worden ist. Doch wer könnte für ihn sprechen, wenn nicht einer jener Adeligen, für die sein Herr einst stritt?
Dunk genießt das Umfeld. Ganz alleine bewegt er sich in der Welt der Ritter, in der Welt der Erwachsenen, in der er bisher bislang nur der Nachwuchs gewesen ist. Doch um wieviel schwieriger ist das Leben, wenn man auf sich allein gestellt ist? Allein? Nun, so alleine nicht, denn Egg hat sich nicht an das Verbot von Dunk gehalten und ist ihm gefolgt. Ob er will oder nicht, Ser Duncan hat nun einen Knappen.
Die anfänglichen Schwierigkeiten sind nichts im Vergleich zu dem Schlamassel, in dem sich Ser Duncan kurze Zeit später wieder findet. Ein Ritter muss die Hilflosen verteidigen, so hat er es bereits vor langer Zeit gelernt. Die junge Puppenspielerin, die ihm an Größe beinahe ebenbürtig ist, wird von Männern bedrängt, geschlagen und gedemütigt. Egg, der ihn zur Hilfe rief, sieht wie alle anderen Umstehenden, wie Dunk einen Prinzen niederringt. Der berühmte Kampf der Sieben gegen Sieben, ein Gottesurteil, soll über Ser Duncans Schicksal entscheiden. Doch welche sechs Ritter wollen für die Unschuld Dunks an der Seite eines vollkommen Unbekannten streiten?
Der Heckenritter basiert auf einer Kurzgeschichte des in Fantasy-Kreisen sehr bekannten Autors George R.R. Martin. Mit seinen Romanen über Das Lied von Eis und Feuer hat sich Martin seinen Platz in den Bestseller-Listen erobert. Mit Der Heckenritter ist er 100 Jahre in die Vergangenheit seines eigenen Epos gereist. Durch die Bearbeitung von Ben Avery ist eine schlichte, aber mitreißende Rittergeschichte entstanden, die von Zeichner Mike S. Miller mit dem nötigen Realismus in Szene gesetzt wurde.
Der Heckenritter hat diese tolle altmodische Atmosphäre, wie sie in klassischen Filmen zum Thema zu finden ist. Ivanhoe, Prinz Eisenherz, Die Ritter der Tafelrunde. Das besondere Turniergefühl kann in jüngster Zeit vielleicht noch Ritter aus Leidenschaft einfangen. So ist die Atmosphäre der Geschichte der zunächst wichtigste Bestandteil. Dunk ist zu Beginn der Handlung ein leeres Blatt, ein Charakter ohne sonderliche Tiefe, die er sich erst im Verlauf der Handlung erwirbt und durch seine Erfahrungen bereichert.
Dunk ist nicht dumm, aber er meint seine Grenzen zu kennen, die er als jemand zieht, der sich selbst als ein Ritter von niedrigem Stand sieht. Er ist sehr groß und stark, aber vielleicht nicht so behände wie andere Ritter, die mehr Übung in der Schlacht und auf dem Turnierplatz haben. Er sieht sich auf der gleichen Augenhöhe wie die Zuschauer. Zu diesem Zeitpunkt, am Anfang seiner Karriere als Ritter, erforscht er die ihm bekannte und doch aus dieser Sicht neue Welt wie ein Kind.
Es kann Avery und Miller nur zugute gehalten werden, dass sie sich für die Entwicklung Dunks so viel Zeit lassen. Aus dieser Entwicklung, der Beschreibung dieser Ritterwelt, die frei erfunden ist, entsteht seltsamerweise keine Langeweile. Es dauert vergleichsweise lange, bis die Action losgeht.
Bis es soweit ist, ist Dunk dem Leser so sehr ans Herz gewachsen, dass dieser unbedingt erfahren muss, wie Dunks Schicksal sich erfüllt. – Mir jedenfalls ging es so. Es ist selten geworden, gerade im Comic-Genre, dass eine Geschichte sich wirklich Zeit nimmt. Es ist einerseits eine Platzfrage, andererseits war ein Comic immer schon ein Medium für die schnelle Kost, für zwischendurch. Der Heckenritter bricht mit der Hektik, die sich im Comic eingebürgert hat und schafft es sogar einen Blick durch die Augen eines Ritters zu werfen.
Die Zeichnungen von Miller könnte man mit einem leichten Realismus beschreiben, der fast schon zerbrechlich wirkt. Die Kolorierung von Mike Crowell und dem übrigen Team übernimmt den Rest, so dass ein äußerst lebendiges Abbild dieser mittelalterlichen Welt entsteht.
Die Ritter in ihren prächtigen Rüstungen, die eigentlichen Turnierkämpfe, Ausstattung von Pferd und Reiter sind wunderbar anzuschauen. Die Drachen, die freilich nur in Träumen und Rückblicken zu sehen sind, geben den Anstoß in Richtung des Fantasy-Genres, der so sachte und unaufdringlich erfolgt, wie lange nicht mehr.
Ein tolles Ritterabenteuer, einfühlsam erzählt, ebenso versiert wie schön gezeichnet, eine richtiger Ausnahme-Comic, der ein Albenformat verdient gehabt hätte. Aber es ist gut zu wissen, dass auch im Heftformat solche Kleinode erscheinen. 😀
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