Ganarah hat die unwirtliche Landschaft abseits der Zivilisation ihrem Kriegerdasein in der Stadt Armon Surath vorgezogen. Hier lebt sie zwar einsam, aber das Leben ist immer noch gefährlich. Doch Ganarah ist auch nachsichtig geworden. Als sie eine junge Frau dabei erwischt, wie diese eines ihrer Schafe reißt, lässt sie Gnade walten.
Die junge Frau ist gelenkig und im Zweikampf erfahren, mit blitzschnellen Bewegungen tritt sie Ganarah entgegen. Gegen eine ehemalige Kriegerin, deren Beruf es gewesen ist, zu töten, hat sie allerdings keine Chance. Ganarah lässt ihre Gegnerin ziehen.
Anderorts fällt eine Begegnung mit einem gleichfalls schlanken Wesen für eine Bauernfamilie weniger gut aus. Auf einem Feld macht sich ein Goltog über das Vieh her. Der Bauer tritt dem katzenähnlichen Zweibeiner zwar beherzt entgegen, doch gegen die Gewandtheit und die Brutalität des Gegners hat der Mann keine Chance.
Weiter weg sind die Fertigkeiten der Krieger schon ausgeglichener. Vor den Augen eines geifernden Publikums fallen die seltsam anmutenden Gladiatoren übereinander her, um den Champion zu ermitteln. Die Kämpfer halten sich jedoch irgendwie zurück, ein Umstand, der bei einigen Kriegern auf wenig Begeisterung trifft, denn so mancher wünscht sich eine eindeutige Entscheidung.
Diese Turnierkämpfe stehen auch im Mittelpunkt der politischen Entwicklungen in Armon Surath, der Stadt, die immer weiter verkommt und in Intrigen und eigensüchtigen Plänen versinkt. Die verbannte Ganarah soll zurückkommen und eine Wende herbeiführen. Aber hat die Legende unter den Kriegern überhaupt Lust dazu?
Mit Ganarah 1 – Die Tränen von Armon Surath meldet sich Fabrice Meddour hierzulande bei allen Fantasy-Fans zurück. Bereits mit Hispanola (erschienen im alten Splitter-Verlag) legte er eine ungewöhnliche und geheimnisvolle Reihe vor, deren Geschichte sich Stück für Stück enthüllt. Arbeitet Hispanola mit den Abgründen der menschlichen Seele und apokalyptischen Umgebung, verlässt sich Meddour mit dem Auftakt von Ganarah auf pure Fantasy.
Eine Stadt, genauer gesagt ein Ereignis, bildet das erzählerische Gegengewicht zu Ganarah. In Armon Surath begeistern Gladiatorenspiele regelmäßig die Besucher auf den Rängen. Auch Ganarah gehörte einmal zu den Kämpfern, die vor einem rasenden Publikum antraten. In diesen Kämpfen zeigt sich das Potential, das in der Fantasy zu finden ist. Die Kuppel, in der die Kämpfe stattfinden, hat die archaische Atmosphäre eines Conan-Universums. Meddour mischt dieser dunklen Stimmung die phantastischen Lebewesen einer phantastischen Welt hinzu, ohne auf die klassischen Wesen, die man aus anderen Szenarien her kennt, zurückzugreifen.
Die Mischung der Kämpfer ist äußerst ungewöhnlich. Ein martialisches Katzenwesen, ein riesenhafter Barbar, ein ätherisch aussehende Walküre und andere Streiter bereichern die Arena. Meddour steigert die Spannung durch ein unvorhersehbares Element. In unregelmäßigen Abständen erhalten die Kämpfer Upgrades. Waffen und Rüstungsteile geben den Gladiatoren Vorteile und heizen den Kampf an. Meddour hält sich nicht mit einem weichgespülten Szenario auf. Die kämpferischen Aspekte und ihre Folgen werden in aller Deutlichkeit gezeigt und dem Leser vor Augen geführt. Die Arena ist nur die logische Fortführung einer grausamen und blutdürstigen Welt, in der es schnell zu einem Wechsel zwischen Jäger und Gejagten kommen kann.
Während Ganarah ihr Leben hauptsächlich durch ihren legendären Ruhm bestreiten und so vielen Auseinandersetzungen aus dem Weg gehen kann, ist es für die eher zart ausschauende Tschenee weitaus schwieriger. Da sie so hilflos aussieht, wird sie bei diversen Rüpeln gerne zum Ziel. Die Überraschung des Lesers ist auch die Überraschung der verschiedenen Angreifer, die durch die zweite Identität dieses Wer-Wesens allzu schnell ihr Ende finden.
Die Zweiteilung Tschenees schlägt sich auch in ihrer Stimmung nieder, denn die junge Frau ist von ihren Fähigkeiten und Trieben keineswegs begeistert. So begegnet der Leser einem zwiegespaltenen Wesen, das von dem ständigen Hunger, der sie antreibt, eher angewidert ist. Zusammen mit der vordergründig ehrenhaften und versierten Kämpferin Ganarah gibt sie ein ungewohntes Duo ab. Hier sind Spannungen vorprogrammiert. Diese Mixtur, die Meddour hier vorlegt, lässt ungeahnte Wendungen nach allen Seiten offen. Alles ist möglich, wie sich bereits durch die einzelnen Handlungsabschnitte im wahrsten des Wortes abzeichnet.
Wild wie die Handlung präsentiert sich auch die Optik der Geschichte. Fabrice Meddours Strichführung ist fein, manchmal zerbrechlich und präsentiert sich als Mischung aus bekannter Disney-Optik und Fantasy-Bildern im Stile von FOL. Wer Hispanola gelesen hat, wird feststellen, dass Meddours Bilder etwas glatter aussehen, weniger skizzenhaft und eine größere Detailfülle aufweisen. Das mag Absicht sein oder von der Hintergrundoptik herrühren, die hier einiges zu bieten hat.
Die Arena, das heruntergekommene Armon Surath in seiner Pfahlbauarchitektur und die Wälder bilden einen realistisch anzuschauenden Lebensraum für die Hauptfiguren und die vielen Nebencharaktere.
Klassische und dunkle Fantasy mit vielen neuen Einfällen und gruseligen Erzählsträngen. Fabrice Meddours wirft viele Fragen auf und lässt den Leser gern im Dunkeln tappen. Die Rätsel machen neugierig, die Kämpfe toppen die Spannung noch weiter. Ein schöner Auftakt, der nicht erahnen lässt, wie es weitergehen wird. So soll es sein! 🙂
Ganarah 1 – Die Tränen von Armon Surath: Bei Amazon bestellen