Peking. Tsai Industries will eine Kooperation mit der Luftfahrt-Sparte des Winch-Konzerns eingehen. Obwohl diejenigen aus der Chefetage, die den Vertrag ausgehandelt haben, mit allen Vollmachten ausgestattet sind, würde man es in China als Beleidigung empfinden, wenn Largo Winch den Vertrag nicht persönlich unterschreiben würde. – Ohne es zu ahnen, wurde für Largo eine neue Falle aufgestellt. Aber wo steckt Largo überhaupt? Es bleiben zehn Tage, um den Konzerneigentümer zu finden. Doch dieser hat sich in ein privates Versteck zurückgezogen. Hier existieren kein Handy und kein Computer. Es gibt nur eine Möglichkeit, mit ihm in Verbindung zu treten: Per Brieftaube.
Davon ist den Managern in der Chefetage leider nichts bekannt. Selbst Miss Pennywinkle, Largos persönliche Sekretärin, hat keine eigene Möglichkeit, ihm eine Nachricht zukommen zu lassen. Schweren Herzens nimmt man Kontakt zu Simon Ovronnaz auf. Largos bester Freund weilt derweil im Urlaub. Seine Erfolge als Frauentyp lassen sehr zu wünschen übrig. Immer wieder wird er auf diesem Gebiet von Silky, Largos Privatpilotin, vorgeführt. Da kommt die Aufgabe, Largo zu benachrichtigen, wie gerufen. Wenig später schickt er eine Brieftaube auf den Weg.
Sind Brieftauben nicht ein Anachronismus heutzutage?
Das Problem ist, Herr Direktor, dass alle anderen Kommunikationswege heutzutage ausspioniert werden.
Leider vergisst Simon, dass auch Brieftauben ihre ganz besonderen Schwierigkeiten haben können, ihr Ziel zu erreichen. Damit beginnt das Unheil für Largo. Die Nachricht, die ihn erreicht, führt ihn nach Südfrankreich. Der Aufenthalt ist kurz, aber ereignisvoll. Die Nachricht hat Largo zutiefst beunruhigt. Bald schon ist er auf dem Weg über Dubai nach Hongkong. Largo wird bereits erwartet. Die Vergangenheit hat ihn endgültig eingeholt.
Der Reichtum hat Largo Winch kein Glück gebracht. Zu viele Menschen halten ihn für einen Emporkömmling und für noch mehr Menschen gilt es, mit Largo eine Rechnung zu begleichen.
In Hüter des Tao erhält Largo eine Nachricht, von der er wusste, dass sie eines Tages kommen wird – er ahnte jedoch nicht, dass es so schnell geschehen würde. Ausgehend von den Ereignissen in den Epsioden Makiling und Tiger, während derer er sich einen Gefallen der örtlichen Triaden erbat. Die asiatische Variante der Mafia gibt jedoch nichts umsonst. Eines Tages soll er den Gefallen vergelten. Diese Zeit ist nun gekommen.
Autor Jean van Hamme und Zeichner Philippe Francq zeigen zu Beginn einen Largo Winch, der arg im Zweifel über sich und sein Leben ist. Zurückgezogen, völlig abgeschieden von der normalen Welt, auf einer paradiesisch anmutenden Insel, denkt Largo über sein Leben nach.
Ich bin nicht so stark, wie alle glauben.
In diese Zeit der Selbstzweifel platzt die Nachricht aus der Vergangenheit. Geschickt spielt van Hamme mit den Elementen eines Thrillers. Sein Hauptcharakter, der sowieso am Boden ist und ständig mit Gedanken und Alpträumen aus seiner Vergangenheit gequält, kommt zusätzlich vom Regen in die Traufe. Die Erwartungen, die das Duo van Hamme/Francq mit den letzten Ausgaben geschürt hat, sind sehr hoch. Gleich von der ersten Seite an lassen die beiden keinen Zweifel daran, dass die Falle für Largo von ganz oben gestellt wurde und entsprechend gefährlich für den jungen Milliardär ausfallen wird.
Fällt der Start der Handlung auch in die Chef-Etage, findet gleich darauf ein Wechsel statt. Ein Formen- und Farbenspiel nimmt den Leser zuerst mit auf eine Urlaubsreise nach Nizza und die südfranzösische Küste. Francq zeigt uns Jachthäfen, bunte Märkte und aufreizendes Nachtleben. Van Hamme fügt mit Simon Ovronnaz und Silky ein Paar hinzu, dass für zusätzliche Spannung, Humor und amouröse Verwicklungen gut ist. Wenn ein Frauenheld, ein selbsternannter, mit ansehen muss, wie eine Frau mehr Frauen abschleppt als er, ist wohl etwas faul im Staate Dänemark. So oder ähnlich fällt sein Fazit aus. Jedenfalls fängt Simon an, sich Sorgen über seinen Sexappeal zu machen. Mehr Humor gönnt van Hamme der Geschichte jedoch nicht.
Nach einem sehr kurzen Auftakt nimmt das Abenteuer seinen Lauf. Alles Nötige erfährt der Leser innerhalb weniger Seiten. Die verschiedenen Charaktere, die Manager und Largos Erscheinung seines verstorbenen Adoptivvaters, geben dem Leser alle wichtigen Informationen, die er zum Einstieg in die Welt von Largo Winch braucht.
Van Hamme wechselt zwischen Action und Schockelementen hin und her. Die Verfolgungsjagd durch die engen Straßen der französischen Hafenstadt erinnert optisch an ähnliche Szenarien von Erzählern wie Roger Leloup. Allerdings könnte die Szenerie in den engen Gassen auch durch Vorlagen alter Bond- oder Belmondo-Filme inspiriert sein. Es mag sein, wie es will, ein Thriller-Fan wird sich wieder einmal direkt zu Hause fühlen. Van Hamme führt den Leser sogleich weiter. Nach einer winzigen Station in Dubai, bei der Largo standesgemäß im Burj Al Arab wohnt, jenem Hotel, dessen segelähnliche Form inzwischen weltweit bekannt ist.
Derartige Schauplätze sind Programm in diesem Band der Reihe. Außenansichten, wie die Straßentäler Hongkongs, wechseln sich ab mit großartigen architektonischen Innenansichten von Spitzenhotels, Villen und palastähnlichen Anlagen. Optisch besonders beeindruckend ist Largos Besuch auf Tsai Island. High Tech steht hier eindrucksvoll neben altehrwürdigem chinesischem Ambiente. Es finden sich sogar die weltbekannten Terrakotta-Soldaten in Tsais Sammlung.
All diese Kleinigkeiten, die sich dank der Gestaltung von Francq immer wieder finden lassen, machen die neue Episode aus dem Leben von Largo Winch zu einem optischen Leckerbissen.
Largo Winch gerät erneut in Schwierigkeiten, die bedrohlicher scheinen als jemals zuvor. Van Hamme und Francq haben sich noch einmal gesteigert – was kaum vorstellbar schien – und liefern einen Abenteuer-Comic ab, der alles hat, was spannende und stilvolle Unterhaltung braucht. 😀
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