Woher kommt die Wut? Wie entstehen die Aggressionen, die den Menschen zum Monster werden lassen? Die Betrachtungen der Überwachungsvideos geben den beiden Wissenschaftlern darauf keine Antwort.
Aber die Bilder sind Ansporn genug. Sollte Wut, das Ausrasten einen biologischen Ursprung haben, sollte es genetisch begründet sein, lässt es sich vielleicht ausschalten. Wenn es sich ausschalten lässt, lässt sich damit auch Geld verdienen, viel Geld. Das ist Motivation genug. Dafür lassen sich auch schon einmal einige Regeln brechen, oder wenigstens soweit beugen, wie es noch einen legalen Anschein hat.
Warren und Clive sind zwei Wissenschaftler an der hoch angesehenen Universität von Cambridge. Für Warren ist klar: Sollte ein Durchbruch in der Aggressionsforschung erzielt werden können, müssen dazu menschliche Versuchsobjekte herhalten. Doch woher sollen diese Testpersonen kommen? Clive muss mitansehen, wie Warren eine Quelle für derlei Personen erschließt, die er nicht gutheißen kann: Kriminelle. Clives schlimmste Befürchtungen werden Realität. Das Experiment geht gründlich daneben. Schlimmer noch: Irgendwie wird die Aggression der Versuchsperson nicht eingedämmt, sondern gesteigert. Warren macht dem Experiment auf seine Art ein Ende.
In einer Nacht- und Nebelaktion verscharren die beiden Wissenschaftler den Leichnahm. Künftig wollen sie Schimpansen für ihre Forschungen verwenden. Diese sollten besser zu kontrollieren sein.
Wenig später wird für eine Familie ein Ausflug in die Parks rund um den Campus zum Horrortrip. Ein Schimpanse fällt über den jüngsten Sohn her. Nur mit vereinter Kraft können der Vater und der älteste Sohn das wahnsinnig gewordene Tier töten. Ein herbei geeilter Krankenwagen schafft den Jungen fort. Doch sie kommen nicht weit. Etwas hat das Kind so sehr verändert, dass er sogar das elterliche Fahrzeug ohne Rücksicht auf sein eigenes Wohlbefinden angreift.
Aus dem kleinen Chaos wird ein riesiges Desaster, das bald den Großraum London in seinem Würgegriff hält. Überall greifen Infizierte die immer weniger werdenden gesunden Menschen an.
28 Days Later – Die Zeit danach erzählt, wie England das normale Leben unter dem Druck der Seuche zusammenbricht. Cineasten werden sich an das Eingangsszenario des Films 28 Days Later erinnern. Jim wacht nach einem Unfall im Krankenhaus aus einem Koma auf. Im Krankenhaus ist außer ihm kein anderer Mensch mehr. Die Straßen von London sind wie leer gefegt. Doch wie konnte es dazu kommen?
Die Szenerie, die Jim nachträglich erzählt wird, kann der Leser am Beispiel der beiden Geschwister Sophie und Sid verfolgen, die diese Übergangszeit der Katastrophe hautnah miterleben. Die Ausbrüche kommen für die Einwohner vollkommen überraschend. Die Warnungen, die Wohnungen nicht zu verlassen, funktionieren nur bis zu einem gewissen Grad. Irgendwann muss die Wohnung einfach verlassen werden. Eben noch lebte man in einem zivilisierten Land und plötzlich wird man zu einem Gejagten.
Steve Niles hat diese Übergangszeit niedergeschrieben und ein Horrorszenario entwickelt, dass dem Kino-Schocker an Spannung in nichts nachsteht. Es fängt sehr harmlos an. Die Katastrophe ist dennoch sehr schnell vorhersehbar – aus der Sicht der Wissenschaftler Warren und Clive, die die Unwägbarkeiten ihrer Experimente sehr lange ignorieren, obwohl die Zeichen für einen Fehlschlag offensichtlich sind.
Für den Leser ist klar, wo die Ereignisse enden werden, deshalb hat Niles eine Erzählweise gewählt, die Haken schlägt und nicht geradlinig erfolgt. In vier Phasen, Episoden, werden die 28 Tage überbrückt, bis hin zu dem Zeitpunkt, als Jim erwacht. Die hauptsächlichen Dreh- und Angelpunkte dieser Geschichte sind Clive, der jüngere der Wissenschaftler, und die beiden Teenager. Die beeindruckendste Episode findet allerdings ohne die erwähnten Charaktere statt.
Inmitten von London hat ein Mann namens Hugh London zu seiner Stadt erkoren. Inzwischen macht er Jagd auf die Infizierten, die durch die Straßen streifen. Hugh hat Verhaltensmuster und Begabungen bei den monströsen Kranken ausfindig gemacht. Offenbar können sie nicht erkrankte Menschen durch Gerüche aufspüren. Reinlichkeit und Deos haben aus Menschen ein leicht zu erschnupperndes Jagdwild gemacht. Obwohl er einer der letzten gesunden Menschen in der näheren Umgebung ist, liegt er mit einem Konkurrenten im Krieg. Wer diesen Kleinkrieg begonnen hat, ist letztlich egal. Hugh beendet ihn auf eindrucksvolle und hinterlistige Weise. So entsteht für den Leser ein sehr hoher Spannungs-, aber auch, wie im Film, ein ebenso hoher Ekelfaktor, was an den sehr drastisch ausgeführten Bildern von Nat Jones liegt.
Die beste Optik trifft (nach meiner Meinung) der Zeichner Dennis Callero mit den Episoden Phase 1 und Phase 4. Darüber hinaus hat er noch durchgängig die Kolorierung der einzelnen Episoden übernommen.
Callero pflegt den Stil des nachgezeichneten Filmbildes, um den Zeichenstil und optischen Eindruck so zu umschreiben. Natürlich gibt es dazu keinen Film, aber Callero erweckt den sehr guten Eindruck, als habe er eine Film-Adaption zu Papier gebracht. Die Bilder sind sehr exakt geworden. Dank der eigenen Kolorierung hat er alles perfekt aufeinander abgestimmt.
Im Anhang findet sich das Script zur Phase 3 (der Episode mit Hugh in der Hauptrolle). Der Aufbau des Scripts, das sehr stark an ein Drehbuch erinnert und so die Parallelen der beiden Medien untermauert, mag sogar Nachwuchszeichnern als Muster für eigene Umsetzungen dienen.
Film und Comic besitzen eine gemeinsame Grundstimmung. Der Comic steht der Filmvorlage in Sachen Spannung und Erzählung in nichts nach. Fans des Films und des Genres werden angenehm überrascht sein und können bedenkenlos zugreifen. Ansonsten gilt für den Film wie auch für den Comic: Nichts für schwache Nerven. 😀
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