Baltimore, von allen nur Balti genannt, wollte immer ein echter Held sein. Als Football-Spieler war er ein Star. Die United Earth Forces geben ihm die Möglichkeit, ein richtiger Held zu werden.
Natürlich kommt alles ganz anders. Die große Karriere in einer Football-Mannschaft der Streitkräfte ist ihm nicht vorherbestimmt. Aber Balti will sich nicht geschlagen geben. Es gibt doch noch eine Chance, ein Held zu sein. Voller Todesverachtung stürzt er sich der unbekannten Mauer im All entgegen und verschwindet. Wenig später ist er wieder da. Älter und in anderer Kleidung, in einem unbekannten Raumfahrzeug – und tot.
Die verbliebenen Team-Mitglieder von Balti haben in der Mauer eine Raumstation gefunden. Sie haben keine andere Wahl und machen sich daran, die Station zu entern. Seltsamerweise stoßen sie auf keinerlei Gegenwehr. Nach den anfänglichen Auseinandersetzungen macht sie dieser Umstand äußerst stutzig. Sobald sie gelandet sind, wird es noch unheimlicher, als es in einer Raumstation in einer gänzlich unbekannten Umgebung schon sein kann. In den Zugängen finden sich Leichen, die dort bereits seit Jahrzehnten liegen müssen. Wie kann das sein?
Damit hören die Merkwürdigkeiten allerdings nicht auf. Die Daten des Computers zeigen an, dass die Verteidigungsanlagen seit langer Zeit nicht benutzt worden sind. Das müssten sie jedoch, denn schließlich haben sie vor kurzer Zeit noch hart zugeschlagen.
Kalish bekommt ganz langsam eine Ahnung. Sie haben sich nicht nur in der Mauer fortbewegt, sondern auch rückwärts in der Zeit. Dank seiner Kenntnisse in Physik kann Kalish seine Behauptungen untermauern. Alles klingt logisch, obwohl es für ein zeitlich lineares Wesen auch verwirrend ist – und für gute Freunde ist es sogar eine Chance. Sie befinden sich zeitlich vor Baltis Tod. Für Mario, Baltis Freund bedeutet es die einzigartige Gelegenheit, Baltis Tod ungeschehen zu machen.
Kalish warnt eindringlich vor einem Eingriff in das Zeitgeschehen, aber Mario will sich nicht beirren lassen. Was noch nicht geschehen ist, kann abgewendet werden. Oder nicht?
Nach zwei vorhergehenden Episoden, in denen die Leser die Charaktere dieser Geschichte eingehend kennen lernten und sich auch von einigen wieder verabschieden mussten, schlägt Denis Bajram einen eleganten Haken und wartet mit einer gekonnten Überraschung auf.
Die ersten Geschichten, Genesis und Die Frucht der Erkenntnis, aus der Universal War One-Reihe von Denis Bajram sorgten mit gekonnter Erzählung und tollen Action-Sequenzen für ungewöhnlich spannende Science Fiction Comics. Waren die ersten Episoden schon Überraschungen, schwenkt Bajram mit dem dritten Teil Kain und Abel in ein rätselhaftes Abenteuer, dessen Atmosphäre an SciFi-Ereignisse im Stile eines 2010 erinnern. Die Erzählung ist sehr ruhig. Der Leser muss sehr genau aufpassen, was geschieht, denn immer wenn Zeit in einer Science Fiction Geschichte ins Spiel kommt, können paradox erscheinende Szenarien entstehen.
Bajram schickt seine Akteure hier in der Zeit zurück. Wer in den vorhergehenden Episoden zurückblättert, wird schnell feststellen, wie gut Bajram vorausgeplant hat und bereits dort Details zu finden sind, die erst jetzt wirklich wichtig werden – und einen Sinn ergeben. – Kenner werden ein ähnliches Setting aus den frühen Tagen der Station Babylon 5 her kennen. Bajram mag davon angeregt worden sein, gleichwohl ist hier etwas völlig Eigenes entstanden.
Kalish, jener Soldat, der zwar sehr intelligent ist, aber ein deutliches Handicap wegen seines aufbrausenden Wesens hat, erkennt das Verfahrene der Situation. Ein Eingriff in die Zeitlinie, die Chance, die sich ihnen bietet, würde viele Leben retten, aber sie würde auch das zeitliche Gefüge, wie sie es kennen, verändern.
Drei Hypothesen dessen, was geschehen kann, führt Kalish ins Feld und keine davon klingt besonders beruhigend. Die zweifellos wichtigste würde bedeuten, dass es ohne Konsequenzen möglich ist, das Geschehene zu ändern. Ein Run auf die Zeit-Technologie würde eintreten. Wer es letztlich schaffte, diese Technologie zu beherrschen, könnte jedes Ereignis, jede Existenz beeinflussen. Kalishs Entschluss ist sehr rational und sinnvoll. Niemand darf jemals von dieser Möglichkeit erfahren. Alle müssen bleiben, wo sie sind und dieses Wissen bewahren.
Für den Leser überaus erfreulich ist der Umstand, dass Charaktere in einer Handlung wirklich einmal so handeln, wie es tatsächlich sinnvoll ist – wie wenig sie damit letztlich erreichen, ist der sehr guten Planung Bajrams zu verdanken, mit der er den Leser wieder einmal verblüffen kann.
Die Grundstimmung dieser Geschichte ist außergewöhnlich dunkel. Die Farben, die Bajram verwendet, sind zumeist Blautöne, nur durchbrochen vom Rot der Fliegermonturen. Eine Umgebung wie diese kann den Menschen auf Dauer verändern – nur zum Negativen, denn so viel Trostlosigkeit des Alls untergräbt wohl auf Dauer jedes noch so sonnige Gemüt.
In der Geschichte selber versuchen die Ingenieure, die für den Bau der Raumstation verantwortlich waren, mit ein wenig heimeliger Szenerie entgegenzuwirken. Der Effekt kann sich wie im Falle Marios auch in sein Gegenteil verkehren. Irgendwann, nach der zigsten Kneipe, die ausschaut, als habe sich ein American Diner aus den 50er Jahren materialisiert, wird der Erholungseffekt zunichte gemacht.
Die Geschichte steuert klar auf einen bestimmten Punkt zu. Diesen Wendepunkt versteht Bajram erstaunlich gut zu verschleiern. Dies gelingt ihm durch Rückblicke auf ein faszinierendes Experiment, Kalishs Erklärungen sowie die Charakterisierung der Akteure, allen voran Mario und Balti, Freunde, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten.
Eine sehr gelungene, ernsthafte Science Fiction Handlung. Der Schwerpunkt liegt diesmal auf der ausführlichen Beschreibung des Szenarios und einem ordentlichen Zeitreiserätsel. So unterhaltend und spannend kann SciFi mit wissenschaftlichem Kern sein. Top! 😀
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