Die Festen des Himmels schwanken. Trümmer fallen von hoch oben auf Engel und Verbindungsbrücken herab. Das Böse begegnet den Mächten des Guten. Heere von Engeln stellen sich dem gigantischen Biest.
Die Erschütterungen, die an den Grundfesten der Sphären rütteln, greifen auch auf die Erde über. Das ehemalige Paradies ist zu einem Trümmerhaufen verkommen. Erdbeben haben aus einer lebenswerten Welt einen apokalyptischen Platz gemacht. Die Arbeit der Rettungskräfte reicht nicht aus, um der vielen Verletzten Herr zu werden. Inmitten dieses Chaos taumelt der Engel Gabriel durch den Schutt und die Trümmer. Er kann das Grauen um sich herum kaum aushalten, noch richtig begreifen.
Das ist nicht schlimm. Das Wichtigste ist zu leben. Wenn auch nur eine Minute länger.
Die Worte einer Sterbenden reißen den Himmelsbewohner aus seiner Lethargie und zwingen ihn zum Nachdenken. Zu diesem Zeitpunkt sterben die Sphären unaufhörlich weiter. Jeder Turm, der im Himmel einstürzt, reißt mit seinen Trümmern ein Loch in die Hölle. Wer glaubte, Höllendämonen könnten nicht in Panik geraten, sieht sich angesichts des Schreckens unter den Höllenbewohnern gewaltig getäuscht.
Die Suche geht weiter. Nach der Flucht Gabriels haben sich der Engel, Anya und der Junge verloren. Getrennt voneinander irren sie umher. In einer Welt, die der Phanatasie eines M.C. Escher entsprungen sein könnte, läuft der Junge planlos umher. Als er auf Anya trifft, freut er sich keineswegs. Mittlerweile glaubt er daran, eine Aufgabe erfüllen zu müssen. Der Junge ist allerdings nicht mehr so hilflos, wie noch zu dem Zeitpunkt, als er von Gabriel gerettet wurde.
Gabriel hält es nicht mehr auf der Erde. Er will zurück in den Himmel. Woanders ist eine Klärung seiner Fragen nicht möglich. Das Chaos erleichtert seine Rückkehr nicht gerade. Die alten Wege scheinen versperrt oder nur schwierig passierbar zu sein. Die Abkürzungen werden bewacht. Gabriel lässt sich nicht aufhalten und kämpft sich durch. Die Wahrheit ist viel schlimmer, als er geahnt hat.
Der dritte Teil von Das verlorene Paradies zeigt dem Leser drei Welten am Rande des Abgrunds. Alles ist irgendwie führungslos geworden. Die Engel haben einen Plan, scheinen ihn jedoch äußerst kopflos zu verfolgen. Die Dämonen wollen ihren verhassten Feind vernichten, während die Menschen zum Spielball einer höheren Macht geworden sind, der sie nichts entgegenzusetzen haben.
Das Autorenduo Ange und der Zeichner Philippe Xavier skizzieren hier eine düstere Apokalypse riesigen Ausmaßes. Hoffnung ist hier kaum zu finden. Erst zum Schluss gestatten die Macher einen Funken Licht am Ende des Tunnels und lassen den Leser gleichzeitig mit einem Augenzwinkern bis zur nächsten abschließenden Folge zurück.
Geschichten um das Ende der Welt sind seit den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts in. Sie treten in den verschiedensten Formen auf. Wissenschaftlich, mittels absoluten Horrors oder auch religiös. Wie das Ende der Welt aussehen kann, haben uns die Offenbarung wie auch George A. Romero oder Stephen King erzählt. Eine wirklich klassische Herangehensweise wird uns von Ange vorgelegt. Der Himmel läutet hier das Ende ein. Himmel ist hier nicht gleichzusetzen mit einem Willen. Die Strukturen des Himmels sind hier ebenso verkrustet wie auch komplex. Gut bedeutet nicht gleichzeitig gut. Nicht jeder ordnet sich einem Befehl unter. Es gibt Widerspruch und sogar Rebellion. Die Engel wenden sich gegeneinander und Gott scheint ferner denn je zu sein. Wieder ruht die Hoffnung auf einem Kind, dessen Kräfte das Böse aufhalten sollen. Schließlich stellt sich heraus, dass Irren nicht nur menschlich, sondern auch himmlisch ist – nicht göttlich.
Im Zentrum der Ereignisse steht der Engel Gabriel (nicht zu verwechseln mit dem Erzengel gleichen Namens). Er ist tatsächlich zwischen den Welten hin und her gerissen. Aus dem Wesen, das einmal eine fest umrissene Aufgabe hatte und wusste, wo sein Platz im Leben war, ist ein Wanderer geworden, der entwurzelt und ziellos umher läuft. Gabriel ist eine einfache Figur. Er muss keinem Beruf nachgehen und keine Familie beschützen oder ernähren. Das Einzige, was Gabriel konnte, war zu kämpfen. Das ist ihm nun verwehrt. Auf der Erde hat er keine Flügel, sein Schwert ging verloren. Sein Antrieb ist verloren. Erst als er den Kampf wieder aufnehmen will, entwickelt er auch eine neue Durchsetzungskraft, die ihm hilft gegen Widerstände anzugehen – ob er auch gegen sie bestehen kann, ist eine ganz andere Frage.
Fast scheint es, als hätten Ange ihren Gabriel auf eine neue Aufgabe angesetzt, nämlich sich selber zu finden.
Eine ähnliche Aufgabe haben sie auch Anya zugedacht, die sich zwar nicht mit Schwertern erwehren muss, aber dafür einen inneren Kampf gegen sich selbst bestreitet.
Philippe Xavier hat mit seinem äußerst präzisen Strich eine sehr schwierige Aufgabe zu erfüllen. Als Zeichner muss er zwischen drei Welten hin und her springen. Monster wechseln einander mit himmlischen Engeln, himmlische Architektur löst das Chaos auf der Erde ab. Die Übergänge und die Gegensätzlichkeiten machen den optischen Reiz dieses Bandes aus.
Besonders gelungen ist der sterbende Himmel und auch das Biest, das Monster, das die himmlische Festung bestürmt. Wollte man die Bilder mit einem Wort benennen, könnte man sie als ästhetisch beschreiben. Es herrscht eine durchgängige klare Schönheit von Linien und Formen vor.
Ein fantastisches Abenteuer mit Hochglanzoptik in einer Apokalypse, die keine Sphäre verschont. Auch in der dritten Episode wird die Spannung hoch gehalten. Derartig kämpferisch hat man Engel selten gesehen.
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