Die Zivilisation ist schlecht. Sie meint es nicht gut mit einem Barbaren. An jeder Ecke, in jeder Stadt wartet jemand, der einen Barbaren über das Ohr hauen will. Sogar Wirte erhöhen ihre Preise, wenn Conan etwas bestellt. – Könnte es damit zusammen hängen, dass er die Schenken regelmäßig demoliert?
Aber Conan will sich nicht unterkriegen lassen. Er ist ein Dieb und geht mit entsprechender Professionalität zu Werke. Allerdings hat er auch ein Problem. Ein Dieb braucht stets auch die Möglichkeit, sein Diebesgut zu Geld zu machen. Bei kleinen Dingen mag es noch angehen – obwohl Conan grundsätzlich einen schlechteren Preis bekommt als andere. Bei Gegenständen, die wegen ihres Bekanntheitsgrads als unverkäuflich gelten, finden sich keine Hehler. Conan bohrt weiter. Schließlich findet sich jemand, der ihm einen Kontakt zu einem Hehler verschaffen will, der alles verkaufen kann. Und wieder hält man den Barbaren für zu dumm.
Conan wird diese herablassende Behandlung endgültig zu viel. Die Verbrecher, die dachten, sie könnten den Barbaren nicht nur über das Ohr hauen, sondern auch töten, sehen sich ganz schnell eines Besseren belehrt. Und endlich findet Conan seinen Hehler. Doch damit fangen die Abenteuer wie immer erst an.
Es gibt einen Turm, einen sehr besonderen Turm. Seine Mauer ist spiegelglatt, und er besitzt keinerlei Eingangstür im Bodenbereich. In ihm soll sich, nach der vorherrschenden Legende und vor dem Hintergrund zahlreicher Gerüchte, das berühmte Elefantenherz befinden, ein sagenhafter Edelstein.
Niemand, so heißt es, könne ihn stehlen.
Das lässt Conan sich nicht zweimal sagen. Er macht sich auf dem Weg zum Turm. Das Eindringen in den umgebenden Park hinter der Mauer fällt ihm leicht – zu leicht und Conan wird schnell misstrauisch. Und richtig: Er ist nicht allein. Der ebenfalls legendäre Prinz der Diebe hatte eine ähnliche Idee. Doch der vermeintliche Kontrahent ist auch ehrenhaft. Gemeinsam wollen sie den Einbruch wagen.
Conan und seine Abenteuer um den Elefantenturm gehören zu den merkwürdigsten, düstersten und auch tollsten Geschichten aus seinem Leben – die außerdem aus der Feder des Meisters Robert E. Howard selbst stammen.
Wie Co-Zeichner Michael WM. Kaluta ausführt, zog er ein 40 Jahre altes Conan-Buch aus dem Regal, um sich die Geschichte noch einmal durchzulesen. Ich kann die Faszination, die er damals und heute beim Lesen dieser Geschichte erlebt, sehr gut nachvollziehen.
Sicherlich hat Conan in all seinen Abenteuern mit den seltsamsten Wesen zu tun gehabt, doch die Begegnung mit dem elefantösen Wesen namens Yag-Kosha ist ganz bestimmt eine der stimmigsten. Yag-Kosha, von dem Conan zu Beginn glaubt, er habe es nur mit einem weiteren Götzen oder Dämonen zu tun, entpuppt sich als gequälte uralte Seele, die sich nichts sehnlicher wünscht, als zu sterben, um ihrem Gefängnis endgültig zu entfliehen.
Die Geschichte um Yag-Kosha ist auch eine Geschichte in der Geschichte. In ihr hat Howard diverse Informationen dieser wilden, urwüchsigen Welt eingebaut, die eigentlich schon faszinierend genug sind. Durch das Auftreten dieser fremden Lebewesen, von denen Yag-Kosha der letzte seiner Art ist, entsteht ein kleines Highlight des Fantasy-Genres. Das Besondere ist sicherlich die Selbstverständlichkeit, mit der die Geschichte erzählt wird. Neben Conan erlebt der Leser, was sich vor Äonen zugetragen hat.
Zeichner Cary Nord gibt der Welt von Conan wieder das Gesicht – mit Bravour, wie es in den vorhergehenden Ausgaben auch schon der Fall war. Für den Einschub von Yag-Koshas persönlichen Erlebnissen wurde der Zeichner Michael WM. Kaluta verpflichtet. Durch den vollkommen anderen Zeichenstil, gestaltet sich dieser Rückblick noch eindrucksvoller.
Die Gestaltung der Elefantenwesen, von Nord wie auch von Kaluta, ist eindrucksvoll gelungen. Man erkennt ein elefantenähnliches Wesen, aber es besitzt auch viele eigene Aspekte des jeweiligen Künstlers.
Ich kann nicht mehr sagen, ob ich es mir seinerzeit dergestalt vorgestellt habe, aber in seiner Ausführung ist es beeindruckend geworden und trifft sicherlich die Vorlage von Howard auf eine sehr respektvolle Weise.
Respekt ist ein gutes Stichwort.
Gehen wir einmal davon aus, dass Howards Arbeiten (und denen seiner erzählerischen Nachfolger) eine gewisse Grundrichtung, ein gewisser Geist innewohnt, dann hat der adaptierende Autor Kurt Busiek diese Grundhaltung gut getroffen und geht sehr respektvoll mit der Vorlage um. (Ähnlich wie es seinerzeit mit der ersten Verfilmung geschah – meiner Meinung nach.) Conan erlebt diese Welt aus einer denkbar schlechten Sichtweise heraus. Ständig versucht ihn jemand zu linken. Selbst vor Frauen ist er nicht sicher, sogar Huren wollen ihm mit erhöhten Preisen das Fell über die Ohren ziehen. Die Welt ist grau, dunkel, düster, die Magie ist finster. Eigentlich hat diese Welt einem Menschen nichts Gutes zu bieten. Conan hat nur sein Talent und sein Schwert. Er nimmt das, was Crom ihm mitgegeben hat und lässt sich nicht unterkriegen. In diesen frühen Tagen seiner Abenteuer ist Conan noch weit davon entfernt, seinen Geist allzu sehr anzustrengen. Er ist jemand, der mit einem Schwert weiterkommt.
Das Besondere an der Episode des Elefantenturms ist das einschneidende Erlebnis, das damit einhergeht. Am Ende steht nicht nur eine Tat aus Mitleid, sondern auch eine wichtige Erfahrung: Selbstlosigkeit. Denn Conan gewinnt nichts Materielles aus diesem Abenteuer.
Eine der besten Geschichten aus Conans Vergangenheit vom Top-Team Busiek und Nord in Szene gesetzt – mit der Hilfe von Kaluta. Beste Fantasy-Unterhaltung mit einem wunderbar knurrigen Conan, der hier ein Stück mehr erwachsen wird. 😀
Conan 3 – Der Elefantenturm und andere Geschichten: Bei Amazon bestellen