Wir schreiben das Jahr 2039. Ein Mord wurde begangen. Die Polizei hat einen Verdächtigen im Visier und jagt den Unbekannten, den sie nur den Bat-Man nennt. Wer ist dieser geheimnisvolle Mann, über den kaum Informationen existieren?
Überwachungsfluggeräte ziehen ihre Kreise über Gotham City. Suchscheinwerfer leuchten jeden verdächtigen Winkel am Boden aus. Der Unbekannte kann und darf nicht entkommen. Aber sie haben nicht mit der Agilität des Flüchtigen gerechnet, der schier übermenschliche Fähigkeiten zu haben scheint.
In einer Stadt, in der nichts verborgen bleibt, eine Stadt, die dreckig und überbevölkert ist, einer Stadt, die keinerlei heimatliche Gefühle zu wecken vermag, ist der Gejagte trotzdem gruselig, denn er sieht aus wie eine riesige Fledermaus und jagt seinerseits den Verfolgern einen gehörigen Schrecken ein.
Die Jagd bleibt für den Fledermausmann nicht ohne Folgen. Schwer verletzt sucht er sein Versteck auf. Die wenigen Freunde, die er hat und die sein Geheimnis kennen, kümmern sich um ihn. Sobald er nur ein wenig wieder auf den Beinen ist, nimmt er die Spur wieder auf. Wer wollte ihn hereinlegen? Wer hat ein Interesse daran, Batman einen Mord anzuhängen? Wer war der Tote? Wer sind die Agenten, die sich plötzlich in den Fall einmischen?
Auf der anderen Seite stellt sich den ermittelnden Beamten die Frage: Wer ist dieser unbekannte, selbst ernannte Verbrechensbekämpfer? Bilder von ihm reichen zurück bis ins Jahr 1939. Aber diese Aufzeichnungen sind allenfalls Fragmente und keine Dokumentation. Außerdem scheint sich seine Gestalt etwas verändert zu haben in all den Jahren. Die Polizei steht vor einem Rätsel.
Auch Batman folgt seinen zu lösenden Rätseln, geduldig und unnachgiebig. Was er schrittweise erfährt, erschüttert selbst den hart gesottenen Ermittler, der schon alles gesehen zu haben glaubt. Seine Feinde gönnen ihm nichts. Sind es auch keine Superschurken, so gehen sie doch mit der gleichen Gewissenlosigkeit zu Werke. Aber Batman hat in all den Jahren nichts verlernt. Hartnäckig, und mit der Hilfe alter und auch neuer Freunde, bleibt er bis zum bitteren Ende an dem Fall dran.
Wie kann Batman über 100 Jahre alt sein? Auch Batman – Das 100. Jahr beantwortet diese Frage nicht – muss es auch nicht. Denn was Autor und Zeichner Paul Pope hier gestaltet hat, liest sich wie ein Neuanfang von Batman. Selbst angestammte Leser können den Bat-Man hier völlig neu entdecken.
Paul Pope zeichnet ein im wahrsten Sinne des Wortes düsteres Bild der Vereinigten Staaten der Zukunft. Die Verbecherjagd kann zentral gesteuert werden. Polizeischwadronen kontrollieren den Luft- und den Straßenraum. Pope zeichnet diese Welt in schnellen, skizzenhaften, abstrakten, manchmal krummen Strichen. Diese Welt ist kaputt. Es ist eine Welt geworden, in der ein Batman dringender gebraucht wird, als jemals zuvor. – Da gibt es nur eine Besonderheit: Die Superschurken sind weg. Sie haben nicht einfach ihren Job aufgegeben oder sind gestorben, weil die Natur schlicht ihr Recht einforderte. Nein, sie wurden beseitigt.
Einer, der sich deshalb gewaltige Vorwürfe macht, ist ein Polizist namens Gordon, seines Zeichens ein Enkel eines anderen Gordon, der den Bat-Man schon viel früher kannte. Dieser neue Gordon muss den Bat-Man erst noch für sich entdecken und seine Geheimnisse ergründen. Als es soweit ist, ist er bereit, so lange wie möglich zu schweigen, um die Vergangenheit dieses Helden zu schützen.
Gordon ist ein demoralisierter Cop, der von seinem Gewissen geplagt wird. Er dachte die Sache in Arkham, sei die schlimmste Sache, die ihm jemals passiert ist. Er hat sich getäuscht. Da er sich einmal nicht widersetzt hat, ist er zur leichten Beute geworden. Zuerst ist nur er sich selbst den eigenen Widerstand schuldig, als er sieht, dass einem Unschuldigen Schaden zugefügt werden soll. Je mehr er sich mit dem Bat-Man beschäftigt, umso mehr ist er sich bewusst, dass er es auch seiner Vergangenheit schuldet – und der seiner Familie.
Pope ist mit Gordon ein sehr guter Comic-Charakter gelungen.
Während Batman sehr im Dunkeln bleibt, scheint das Licht auf seinen engen Helferkreis schon heller. Eine Ärztin und zwei jugendliche Erwachsene opfern sich sehr für den geheimnisvollen Rächer auf, der selbst in ihrem Beisein den unwiderstehlichen Drang zu verspüren scheint, sein Gesicht nicht allzu häufig zu zeigen. Pope schildert auf behutsame und überzeugende Weise, wie sehr sein Leben ihr eigenes auf den Kopf stellt. Der neue Robin ist nicht wiederzuerkennen, aber er ist nicht minder begabt und auch nicht weniger haghalsig als seine Vorgänger.
Dieses Batman-Team muss mit viel weniger auskommen, als es der Leser gewohnt ist. Die Bathöhle ist eine miese Absteige geworden. Wenn die Mission geschafft ist, kommt kein ferngesteuertes Batmobil um die Ecke gerast. Mehr als ein (wenn auch besonderes) Motorrad ist für diesen Batman nicht drin.
Diese faszinierende, ungewohnte, aber hoch spannende neue Sicht zeichnet Paul Pope beinahe auf brutale Weise, die den Leser mitreißt und keine Ablenkung bietet. Dieser Batman, der auch schon mal ein falsches Gebiß einsetzt, um seine Feinde zu erschrecken, ist schwerer und dunkler als viele andere Geschichten des Dunklen Ritters – und schon ist ein Bezug gefunden: Popes Batman-Variante kann sich mit Frank Millers Batman messen. Es findet sich sogar eine kleine Anspielung darauf im vorliegenden Band. Pope hat seine Hausaufgaben gemacht.
Wie erzählt man Batman neu? Pope gibt eine eindrucksvolle Antwort: rasant, ungewöhnlich, überaus rätselhaft, spannend. Dieser Batman ist eine regelrechte Essenz dieses Charakters. 🙂