Wolverine hat sich seinen Urlaub redlich verdient. Nach all seinen Kämpfen gegen Superschurken und normale Gauner trifft er in Brasilien ein. Natürlich hält er Kontakt nach Hause. Xavier hat einen Mutanten entdeckt, dem Wolverine nachgehen soll.
Nachgehen ist das richtige Wort, denn kaum hat Wolverine das Telefonat beeendet, wird sein Motorrad gestohlen. Seltsamerweise gelingt es drei Kindern, dieses Kunststück zu vollbringen. Eines der drei hat eine ungewöhnliche Fähigkeit. Es kann den Gleichgewichtssinn eines Menschen vollkommen durcheinander bringen. Auch Wolverine bleibt davon nicht ausgenommen. Binnen Sekunden findet er sich am Boden wieder.
Wolverine macht sich auf die Suche. Bald geht es um mehr als um ein Motorrad. Aus eigener Erfahrung weiß Wolverine, wie schwer es Kinder haben können. In der brasilianischen Gegend, in der er gelandet ist, verhält es sich noch etwas anders. Diese Kinder werden gejagt. Jemand bezahlt Todeskommandos, um ihm Kinder zu bringen. Zu welchem Zweck dies geschieht, bleibt vorerst noch im Dunkeln.
Logan stöbert die Kinder und sein Motorrad auf. Schnell versteht er sich gut mit den Kids, spricht er doch ihre Sprache und ist so ganz anders als andere Erwachsene. Doch die Situation gerät außer Kontrolle. Die Todesschwadron, der die Kinder einmal entkommen sind, findet sie wieder. Wolverines Urlaub wächst sich zu purem Grauen aus.
Wolverine – Saudade ist ein außergewöhnliches Abenteuer aus Wolverines Leben. Einerseits ist es sehr realitätsnah geworden (nicht zuletzt wegen seines Handlungsortes), andererseits hat sich ein europäisches Erfolgsduo des Superhelden angenommen: Jean-David Morvan und Philippe Buchet sind die Macher hinter der erfolgreichen Sillage-Reihe. Die beiden Comic-Veteranen beantworten auf eindrucksvolle Weise die Frage, was geschieht, wenn europäische Comic-Künstler auf amerrikanische Comic-Legenden treffen.
Wieder einmal verlässt Wolverine seine angestammte Umgebung. Slums und Freaks, die andere Menschen jagen, kannte er bereits aus früheren Jahren. Die gezielte Jagd auf Kinder ist jedoch auch für ihn nicht alltäglich – sieht man einmal von der Jagd auf Mutanten jeglichen Alters ab.
Morvan und Buchet geben dem Thema Wolverine noch mehr Ernsthaftigkeit mit, als der Leser es von diesem Charakter ohnehin gewohnt ist. Logan alias Wolverine ist schon immer ein Charakter gewesen, der so manche Angelegenheit persönlich genommen hat und der sich sehr schnell als Beschützer für bedrohte Menschen hervorgetan hat. Ganz besonders Frauen und Kinder konnten immer mit seinem Schutz rechnen.
Hier setzt er sich für Kinder ein, die tagtäglich Bedrohungen ausgesetzt sind, wie wir sie hier auf der anderen Seite des Erdballs nur aus Reportagen her kennen. Morvan und Buchet versuchen diese Bedrohung so realistisch wie möglich zu schildern. Sehr selten nur wurde Wolverine derart zugerichtet, wie es hier der Fall ist. Das Erfolgsduo erspart ihm rein gar nichts.
Die Bedrohung, auf rein realistische Art, ist bereits gefährlich genug. Surrealer, aber nicht weniger drastisch wird es, als Wolverine dem Feind, der bislang hinter den Kulissen agierte, gegenüber steht. Dergestalt hat sich Logan wohl noch nie zur Wehr setzen müssen.
Ohne über diesen Feind zu viel zu verraten, lässt es sich doch sagen, dass dieser Feind eine durchaus zwiespältige Erscheinung ist, denn er ist nicht durch und durch böse, obwohl er sich durch sein Werk auch bereichert. Man könnte diesen Charakter mit der Überschrift versehen: Der Zweck heiligt die Mittel. Nicht umsonst haben Morvan und Buchet diesem Wunderheiler ein messiasähnliches Äußeres gegeben – eigentlich eine bitterböse Anspielung und auch ein gelungener Coup, denn die beiden Erzähler spielen geschickt mit der Erwartungshaltung des Lesers, um sie sogleich abgrundtief zu enttäuschen.
Buchet hat bereits mit Sillage bewiesen, zu welch außerordentlich guten Bildern er in der Lage ist. Hier muss er die Phantasie einer SciFi-Saga hinter sich lassen und sich der echten Welt widmen. Buchets Bilder fangen den harten Alltag und die Umwelt Brasiliens sehr gut ein, aber sie lassen auch nicht das Lebensgefühl dieses Landes außen vor, das sich insbesondere auch die Musik und den Tanz ausdrückt. Wolverine eine Salsa tanzen zu sehen, ist eine schöne kleine Episode – zumal der Leser Wolverine nur sehr selten so heiter und ausgelassen sehen kann.
Umso drastischer fällt der Kontrast durch die Schießereien und Wolverines Verletzungen aus. Denn so ausgelassen Woverine hier ist, noch härter sind seine Verletzungen. Seine Selbstheilungskräfte werden auf eine harte Probe gestellt. Es bedarf sogar der Rettung von außen – nur anders als erwartet. Die übrigen X-Men kommen so gut wie gar nicht zum Zug.
Auch mit diesem Band zeigt Buchet, warum er mit zu den Top-Zeichnern im Bereich Graphic-Novel gehört.
Saudade: Es ist so eine Art Wehmut nach den Dingen, die man hätte erleben können. Morvan und Buchet verwenden eine grandiose und echt anmutende Kulisse für eine Erzählung aus dem Leben eines Comic-Urgesteins. Härter, menschlicher, echter, eine der besten Geschichten rund um den kleinen, stark behaarten Mutanten. 😀
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