Cain hat sich von seinen einstigen Auftraggebern losgesagt. Er wartet auf einer Bank am Bahnhof. Eine Fliege summt. Er verscheucht sie. Wenig später fährt ein Zug in den Bahnhof und entlässt seine Fahrgäste auf den Bahnsteig.
Während der folgenden Schießerei sind glücklicherweise keine anderen Passanten mehr anwesend. Cain kündigt. Das ist keine echte Überraschung für seine Auftraggeber, die das Killerkommando losschickten.
Unterdessen versinkt ganz England in einer Krise. Der Vorsitzende der OPEC befindet sich immer noch in Geiselhaft bei Recht-auf-Schönheit-Fraktion. Die übergewichtigen Geiselnehmer, die zahlreiche Schönheitsmaßnahmen im Austausch fordern, sind sich nicht so recht einig. Man streitet über das Abendessen und ob das Dienstmädchen als Warnung erschossen werden soll.
Der Ölpreis steigt in England munter weiter.
Cain kann sich mit der Hochpolitik nicht aufhalten. Immer noch ist er auf der Suche nach den Mördern seines ehemaligen Mentors.
Cineasten werden beim Auftakt der vorliegenden Episode deutliche Parallelen ziehen. Eine Fliege nähert sich einem dösenden Pistolero, der sie mit dem Lauf seiner Waffe einfängt. In der zweiten Folge von Smoke sind die Vorzeichen umgekehrt. Der geheimnisvolle Fremde kommt nicht mit dem Zug an wie in Spiel mir das Lied vom Tod, sondern er erwartet das Killer-Kommando mit stoischer Ruhe. Die Auseinandersetzung ist heftig und zeugt von Cains Präzision und Professionalität in seinem Beruf – sofern Beruf die richtige Bezeichnung für seine Tätigkeit ist.
Autorin Alex de Campi zeichnet auch im zweiten Teil von Smoke eine bitterböse, eine menschenverachtende Welt. Im Vergleich zur ersten Episode bietet diese Folge noch mehr Zynismus. Endlich haben es die Dicken absolut Leid. – Es sind keine Gerichtsurteile mehr vonnöten, niemand verklagt mehr die Produzenten von Schokoriegeln und koffeinhaltigen Brausegetränken, weil der Zucker sie dick werden ließ. – Diesmal läuft es anders: Die Dicken haben sich bewaffnet und setzen ihre Forderungen mittels Gewalt durch. Dieses Handeln scheint ein logische Konsequenz zu sein, wenn nicht in unserer, so wenigstens in der erzählten verrückten Welt.
Alex de Campi nimmt leider die Geiselnehmer nicht ernst. Ihr IQ scheint im Quadrat zu ihrer Gewichtszunahme abgenommen zu haben. Hätten sie ein endlich durchdachtes und kaltblütiges Verhalten wie ihre tätowierte Anführerin an den Tag gelegt, wäre die ganze geschilderte Aktion stimmiger gewesen.
Aber das ist der einzige Ausrutscher, den Alex de Campi sich geleistet hat. Ansonsten ist diese Zukunft absolut konsequent fortgeführt. Konzerne, Industrie und Hintermänner beherrschen die Welt. Regierungen sind hilflos, korrupt, das Königshaus ist komplett Gaga. Es kommt nur durch, wer sich der Gewalt anpasst. Natürlich sind auch die Mächtigen nicht völlig außer Gefahr. Noch gibt es die Leisen Männer, die selbst den Mächtigen das Fürchten lehren. Eigentlich befindet sich die ganze Welt in einem unsichtbaren Kriegszustand, der jenem des Kalten Krieges nicht unähnlich ist. Da, wo sich noch keine Symptome zeigen, brodelt er unter der Oberfläche.
Ein Außenseiter, bereits optisch als Albino gezeichnet, bricht aus dem System aus. Es ist bezeichnend, dass ausgerechnet ein weißes, also optisch reines menschliches Wesen, sich anschickt, seine im System erlernte Schläue einzusetzen, um selbiges aus der Reserve zu locken.
Cain bleibt irgendwie gesichtslos, ebenso wie seine zeitweilige Gegenspielerin, die Tätowierte. Zeichner Igor Kordey greift diesen Aspekt auf und setzt sie vorbildlich um. Nur wer, Cain zu nahe kommt, kann sein Gesicht richtig sehen.
Kordey hat den richtigen Strich, um all die Gemeinheit dieser Geschichte mit schnellem, beinahe reporterhaften Strich auf das Papier zu bannen. Die Geiselnehmer hat er mit besonderer Finesse gezeichnet. Einer der Geiselnehmer, ein offensichtlicher Elvis-Fan, stirbt sozusagen in Großaufnahme – und merkt es zunächst nicht einmal. Das ist nichts für zarte Gemüter.
Der wirklich Gesichtslose ist bereits als Gegner auf dem Weg, genial von Kordey umgesetzt. Bildkompositionen, die neugierig auf die Fortsetzung machen.
Smoke ist ein knallharter Thriller geworden. Spannend, auch brutal, eine zynische Zukunftsgeschichte, wie sie zuletzt in den 60er und 70er Jahren des letzten Jahrhunderts geschrieben wurden. – Mit einer Spur Comedy, wie sie in unserem Jahrzehnt so populär wurde. 😀
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