Das Schiff mit den karibischen Gästen nähert sich langsam der mexikanischen Küste. Canari will sich mit ihren Geschwistern aufmachen, um heiliges Wasser zu holen. Gerade dieses Wasser lässt sich gut bei den Gästen verkaufen. Der Ausflug in den Dschungel wird durch das Gequengel und die Unberechenbarkeit der kleinen Geschwister erschwert. Canari, als ältester Tochter, wird die Verantwortung bald zu groß. Kya, die Schwester, und Xuma, der zweitjüngste Sohn, finden sich nach einem Bad im heiligen Wasser schnell wieder, aber der jüngste, Xaotil, bleibt verschwunden.
Voller Sorge machen sich die Drei auf die Suche nach dem Bruder, allen voran Canari, die genau weiß, welche Verantwortung auf ihr lastet. Und sie weiß, dass sie das in sie gesetzte Vertrauen ihrer Eltern enttäuscht hat. Die Panik treibt die Kinder dazu an, sich in noch verbotenere Gefilde zu wagen.
In der Folge eignet sich Xuma einen Armreif an, der eigentlich als Opfergabe für die Götter gedacht war. Das Abenteuer nimmt seinen Lauf.
Andernorts. Wayne ist ein begeisterter Surfer. Warum er ausgerechnet in diesen kleinen verschlafenen mexikanischen Ort wollte, ist seinen Begleitern ein absolutes Rätsel. Er kann es weder ihnen noch sich selbst so recht erklären, was ihn hierher führte. Eines Tages erhielt er eine Postkarte aus dieser Gegend. Es fehlt der Absender, aber er ist neugierig geworden und seither besucht er diesen Ort, sooft er kann. Fakt ist, dass er sich hier wohl fühlt.
Wayne wartet auf den Tsunami, auf die Riesenwelle, die er eines Tages reiten will.
Canari kann nicht warten. Die Suche nach ihrem Bruder wird zum Abenteuer ihres Lebens. Plötzlich erwarten sie fremde Krieger, Dimensionstore und untote Monster, die den Geschwistern hinterher jagen. Gnome, Panther und Götter kreuzen ihren Weg, doch die Kinder geben nicht auf.
Canari – Die goldenen Tränen überrascht den Leser mit grandiosem Artwork und einer Geschichte, die Abenteuer pur ist! Selten hat eine Serie wohl einen so tollen Start hingelegt.
Mittel- und Südamerika bieten für phantastische Geschichten dank einer hohen historischen und mythologischen Dichte einen hervorragenden Nährboden für gute Szenarien. Ein solches haben Autor Didier Crisse und Zeichner Carlos Meglia kreiert.
Crisse ist zum Beispiel mit der Serie Atalante mythologisch vorbelastet und konnte dort bereits zeigen, wie er mit hohem Einfallsreichtum an eine solche Aufgabenstellung herangeht. Canari ist ein junges Mädchen eines archaischen Volkes. Die Götter sind allgegenwärtig, die Natur ist berauschend und bunt, aber auch feindselig. Es kreucht und fleucht an allen Ecken, Vögel fliegen bei Störung auf, Panther sind auf der Jagd, kleine rote Kobolde machen den Menschen das Leben schwer. (Oder verwirren sie wenigstens.) Die Atmosphäre und die Umgebung sind absolut stimmig. Die sorgfältige Gestaltung betrifft auch die Charaktere. Jeder einzelne ist rundum nachvollziehbar und fügt sich hervorragend in das Szenario ein.
Kleine Details, Malereien, Schminke, Schmuck und vieles mehr komplettiert jede Figur höchst individuell.
Canari startet recht harmlos, geheimnisvoll. Der Stil erinnert an alte Zeiten, in denen abendfüllende Disney-Filme noch etwas Besonderes waren. Canari ist im besten Sinne auf dem gleichen Niveau wie Das Dschungelbuch oder Taran und der Zauberkessel.
Wie Canari, Xuma und Kya habe ich als Leser die Handlung mit großen Augen verfolgt. Der Dschungel, der Dimensionssprung der Kinder ist gleichfalls ein Dimensionssprung für den Leser, denn er wird mit all der Fülle der Einzelheiten von der Geschichte festgehalten, bis sie zu Ende ist.
Das wirklich Besondere des vorliegenden ersten Teils von Canari ist die zeichnerische Ausführung, denn die nimmt sehr starke Anleihen am Zeichentrickfilm. Schwarze Outlines gibt es nicht. Wie eben im Vergleich zu Disney angesprochen, erinnert auch die Ausgestaltung optisch an diese Klassiker – handwerklich ist die Ausführung top. Carlos Meglia arbeitet mit allen Finessen: fein ausgearbeitete Hintergründe, beinahe gemäldeartig, vordergründig finden sich eher wenig schattierte Figuren. Farbige Outlines erhöhen den Zeichentrickcharakter, hier und dort verwendete Unschärfen erhöhen den Effekt von Kameraeinstellungen. Meglia verwendet auch die Möglichkeit, den Leser im Rücken der agierenden Figuren zu postieren, als vierte Person, wenn man es so nennen will.
Da Meglia intensiv mit Perspektiven arbeitet, die Kamera auch mal schräg hält, sind die Wirkungen der einzelnen Seiten sehr dynamisch. Die jeweilige Aufteilung ist stets anders und hält neue Überraschungen bereit.
Canari ist ein aufwendig gestaltetes, optisches Meisterwerk.
Toller Auftakt, eine phantastische Geschichte mit sympathischen Charakteren und spannender Handlung. Die Bilder sind ein Hammer! 😀
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