Kim harrt seit zwei Monaten mit ihren neuen Weggefährten Inge, Mai Lan und Hector in einem kleinen Versteck aus. Bisher haben sie den Aufbruch nicht gewagt, da Hectors Bein noch nicht verheilt war. Doch inzwischen plagt alle die Ungeduld, besonders Hector hält es nicht mehr länger aus. Er will seine alte Bewegungsfreiheit wieder haben. Zu den Wünschen nach ein wenig Zivilisation kommen die Eifersüchteleien einer heranwachsenden Mai Lan.
In der Nacht wird Kim gerufen. Die Fluss-Mantrisse, jene merkwürdige Intelligenz, die für alle Beteiligten ein riesiges Rätsel darstellt, zieht Kim beinahe magisch an. Doch entgegen sonstigen Erfahrungen reagiert diese Mantrisse plötzlich sehr ungewohnt. Und es ist nicht das einzige Ungewöhnliche, was Kim geschieht. Sie macht eine Begegnung, wie sie noch niemals zuvor ein Mensch gemacht hat. Wieder lüften sich weitere Geheimnisse um die Mantrisse.
Die Überraschungen reißen nicht ab. Nach langer Zeit begegnet Kim Alexa wieder, der Frau, die Kims Schicksal in der Kindheit eine völlig neue Richtung gab.
Viele Fragen werden beantwortet und ein großer Kreis schließt sich.
Betelgeuze 5 – Der Andere schließt einen großen Kreis, der mit der fünfteiligen Reihe Aldebaran begann. Die Geschichte ist auf leise Art phantastisch, sie benötigt keine großen Knalleffekte oder wahnsinnige Action. Aldebaran und Betelgeuze bestechen durch ihre tolle Weltenbeschreibung, die zuerst der Erde nicht unähnlich ist. Je mehr der Leser allerdings in diese Welten eindringt, umso mehr Details von Fauna und Flora zeigen sich, die so gar nichts mit der Erde gemein haben. Der Trick: Was zuerst so einfach wirkt, entpuppt sich als komplexes Konstrukt mit einem lange vorher gesponnenen Faden. (Einen ähnlich dichten Faden kenne ich nur von Serien wie Babylon 5.)
Autor und Zeichner Leo hat sich mit dieser insgesamt zehnbändigen Saga um die Kolonisierung des Weltraums durch die Menschheit bereits einen sehr guten Namen gemacht im literarischen Bereich der Comics.
Leo ist hierzulande außerdem noch bekannt durch die Reihe Kenya, einem Ausflug in Lovecraftsche Welten auf der guten alten Erde der 40er Jahre.
Eine weitere Zusammenarbeit mit dem Autor Rodolphe findet sich mit der kleinen Western-Reihe Trent. In gewohnt zerbrechlich wirkendem Stil wird hier ein Abschnitt aus dem Leben eines kanadischen Mounties erzählt. Wildnis, Western, Abenteuer, Krimi und Romantik, all das findet sich in dieser Erzählung und Leo stellt hier unter Beweis, dass er auch reale Themen hervorragend umzusetzen weiß.
Betelgeuze beschreibt das Erwachsenwerden von einigen wenigen Charakteren im Einzelnen und von der Menschheit in seiner Gesamtheit. Es verfolgt eine gewisse Philosophie, die in der Science Fiction nicht selten ist, aber zu der sich immer wieder neue Ansätze finden. (Einer der bekanntesten Ansätze dürfte wohl 2001: Odyssee im Weltraum von Arthur. C. Clarke sein.)
Kim geht einen ähnlichen Weg, wie es bereits Alexa tat, deren Leben sich durch den Kontakt mit der außerirdischen Lebensform Mantrisse weit über das normale Maß hinaus verlängerte. Kim empfängt ebenfalls die Kapseln der Mantrisse, kommuniziert mit ihr, erfährt neue Blickwinkel und durch ihre geistige Reife erlangt sie eigentlich, bei genauerer Betrachtung, eine neue evolutionäre Stufe. Ein Zustand, der ohne den Aufbruch zu den Sternen nie erreicht worden wäre.
Die ruhige Erzählweise von Betelgeuze, die Neugier der Hauptpersonen, die sich auf den Leser überträgt, daraus entsteht eine unwiderstehliche Spannung.
Leo setzt nicht auf Effekte, er setzt auf Größe und auf Rätsel. Die Größe zeigt sich einerseits in Form der Mantrisse, die in Betelgeuze in zwei verschiedenen Erscheinungsformen auftritt. Einerseits ist es die Optik, wie die Lebensformen sich zeigen, andererseits ist es das Erscheinen der Mantrissen, mal zart, mal gigantisch, zuweilen auch gewalttätig, primitiv, dann intellektuell haushoch überlegen.
Betelgeuze 5 – Der Andere löst sehr viele Rätsel auf, zur Zufriedenheit des Lesers natürlich, aber es verbleiben auch noch Fragen – weshalb eine Folgereihe namens Antares bereits angekündigt ist.
Für den Leser bedeutet dies keinen Nachteil, denn jede Reihe ist in sich abgeschlossen. Allerdings gehört diese Form der Science Fiction für mich zur süchtig machenden Variante, bei der ich einfach immer wissen möchte, wie es weitergeht.
Beide Daumen rauf für ein echtes Juwel in Sachen Comic und SciFi. 😀