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Comic Blog


Mittwoch, 05. April 2006

Vampire Boy – Die Auferstehung

Filed under: Mystery — Michael um 19:26

Vampire Boy 1 - Die AuferstehungBauarbeiten. Sonnenlicht fällt durch ein Loch im Asphalt, das seit 50 Jahren verschlossen war. Tief unten setzt sich eine Reaktion in Gang. Gewebe erneuert sich auf einem uralten Skelett. Wenig später flüchtet ein Junge aus dem Loch.

Ein Junge ohne Namen inmitten einer nordamerikanischen Großstadt, allein, aber nicht schwach. Nichts kann ihm etwas anhaben, die Sonne ist seine Verbündete und heilt jede Wunde, die ihm zugefügt wird. Sein langer Schlaf hat ihm einen riesengroßen Hunger beschert, einen Hunger, der so groß ist, dass er anderen auffällt. Obwohl äußerlich ein Kind, ist der Junge alt, sehr alt und sein endloser Hunger auf menschliche Nahrung ist nicht die einzige Besonderheit, die ihn auszeichnet.
Die Welt hat sich sehr verändert, aber sie ist so gefährlich wie eh und je. Auch diese Erfahrung macht er alsbald wieder. Doch die Welt ist auch nicht so schlecht, wie sie ihm zu Beginn erscheint.
Ein alter Indianer namens Gentle Bear hilft dem Jungen, nicht ganz uneigennützig, wie sich später herausstellt.

Vampire Boy – Die Auferstehung packt das Vampir-Genre auf erfrischende Weise an. Es entzaubert es einerseits, gibt ihr ungewöhnliche Hauptfiguren, andererseits bringt es neue Aspekte ein, die auf den ersten Blick ungewöhnlich sind, aber auch sehr ernsthaft und mit der nötigen Geduld erzählt werden.

Ein kleiner Junge, der mit der Erfahrung von 5000 Jahren ausgestattet ist, ist ein Vampir der außergewöhnlichen Art. Er besitzt ein wenig von der Schwermut, die bei Vampiren in den letzten Jahren nach dem Willen ihrer Autoren umgeht. Aber er ist auch nach wie vor ein Kind, das sich nach menschlicher Nähe sehnt, nachdem er seine eigene Familie viel zu früh verlor.
Einem Kind eine, nennen wir es beim Namen, eine bösartige Hure entgegen zu stellen, halte ich für eine beinahe geniale Idee. Ahmasi hat außer ihrer Sucht nach Lust (und Macht über die Männer) nichts Menschliches an sich, nicht einmal zu Lebzeiten.
Beide sind unsterblich, aber sie machen nichts daraus. Das ist, zusammen mit dem abgrundtiefen Hass aufeinander, die einzige Gemeinsamkeit, die die beiden haben. Der eine ist zu klein, die andere zu selbstsüchtig. Da die Handlung sich die erforderliche Zeit nimmt, werden die Charaktere sehr schön vorgestellt. Rückblicke zeigen kurze Momentaufnahmen aus dem Leben der beiden in vielen Jahrhunderten.

Die Handlung selbst ist ungewöhnlich spannend. Sie zeigt nicht nur das Leben eines Vampirs, sondern auch das eines kleinen Jungen in einer heutigen Großstadt. Hat ersterer eigentlich nichts zu fürchten, so sieht sich letzterer in dieser Welt einer riesigen Ansammlung von Gefahren gegenüber. Autor Carlos Trillo leistet hier mit seinen Beschreibungen ganze Arbeit, wenngleich es auch ein wenig trostlos ist. Die Rückblicke sollten ruhig etwas häufiger eingestreut sein – vielleicht auch, im Hinblick auf die ägyptische Herkunft des Jungen, weil ägyptische Szenarien immer schon etwas Geheimnisvolles in sich haben.
Trillo spricht im anschließenden Interview zum Ende des Bandes die Ironie an, mit der er die Realität beschreibt. Ich möchte behaupten, dass die Ironie nicht so überspitzt ist, wie sie sein könnte. Ein überaus genauer Blick auf das, was ist, ist es allemal.

Zeichner Eduardo Risso, der nicht zum ersten Mal mit Trillo zusammenarbeitet, beherrscht einen hervorragenden Minimalismus. Anders kann ich seinen Bildaufbau nicht beschreiben. Er entzieht sich der Details nicht, die ein Gegenstand oder eine Stadt haben kann, aber er beherrscht es geradezu perfekt, gerade so viel zu zeigen, dass das Auge des Lesers den nötigen Rest hinzu sieht. Einige Ansichten, wie etwa vom Stammesgebiet der Oglala aus, sind beeindruckend fein ausgearbeitet. Manchmal zeigt Risso kleine Nebenszenen wie einen Autounfall, der die Handlung zwar nicht vorantreibt, aber für Atmosphäre sorgt.
Rissos Darstellung der Charaktere ist sehr, sehr schön. Die Einfachheit ist einfach toll. Gentle Bear, der alte Indianer, Fever, die blinde Ladenbesitzerin, beides Nebenfiguren sind feine Beispiele für eine bis ins kleinste Detail ausgearbeitete Geschichte.
Insgesamt würde Vampire Boy in Farbe nicht mehr so schön sein. Ich behaupte, Rissos feine Art zu zeichnen würde hierbei zu sehr in den Hintergrund treten. (Natürlich eine reine Spekulation, letztlich müsste das jeder Leser für sich selbst entscheiden.)

Der Auftakt der Geschichte lässt noch viele offene Fragen übrig. So ist die Entstehungsgeschichte des kleinen Vampirjungen immer noch rätselhaft. Die kurzen Ausblicke in die Vergangenheit bieten viele Möglichkeiten. Ich würde mich freuen, mehr darüber zu lesen, was der Junge über die Jahrhunderte hinweg noch alles erlebt hat. Am Ende lässt Carlos Trillo Gnade vor Recht ergehen und legt damit den Grundstein für eine wirklich gern erwartete Fortsetzung. Genre-Freunde werden an dieser schönen Variante des Vampirthemas ihre Freude haben. 😀

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