Ein Friedhof im Winter, Weihnachten. Peter Parker besucht das Grab seines Onkels Ben. Aber obwohl Peters Ersatzvater und Freund seit vielen Jahren tot ist, bleibt es kein stiller Besuch. Peter hält Zwiesprache mit dem Verstorbenen, der ihm immer ein guter Ratgeber war. Sie schwelgen in Erinnerungen an schöne Tage. Sie sehen die kleinen Eigenarten des anderen, erwärmen sich an der Liebe von Tante May, die immer wusste, dass sie zwei Kinder zu Hause hat: Peter und Ben.
Es ist ein Rückblick in Peters Kindheit, als er der einzige Ameisensoldat mit acht Beinen während einer Schulaufführung war.
Es ist ein Blick auf die Zeit als Spider-Man, die verlorenen Lieben, die Freunde, die Feinde, die vielen Kämpfe, die kein Ende zu nehmen scheinen.
Diese Geschichte zeigt, was Superheldencomics alles zustande bringen können. Die Kurzgeschichte Der letzte Vorhang steht völlig für sich alleine. Natürlich dreht es sich um Peter Parker und um sein Alter Ego Spider-Man, aber das ist hier vergleichsweise nebensächlich. Ebenso gut könnte er ein Cop sein, oder ein Feuerwehrmann, ein Arzt vielleicht, in der Hauptsache jemand, der sich tagtäglich für andere einsetzt.
Das ist die eine Seite. Die Last der Verantwortung, die Verluste, die er zu beklagen hat. Ob diese durch seinen Nebenjob herrühren oder nicht, ist auch eher nebensächlich.
Die andere Seite ist eine sehr schön menschlich dargestellte Geschichte. Zeitweilig gewann ich sogar den Eindruck, es mit einer weihnachtlichen Gespenstergeschichte zu tun zu haben. Peter und Ben erzählen sich ihre Erinnerungen und bilden Engelsfiguren im tiefen Schnee ab. Auffallend dabei ist die Tatsache, dass es zwei Figuren sind und diese auch im Schnee erhalten bleiben.
Die Erzählweise, der Wechsel in den verschiedenen Zeitebenen und der damit einhergehende wechselnde Zeichenstil hebt die Geschichte zusätzlich hervor. Die Kindheit ist eher eine cartoonhafte Erinnerung, die Gegenwart realistisch, das Leben als Spider-Man ist verklärt und merkwürdig. Am Ende fließen die Zeichenstile ineinander und formen ein Abschlussbild, in dem einfach alles zusammenpasst und –gehört.
Hört sich sehr tiefsinnig an?
Wer Superheldengeschichten heute noch Geistlosigkeit unterstellt, liegt sowieso total falsch. Klar, nobelpreisverdächtig sind sie auch nicht, aber inzwischen sind derart viele versierte und gute Autoren hier am Werk, dass es beinahe unheimlich ist. Superhelden gehören zum Lebenslauf eines Schriftstellers, der es in der Unterhaltung zu etwas gebracht hat.
Der letzte Vorhang ist recht universell und im Gegensatz zum Einsatz gegen üble Halunken wird der eine oder andere Leser Parallelen zu eigenen Erlebnissen finden können. Unter dem Strich lässt sich nur sagen: Klasse!
Am Ende der Geschichte steht die Hoffnung.
Ähnlich nachhaltig blieb mir bisher nur die Geschichte um den 11. September in Erinnerung, die aktuell in der FAZ Ausgabe Spider-Man abgedruckt ist.
Die zweite Episode des vorliegenden Bandes ist vielleicht nicht ganz so schön umgesetzt, aber immer noch hübsch anzuschauen. Die kleine Geschichte schildert, wie Spidey sich für die Schulaufgaben seiner Schüler einsetzt (natürlich für Parkers Schüler). Spider-Man, der, an einer Hauswand hängend, Schulaufgaben Korrektur liest, ist ein Anblick für sich.
Diese letzte Ausgabe von Der spektakuläre Spider-Man ist ein schönes Beispiel dafür, dass Superhelden auch nur Menschen sind (sein sollen). 🙂