Das kleine Segelschiff kreuzt auf dem Pazifik unter dem Kommando des brutalen Kapitäns Rasputin. Eigentlich erhofft sich niemand an Bord besondere Vorkommnisse bis zum eigentlichen Anlass der Reise: dem Kapern eines englischen Kohlefrachters. Wie so oft kommt es ganz anders. In einem treibenden Rettungsboot findet die Mannschaft des Segelschiffs einen Jungen, Cain, und ein Mädchen, Pandora, beide, wie sich später herausstellt, Kinder reicher Eltern. Für Rasputin ist klar, dass er für die Kinder ein ordentliches Lösegeld verlangen kann.
Als sie auch noch den auf eine Planke gefesselten Corto Maltese aus dem Wasser aufnehmen, nimmt Rasputins Plan eine endgültig andere Wendung.
Schnell wird der Abenteurer Corto Maltese zu einem ausgleichenden Faktor an Bord des Schiffes. Seine grundlegende Ehrenhaftigkeit, die er tunlichst zu leugnen versucht, hält den Jähzorn Rasputins häufig im Zaum. Nach der Kaperung des Kohlefrachters treffen sie auf ihre deutschten Kontaktleute. Die deutsche Marine versucht sich im Pazifik Stützpunkte einzurichten, bevor der Ernstfall eintritt und der Nachschub abbricht. (Der Erste Weltkrieg steht kurz bevor.) Corto wird die Aufgabe zuteil, an Bord des Segelschiffs auf die beiden jungen Geiseln aufzupassen.
Und wieder kommt alles ganz anders.
Ein Sturm verschlägt Corto und die ihm Anvertrauten auf eine einsame Insel geradewegs in die Arme von Eingeborenen, die keineswegs an einer friedlichen Lösung interessiert sind. Bald schon findet die Flucht statt, dramatisch zwar, aber glücklich. Während sich der junge Cain noch mit einem neuen Freund über Moby Dick unterhält, taucht vor ihnen ein deutsches U-Boot aus der Tiefe empor.
Abenteuer pur!
Manchmal sieht man einen Ausschnitt aus einem Film. Jahre später schaltet man das Fernsehen wieder ein und landet just genau in dieser einen Szene, die man damals bereits gesehen hat und die einem besonders im Gedächtnis geblieben ist.
Ähnlich erging es mir mit Corto Maltese.
Ich kramte ein bißchen und siehe da: ZACK, Ausgabe Nr. 7, Februar 1974. Hier findet sich die vierte Episode der Südseeballade. In dieser Darstellungsgröße wirken die Bilder von Pratt ein wenig zu einfach. In der Verkleinerung in der vorliegenden Ausgabe aus der FAZ Reihe der Comic-Literatur bekommen die Bilder einen eher grazilen Charakter.
Die Kolorierung wurde erneuert. So betrachtet gewinnen die Bilder insgesamt an Qualität. Zwar wird Pratts Abstraktionsfähigkeit und die Simplifizierung von Szenen stets gelobt, aber für meine Begriffe sollte es auch nicht übertrieben werden.
Für Pratt, und das steht außer Frage, ist die zeichnerische Darstellung auch ein erzählerisches Mittel, das ähnlich einer klaren einfachen Sprache nicht von der eigentlichen Handlung ablenkt.
So entspinnt sich schnell eine tolle Abenteuergeschichte. Da sie sich der gängigen Erzählweise entzieht und kein Muster auf sie anwendbar scheint, entsteht eine absolut unvorhersehbare und deshalb sehr spannende Geschichte.
Wer Vergleiche anstellen will, mag Der Seewolf oder Sohn der Sonne heranziehen. Ein ozeanisches, exotisches Flair, beinahe magisch, ohne jemals unrealistisch zu sein. Dies ist weniger ein Comic, eher ein Roman, eine Geschichte, die den Begriff Graphic Novel absolut verdient.
Feine einleitende Worte und schöne Aquarellzeichnungen von Pratt machen diese FAZ Ausgabe der Reihe zu einem wirklichen Schmuckstück, das selbst für jene interessant ist, die sonst mit Comics rein gar nichts anfangen können. 😀